Vielleicht werde ich alt und doch irgendwie erfahren oder weise. Musik. Früher einer der wichtigsten Konstanten in meinem Leben, verlor in den letzten Monaten wahrhaft an Bedeutung. Mssiv an Bedeutung. Früher war sie so wichtig. Am Erscheinungstag in den Plattenladen gerannt um die Platte von Band XY zu bekommen, schnellstmöglich nach hause rennen, um sie vor der Anlage sitzend zu verschlingen. Passiert nicht mehr. Vielmehr kam es in letzter Zeit erschreckend oft vor, dass ich unterwegs irgendwo Musik gekauft habe, sie auf statt in die Anlage geschmissen habe und sie dort tagelang- nein teilweise sogar wochenlang noch originalverpackt liegenblieb. Das hätte es früher NIENIENIE gegeben. So geschah es auch mit dieser ROCKY VOTOLATO Platte. Okay, zugegebenermaßen eine älteren Datums und ich kenne sie auch schon, habe sie vor Jahren auf dem MP3- Spieler hoch und runter gehört. Famoses Album. Eines seiner besten. Ich bekam die Platte vom Holzwurm zum Geburtstag geschenkt. Sie blieb stehen bis original gestern. Da befreite ich sie von der Plastikhülle und warf sie auf den Teller.
Kaum drehte sie sich, kamen Erinnerungen, Emotionen und Ideen hoch. Hach. So soll Musik sein. Damals war er irgendwie... naja... neu. Würde ich ihn heute zum ersten Mal hören, würde er mich vermutlich nicht mehr so vom Hocker reißen. Ich würde nur dran denken, dass das klingt wie KRISTOFFERÅSTRÖMTIGERLOUBOBDYLANIRONANDWINEDALASGREENSinger- /Songwriterkrams. Hmpf. Und so geht es mit so vieler Musik, die mir vor die Füße geworfen wird. Dank der Tatsache, dass ich für allschools.de in diversen Mailverteilern von Musikverlagen und PR-Agenturen hänge, wird sie mir wirklich vor die Füße geworfen. Und jedes Mal, wenn ich schon die Beschreibung in der Mail höre, überkommt mich das große Gähnen. Etwas wirklich neues, aufregendes war schon zu lange nicht mehr dabei. Mein letztes Review setzt auch schon eine dicke Staubschicht an.
Manchmal purzeln mir dann doch noch ein paar "neue" Perlen vor die Füße. Vor Kurzem erst SOOKEE. Ich habe den Eindruck, dass gerade diese ganzen antifaschistischen/feministischen Rappenden in mein Herz bounzen. DIE ANTILOPEN GANG, NEONSCHWARZ und eben SOOKEE als letzte Krönung. HipHop ist nicht ganz mein favorisiertes Genre, doch die Inhalte sprechen mich im Moment am meisten an. Ja, das haben auch schon zig drei- Akkorde- Schrammelbierpunkbands gemacht. Doch mit dieser richtigen alten Punkmusik konnte ich noch nie was anfangen. Da fehlte mir der musikalische Feinschliff. Das schaffen diese ganzen rappenden Menschen dann eben mit ihren Beats, die definitiv ausgefeilter sind. Ähnlich geht es mir mit Konzerten. Ich schlage mittlerweile meistens drei Kreuze, wenn ich ein Konzert sehen darf und das anschließend nicht in Worte fassen muss. Ich habe auch da das Gefühl, dass schon lange nichts wirklich mitreißendes da war. Teilweise sind Konzertfotografien das Aufregendste, was ich von so einem Abend mitnehme. Zu allem dargebotenen sind mir die Worte schon lange ausgegangen, es scheint sich auch hier alles zu wiederholen.
Mein Plattenschrank ist gut gefüllt. Diverse Genres und Inhalte. Hin und wieder ziehe ich mal eine alte Scheibe heraus, lege sie auf und denke: Ach, wie schön. Oder jemand erinnert mich an "alte" Musik, wie eben der Holzwurm mit seinem Geschenk. Ich höre noch Musik. Morgens auf dem Weg zur Arbeit mit dem Buch vor der Nase ist es aber immer eher so ein Ding nach dem Motto gewesen: "Es ist sechs Uhr morgens, ich habe Kopfhörer auf, sprich mich auf keinen Fall an." Meistens höre ich auch da alte Sachen. Gutes, bewährtes. Ansonsten weiß ich nicht so recht, ob neue Musik einfach nur auf Repeat gestellt hat, ob wirklich nichts neues mehr da ist, oder ob ich einfach zu viel gehört und gesehen habe. Mich stimmt das ein wenig traurig. Musik ist so ein feiner Lebensbegleiter. Mir fehlen neue Songs zu meinem Leben, der Soundtrack, die Klänge, der Rhythmus und die Poesie... Wo ist die neue, aufregende Musik? Wo ist die neue Musik, das mein Herz tanzen lässt und meine Seele streichelt? Wo sind die Songs, die mich leise mitsingend durch die Straßen ziehen lassen (ja, das passierte früher tatsächlich manchmal)? Mein Leben ist auf keinen Fall so dröge, dass Musik das auch nicht mehr richten kann. Es ist manchmal in meinen Ohren so, wie wenn ich jeden Tag Nudeln mit Tomatensoße essen würde: Nicht wirklich aufregend, aufweckend, belebend. Und wie machen das eigentlich Menschen, die im Musikjournalismus arbeiten? Ist euch nicht langweilig? Oder hat jemand einen guten Anspieltipp für mich? Ich will nicht musikmüde sein und ich will auch nicht immer das alte wieder und wieder hören, so gut es auch ist. Einfach mal wieder aufhorchen, bei den ersten Takten und wach werden. Das wäre schön und Musik nicht mehr als Staubfänger auf der Anlage liegen haben.
Hey Jule,
AntwortenLöschenbei jeder Liebe gibt es mal Durststrecken. So auch bei Liebe zur Musik, zur Fotografie, aber auch die Liebe zu bestimmten Menschen. Manchmal stört irgendwas oder irgendwas bekommt man nicht, was man aber erwartet. Aber grundsätzlich ist eine Sympathie einfach da und somit die Fähigkeit zur Hingabe.
Denk nicht viel drüber nach. Lass es vielleicht einfach so wie es ist und zwing Dich nicht irgendwas gut zu finden, weil Du das schon immer gut fandst. Das kommt schon wieder irgendwann.
Ich war nun auch 3 Monate nicht unterwegs. Kein Konzert und bis auf Fraktus auch nichts anderes gehört in der Zeit. Es reizte mich nix daran. Dann am Dienstag ergab es sich, dass ich zu Satanic Surfers und Pennywise zum Knipsen geladen war.
Heyhey, da war es wieder … diese Gänsehaut, das Lachen, die Begeisterung, die Füße im Gesicht und Leiber über/auf meinem Kopf von unsportlichen Gestalten die des Springens nicht mächtig sind, aber unbedingt einmal von der Bühne plumpsen müssen.
Und als der Saal am Ende dann die Bro Hymn anstimmte standen mir die Tränen in den Augen und die Liebe zur Musik und zur Fotografie war so groß wie nie zuvor.
Ich hab da für mich noch 2 Alben entdeckt die ich sehr, sehr mag:
Tindersticks - The Whaiting Room
Idan Raichel - At the Edge of the Beginning
Vielleicht gefällt Dir davon ja auch was.
Wir sehen uns! Bis bald.
M.