Donnerstag, 30. April 2015

Aprilliteratur


  Die Bahn ist morgens mein Lesesessel. So lese ich mich auf den Weg zur Arbeit und auch zurück. Darum am Ende des Monats (wenn ich es schaffe) eine kurze bibliothekarische Rückschau auf die Bücher in meinen Händen, vor meiner Nase, durch meine Augen, in meinen Kopf.


 Anstrengend fand ich diesen Roman. IAN McEWAN mag ich zwar sehr gerne, aber hier war es doch ein bisschen viel der Schilderungen. Ehepaar in den 50ern zu sein war sicherlich nicht leicht, vor allem nicht in der ersten gemeinsamen Nacht. Die Geschichte entfaltet sich nur zögerlich, dreht große Kreise um des Pudels Kern. Das Ende entschädigt da nur bedingt.


 Diese Biografie habe ich auf Frau Albertas diesmonatigen Nachspürenaufruf besorgt und begeistert gelesen. Spannend zu lesen. Eine sehr bewegende Geschichte hat diese Frau auch neben ihren ganzen wundervollen eigens geschriebenen Geschichten erlebt und durchlebt. Spannend fand ich zu erfahren, wer hinter ASTRIDS verschiedenen Kinderbuchcharakteren steckte, bzw. wer die Vorbilder waren. Eine bewundernswerte Frau, die keine Mühen gescheut hat, sich immer für die Kinder ins Zeug zu legen. Es war wirklich so viel Bullerbü in ihr drin, genau das war ihre Energiequelle. Ein klitzekleinesbisschen könnte man neidisch werden. Und es tut so gut, einfach mal ein bisschen in eine heile Welt abzutauchen in Zeiten wie diesen. Danke Frau Alberta für diesen Tipp.


 Nach der Biografie habe ich schnell dieses Buch aus meinem Schrank gezogen. Auszüge aus Romanen und einige von ASTRID LINDGRENS kurzen Geschichten. Ich habe nur die kurzen Geschichten gelesen, die Romane gebe ich mir lieber nochmal in Gänze. Ein bisschen reinfühlen in diese Büllerbüschwedenwelt, oder eher zurückfühlen, denn irgendwoher kenne ich die Geschichten alle schon.


 Ich musste auf die Lieferung des nächsten Buches warten. Da mir das meist zu lange dauert, habe ich diese Graphic Novel dazwischengeschoben. Ich liebe Roller Derby und hier gab es eine schöne, bunte Geschichte, wie ein Mädchen in ein solches Team kommt und wie es dafür kämpfen muss, sowohl im neuen Team als auch in alter Freundschaft dafür Anerkennung zu bekommen. Den leicht feministischen Touch kann man nicht ignorieren, das gilt aber wohl für diese Sportart ebenso. Ein sehr empfehlenswertes Buch für alle zweifelnden Teens. Und da finde ich es egal ob Junge oder Mädchen. Ich habe es allerdings auf Englisch gelesen, vielleicht gibt es das ja auch bald auf deutsch.


 Das Buch auf das ich gewartet hatte, war eben diese Ur- Pippi. In der Biografie hatte ich erfahren, dass diese Ur- Pippi noch viel anarchistischer sein sollte als die Version die eigentlich herausgebracht wurde. Die zuerst herausgebrachte Ausgabe von Pippi Langstrumpf wurde nämlich relativ stark geändert und entschärft, um auf dem Markt der damaligen Zeit bestehen zu können. Leider fehlte mir der direkte Vergleich, Anarchie habe ich allerdings gelesen. Ich war schwer begeistert. Demnächst dann nochmal die geschnittene Version.


 HAHAHAHAHA!!! So ungefähr auf jeder zweiten Seite. Stark, dieser Herr REGENER. Ich mag ihn. Und dieses Mal ein Buch jenseits aller Herr Lehmannromantik, darf ja auch mal sein. SVEN REGENER zeigt, wie man anständig bloggt. Von dem Mann kann man nochwas lernen. Hier handelt es sich nämlich um die Zusammentragung verschiedener Blogs, die der werte Herr in den letzten Jahren mal hier und mal da gefüllt hat. Klamauk mag ich ja, das beherrscht SVEN REGENER aus dem linken Ellenbogen und sein alter Ego Hamburg Heiner ist immer mit dabei. Wunderbar! Ich sitze ja gerne in der S-Bahn und giggel vor mich hin. Danke SVEN REGENER.


 Es ist ja April gewesen, also keine bessere Gelegenheit dieses Buch aus dem Schrank zu ziehen. Lange hatte ich mit MURAKAMI gehadert, bis der farblose Herr Tazaki meine Liebe zu ihm entfachte. Vielleicht brauchte es einfach ein paar Entwicklungsschritte mehr, bis mein Herz dafür bereit war. Und nun ein paar Kurzgeschichten, die alle so wunderbar tönen und Bilder in meinen Kopf malen und irgendwie auch die Gedanken anschubsen. Übrigens habe ich bei MURAKAMI immer irgendeine japanische (Fantasie)Welt im Kopf. Ich war noch nie in Japan, aber es würde mir niemals einfallen, seine Protagonisten in die mir bekanntere westliche Welt zu verfrachten. Ein sehr spannendes Phänomen.


 Und fast vergessen hätte ich dieses wunderbare Buch. Es fiel mir beim Bummeln in die Hand. Ich besitze nicht so viele Yogabücher, lediglich so ein Nachschlagewerk meines Ausbildungsvereins, in dem ziemlich trocken alle Asanas verzeichnet sind und irgend so einen Mängelexemplarratgeber, das ich mir mal zu Beginn meiner Yogapraxis besorgt hatte. Dieses Buch hier ist allerdings total gut. Zum Einen gibt es ziemlich gute Übungsreihen für alle Lebenslagen, die ich als sehr brauchbar betrachte, zudem werden diese Reihen so wunderbar illustriert, wie man es auf dem Cover schon sieht. Das befreit zumindest mich von diesem grauenvollen Vergleichszwang, der einen ja doch überkommt, wenn man fotografierte Übungsreihen mit so Modeltypen vor der Nase hat. Ich nutze dieses Buch, wenn mir beim Üben zuhause nichts neues einfallen möchte oder wenn ich Inspiration für meine eigenen Yogastunden suche. Im Moment koche ich Yogamäßig nämlich leider ziemlich im eigenen Saft. Ein bisschen vertraut sollte man mit den einzelnen Asanas bei der Anwendung dieses Buches allerdings sein. Sie werden nicht noch einmal detailiiert beschrieben, aber das kann eine erfahrene Yogini ja nicht schocken.

 Und was habt ihr so gelesen?

Montag, 27. April 2015

Der inklusive Montag: So wird das auch nix


 Der inklusive Montag findet hier alle zwei Wochen statt. Alle zwei Wochen gebe ich hier einen kleinen Einblick in die vielseitigen Chancen und Möglichkeiten, die die Inklusion mit sich bringt. Wer nochmal nachlesen möchte, was Inklusion überhaupt bedeutet, kann das hier nochmal tun. Grundsätzlich soll es um die guten Seiten gehen, um das was schon funktioniert und um das wo sich noch etwas ändern muss. Hier soll nicht gemeckert, sondern angepackt und sich gefreut werden. Anzumerken ist zum Schluss, dass ich "nur" eine Seite der Inklusion beleuchten kann, da ich "nur" Sonderpädagogin bin. Aber vielleicht finden sich ein paar Menschen, die gastbloggen möchten. In diesem Falle bitte gerne bei mir melden.

 Thema heute: So wird das auch nix

 Ausnahmsweise dieses Mal schon eine Woche später die nächste Ausgabe. Ich wollte mich ein bisschen aus dem schulischen Kontext winden. Die folgenden Bilder habe ich nämlich schon lange machen wollen, habe es aber nie geschafft, mal bei Tageslicht an dieser Stelle vorbeizukommen. Inklusion ist bekanntermaßen eine gesamtgesellschaftliche Geschichte. Erschreckend, dass man folgende Begebenheit an vielerlei Orten findet. Vorrangegangen war passenderweise ein Gespräch mit meiner Bankberaterin, bei welchem wir irgendwann auch über Barrierefreiheit sprachen und ich auf die nicht barrierefreie Innenarchitektur ihrer Filliale hinwies. "Man denkt da auch irgendwie gar nicht so dran. Ich habe da zum Beispiel gar keinen Blick für.", meinte sie mit bedauerndem Unterton zu mir.


 Hier zu sehen ist beispielhaft und abseits des Bankgesprächs der Aufzug hinunter zur U-Bahn am Hamburger Hauptbahnhof. Man beachte bei den Aushängen das Piktogramm mit dem berollstuhlten Menschen. Dieser Hinweis hängt in etwa auf meiner stehenden Augenhöhe und ich bin ein großer, zu Fuß gehender Mensch.


 Daneben hängt der Hinweis dazu, wie man am Hauptbahnhof barrierefrei Umsteigen kann. Auf MEINER Augenhöhe. Wie behindernd ist das denn bitte? Willkommen in einer "inklusiven" Gesellschaft. Mir geht sowas nahe und regt mich auf. Ich könnte mich jedes Mal vergessen. Ich hätte in solchen Momenten gerne so Aufkleber auf denen "behindernd" in irgendeiner Warnfarbe steht, die ich an genau solche Stellen bappen kann. Gibts sowas irgendwo? Es wird Zeit für ein bisschen zivilen Ungehorsam für Inklusion! Hier gäbe es Schablonen für Stencils, aber da muss ich ja auch gleich immer noch eine Sprühdose mit mir rumschleifen...
 Alttäglichkeiten, aber solche Dinge unterstreichen in meinen Augen immer die Tatsache, dass nicht der Mensch der Träger der Eigenschaft "behindert" ist, sondern die ihn umgebenden Gegenbeheiten behindernd im Hinblick auf gesellschaftliche Teilhabe und Mitgestaltung sind. Darf man bei all der Diskussion ja auch nicht vergessen. Augen auf bei der Umweltgestaltung!

Sonntag, 26. April 2015

7 Sachen # 17. 15

 Immer wieder Sonntags... 7 Bilder von Sachen, für die ich an diesem Tag meine Hände gebraucht habe. Ob für 5 Minuten oder 5 Stunden ist unwichtig. Nach einer Idee von Frau Liebe.


1. Gehängt: Den Lieblingsfriesennerz zum Abtropfen ins Bad. Der Trödelbesuch bekam einen kleinen Guss von oben. Also eigentlich einen ordentlichen Guss. Schade. Das war schon das zweite Mal in diesem Jahr, dass mein Lieblingströdel verregnet wurde.


2. Gepackt: Die kleine Beute aus und direkt in die Waschmaschine. Nasse Füße gab es gratis dazu. 


3. Geschlürft: Zum Warmwerden einen Zweitkaffee aus der Matchaschale. Schöne Dinge und so. Danach ging es ab in die Badewanne. Man muss die Feste feiern wie sie fallen.


4. Gedrückt: Auf den Auslöser. Ich hatte diese Assoziation schon vor ein paar Tagen: Weiß wie Kirschblüten, schwarz wie nasse Kirschbaumäste und rot wie Backstein. Liebste Nachbarschaft.


5. Gefuttert: Einen Rest Apfelstrudel von gestern. Gestern gab es ihn warm, gut durchgezogen heute. Nommnomm.


6. Geknöpft: Den frisch angenähten Knopf zu. Dauerupcyclingprojekt beendet. Uff. Da ich allerdings nach der Prämisse lebe "Beurteile kein Nähstück vor der ersten Wäsche", wird es bis zum Zeigen noch ein bisschen dauern.


7. Genäht: Stoffklappkarten. Als Dankeschön für ein paar freiwillige HelferInnen bei einem Projekt in der Schule.

 Vermutlich bleibt es in der kommenden Woche noch ein bisschen weiter ruhig. Die Woche wird zwar kurz, aber anstrengend und irgendwie hat mich die Frühjahrsmüdigkeit gerade voll im Griff. Nur nicht in Stress verfallen. Ich wünsche euch nur das Beste.
 Diese 7 Sachen wandern wie jeden Sonntag in ihren Linkpool.

Samstag, 25. April 2015

Apfelblüte und Kaffee


 Vergangene Woche liefen mir ein paar Apfelzweige mit Blütenansätzen über den Weg. Nun stehen sie im Weckglas auf dem Couchtisch und dürfen heute neben dem Samstagskaffee posieren. Mich veranlasste das Ganze dazu, mal zu schauen, was die Apfelblüte im alten Land so macht. Dauert noch ein paar Tage und dieses Wochenende scheint eh kein Fahrradausflugswetter zu werden. Vielleicht ja kommendes Wochenende.


 Im übrigen hat das "Auskotzen" vom Montag mir zwar geholfen, aber natürlich nichts an der Gesamtsituation geändert. Kurz nachdem ich meinen Eintrag veröffentlicht hatte, rief ich meine Berufsmails ab und darin fand sich eine Mail mit ungefähr folgendem Hinweis: "Ich habe für morgen einen Mathetest für die 7te geplant, ich gehe davon aus, dass du etwas für die Förderschüler parat hast." Nein, natürlich nicht, kann ich in dein Hirn schauen? Nein, aber von heute auf morgen einen Test konzipieren? Gerne, ich bin ja die Supersonderpädagogin und mein Tag hat darum mindestens 36 Stunden (bitte sarkastischen/ironischen Unterton zur Kenntnis nehmen). Als hätte ich es heraufbeschworen. So ging die Woche ungefähr weiter. Der Hit war der Einbruch inkl. Diebstahl in die Sporthalle während der von mir gegebenen Yogastunde...


 Da erfreue ich mich an diesem wettergrauen Wochenende doch lieber an den schönen Dingen. Z.B. an meinen Matchautensilien. Trendhure Frau Jule. Ich bekam alles geschenkt und mag das Zeug noch nichtmal sonderlich gerne, aber es sieht so hübsch aus. Dieser filigrane Besen, die grob gedrehte Schale, das grün des Teepulvers... Hach!


 Heute kam das ganz experimentierfreudig in den Haferbrei. So geht es ja auch, sah allerdings etwas gewöhnungsbedürftig aus, machte aber wohl wach. In diesem Sinne: Erfreut euch an den schönen Dingen im Leben! An Obstblüten und Küchenutensilien zum Beispiel.
 Diese Getränke schicke ich mal rüber zu Ninjas Wachmacherrunde.

Dienstag, 21. April 2015

Verschenkt


 Nein, Kaufgeschenke gibt es von mir keine mehr, es sei denn es ist ein Sammelgeschenk für KollegInnen. Jedenfalls gab es einen Geburtstag und das Geburtstagskind sollte ein Geschenk haben. Also ran da.


 Als Bewertung zu diesem Kunstwerk könnte "Sie war redlich bemüht" stehen. Vielleicht erkennt jemand die gute Antje. Die hatte nämlich Wiegenfest und sollte dieses "Portrait" bekommen. Sicherheitshalber vermerkte ich auf der beigelegten Karte doch den Hinweis, sie solle sich nicht karikiert fühlen. Aber los musste es doch.


 Dazu gab es ein neues Kramtäschchen. Sie hatte schonmal eines von mir bekommen, erwähnte aber, dass sie dieses leider irgendwo vergraben hätte. Also habe ich ein neues genäht, aus einem letzten Rest des selben Ankerstoffes, aus dem auch das erste war. Ergänzt mit einem Stückchen Kothenstoff. Außen harter Canvas und Schwarzzeltstoff, innen zarter Blümchenstoff vom Trödel- außen hart, innen zart eben.


 Und so ging die Post ab, denn leider haben wir es an diesem Festtag nicht in echt gesehen. Und ich freue mich so sehr, sie in meinem Leben zu wissen und bin gespannt, was wir noch für gemeinsame Abenteuer erleben werden. Es ist gut dich zu kennen, liebe Antje!
 Und zum Creadienstag darf dieses Geschenk auch noch.

Montag, 20. April 2015

Der inklusive Montag: Die dunkle Seite der inklusiven Schulrealität


 Der inklusive Montag findet hier alle zwei Wochen statt. Alle zwei Wochen gebe ich hier einen kleinen Einblick in die vielseitigen Chancen und Möglichkeiten, die die Inklusion mit sich bringt. Wer nochmal nachlesen möchte, was Inklusion überhaupt bedeutet, kann das hier nochmal tun. Grundsätzlich soll es um die guten Seiten gehen, um das was schon funktioniert und um das wo sich noch etwas ändern muss. Hier soll nicht gemeckert, sondern angepackt und sich gefreut werden. Anzumerken ist zum Schluss, dass ich "nur" eine Seite der Inklusion beleuchten kann, da ich "nur" Sonderpädagogin bin. Aber vielleicht finden sich ein paar Menschen, die gastbloggen möchten. In diesem Falle bitte gerne bei mir melden.
  
Thema heute: Die dunkle Seite der inklusiven Schulrealität

 Ja, ich wollte hier gerne über die schönen Seiten der Inklusion schreiben. Die netten, schönen, einfachen Dinge. Doch in den letzten Wochen ging es mir wie so vielen Betroffenen: Er laugt mich aus, der Kampf um Gleichberechtigung. In der Schule in der ich seit fast fünf Jahren arbeite, sind wir noch weit von einer gelungenen Inklusion, ja sogar einer inklusiven Haltung entfernt. Was das Problem ist? Ich muss es heute mal rauslassen und habe mir dazu überlegt, das in Form eines Arbeitstages von mir zu tun. Also los:

1./ 2. Stunde Deutschvertretung: Eigentlich hatte ich dem Vertretungslehrer gesagt, er müsse nicht kommen, ich weiß, was drankommt, kenne die Klasse, bin dort als Sonderpädagogin in diesen Stunden eh eingesetzt. Der Vertretungslehrer kommt natürlich trotzdem, mit der Begründung, er sei schließlich Deutschlehrer und das sei ja gar nicht mein Fach. Er hat einen Haufen Arbeitsblätter dabei und sagt, ich könne gehen, er würde das schon machen. Grml. Ich gehe nicht. Während der Stunde, verzweifelt Franka (Förderbedarf Lernen) schon beim Lesen des Arbeitsauftrags, Daniel (Förderbedarf emotionale und soziale Entwicklung) malt erst auf dem Zettel, zerreißt ihn anschließend, wirft in quer durch die Klasse und läuft rum. Die üblichen verdächtigen Mitlernenden stacheln ihn an, die fleißigen versuchen verbissen etwas zu schaffen. Vertretungslehrer schreit rum, setzt einzelne Lernende vor die Tür, blickt mich zwischenzeitlich verzweifelt an, ich laufe zwischen den Lernenden rum, versuche zu beruhigen, erklären, zum Arbeiten anzuhalten. Kurz vor der Pause bin ich schweißgebadet, Daniel darf malen, da ich die Situation sonst wohl nicht in den Griff bekommen hätte, wie ein Stuhl fliegt, weiß ich schon. Der Vertretungslehrer entlässt die Klasse in die Pause, die Klasse sieht aus wie ein Schlachtfeld. Während er seine Sachen packt, lässt er sich über diese verrohten Lernenden aus, die nichts könnten und diese "Inklusionskinder" würden das ja alles noch viel schlimmer machen. Ich frage mich, wer diese "Inklusionskinder" sein mögen. Ich weiß, dass dieser Begriff gerne fälschlicherweise für alle Lernenden mit sonderpädagogischem Förderbedarf missbraucht wird. Dass im Grunde genommen alle Lerndenen dieser Schule Inklusionskinder sind ist auch nach 5 Jahren noch nicht angekommen.

 Pause: Ein Kollege kommt auf mich zu. Er hätte eine Frage an mich als Sonderpädagogin.
 "Ich war gestern mit meiner Frau im Theater und in unserer Reihe saß so ein gaz komischer Mann. Der hat immer so gezuckt und Stoßlaute von sich gegeben." Ich denke, es könne sich um einen Menschen mit Spastik handeln, sage aber nichts, warte erst mal ab. Kollege führt weiter aus: "Das ging jedenfalls die ganze Vorführung so. Ich meine ich weiß, dass wir in Zeiten von Inklusion leben, aber muss man so etwas ertragen?"
 Ich überlege, ob er mich das als Sonderpädagogin oder als Menschen fragte. Ich sage ihm, dass er es wohl nicht verstanden hätte und weiß nicht, ob es jetzt Zeit wäre laut schreiend weg zu rennen oder mich auf den Boden zu werfen und zu weinen.

 3./4. Stunde: Deutsch 8te Klasse. Lektüre. Ich komme mit meinen Kopien für Lea, Oskar und Ramin (alle Förderbedarf Lernen). Die Deutschlehrerin verteilt fröhlich ihre Kopien, auch an die Förderschüler. Sie sollen alle Kapitel zwei in der Lektüre lesen und dazu das Arbeitsmaterial bearbeiten. Ich packe meine Kopien und trage sie zu den Förderschülern. Ich habe bereits die ersten fünf Kapitel in einfacher Sprache zusammengeschrieben, ohne den Romancharakter zu sehr zu verändern. Die Deutschlehrerin kommt vorbei, linst auf die Zettel. "Neinnein, das brauchen wir nicht, lass die mal das Buch lesen, die lernen ja sonst nichts." Ich halte nicht soviel von fachlichen Diskussionen vor Lernenden. Ich lasse auch die Förderlernenden lesen. Am Ende der Stunde haben sie die ersten drei Seiten des Kapitels mit Ach und Krach gelesen, die Arbeitszettel sind unangetastet... Ich versuche mit der Deutschlehrerin zu reden. Meine Argumente prallen ab. Sie faselt was, von wegen, auch die Förderlernenden müssten das mal schaffen, wir seien ja hier nicht an der Förderschule. Meine Zusammenschrift schmeiße ich in die Tonne. Müde.

 Pause: Die Pausenaufsicht kommt auf mich zugestürmt. "Deine Schüler haben sich geprügelt, Daniel und Ramin. Kümmer dich drum". Ich antworte: "Das sind nicht meine Schüler, Ramin ist in deiner Klasse, Daniel bei Frau Müller, wenn dann sind das unsere Schüler." "Aber das sind doch die Förderschüler, das sind doch deine, ich bin für die nicht zuständig."...

 5. Stunde: Mathe in der 7ten. Ich beginne die Stunde, indem ich mich doch um den Konflikt zwischen Ramin und Daniel kümmere. Schließlich bin ich ja "nur" die Zweitbesetzung. Ich schaffe es, sie zu beruhigen. Da ich Daniel schonmal in einem anderen als dem Klassenraum habe, gebe ich ihm gleich das Mathematerial, das ich für ihn vorbereitet habe und lasse ihn daran arbeiten. Er ist gut drauf, Mathe mag er, es läuft. Ich flitze in den Klassenraum, um nach Franka zu schauen, bei der Mathe nicht so gut läuft. Ich bin erstaunt, dass sie vor dem gleichen Arbeitsmaterial wie alle anderen sitzt... und verzweifelt. Ich frage sie, wo ihr Material sei. Sie hat es nicht bekommen. Es liegt noch auf dem Pult. Ich gebe es ihr und frage den Mathelehrer leise, warum er ihr das Material nicht gegeben hätte. Er antwortet knapp: "Na, wenn du nicht da bist, kann sie das doch nicht machen. Da könnte ich ihr nicht helfen, darum muss sie dann eben das mit allen anderen machen. Ich bin ja kein Sonderpädagoge."

 6. Stunde: Englisch 8te. Ich lasse meine siebener mit ihrem Material in der zweiten Mathestunde alleine, das müssen sie jetzt schaffen. Der Englischlehrer steht vor der Klasse. Halligalli. Er sieht mich verzweifelt an. Schnell sitze ich neben unserem Rädelsführer Adam (Förderbedarf emotionale und soziale Entwicklung). Ich schaffe es ihn ans Arbeiten zu bekommen. Auf unserem offen sichtbaren Schiebesystem zur Rückmeldung von Unterrichtsverhalten stehen viele Lernende auf Minus, die Spalte für fleißige Lernende ist leer. Von links flüstert mit Antonia zu, dass sie schon die ganze Zeit arbeite, aber immer noch nicht auf Plus stünde, sie hätte es dem Englischlehrer auch schon gesagt. Während ich mich mit ihr unterhalte, schweift Adam ab, schmeißt einen Stift, die Keile geht wieder los. Der Englischlehrer schiebt die halbe Klasse auf Minus und droht mit Verweisen, die Fleißigen werden auch laut und fordern ihre Plussbewertung ein. Als es klingelt ist der Englischlehrer als erster draußen, ich versuche die Wogen zu glätten.

 14 Uhr Konferenz: Es fallen Aussagen wie "Die Förderschüler/Inklusionskinder machen Unterricht nicht möglich." "Ich bin dafür nicht ausgebildet/zuständig." "Die sind dumm und können gar nichts." "Habt ihr mal mit deren Eltern geredet? Ich sag nur: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm." "Ich werde nicht auf zwei Niveaus in meinem Unterricht arbeiten." "Die Sonderpädagogen tun gar nichts."


 Dass es auch gute Momente in der "inklusiven" Schule gibt, erzähle ich dann beim nächsten inklusiven Montag. Und natürlich gibt es auch Regelschullehrende, die einfach so und ganz selbstverständlich fantastischen inklusiven Unterricht für alle Lernenden machen, die sind leider eher die Ausnahme. Und oftmals fällt es mir bei diesem ganzen Scheiß wirklich schwer, gute Laune zu behalten. Wir haben bei uns an der Schule haupsächlich mit Lernenden mit den Förderbedarfen Lernen oder emotionale und soziale Entwicklung zu tun. nicht daran zu denken, wenn wirklich mal Lernende mit geistiger Behinderung, Hör- oder Sehbehinderte über unsere Türschwelle treten.
 All diese Sachen passieren selten alle an einem Schultag, aber mit Sicherheit beispielhaft innerhalb einer Woche. Mareice nennt sowas "Behinderte Momente". Seit fünf Jahren wird in Hamburg inklusiv beschult, es gibt zahlreiche Fortbildungsangebote... Der aktuelle Bericht des UN- Ausschusses über die Lage der Inklusion in Deutschland spricht eine ähnliche Sprache wie meine Erlebnisse (Eine Zusammenfassung gibt es hier). Mehr bleibt mir dazu nicht zu sagen.

Sonntag, 19. April 2015

7 Sachen # 16. 15

 Immer wieder Sonntags... 7 Bilder von Sachen, für die ich an diesem Tag meine Hände gebraucht habe. Ob für 5 Minuten oder 5 Stunden ist unwichtig. Nach einer Idee von Frau Liebe.


1. Geblättert: Die Buchseiten um. Nach meiner gestrigen geszielten (Rücken-)Yogarunde haben sich die Rückenschmerzen in einen wunderbar entspannten Muskelkater umgewandelt, darum startete der Tag heute leicht und locker. Es ist so gut zu wissen, wo die eigenen Schwachstellen liegen.


2. Getupft: SeMPf auf Bratlinge. Herr Fussel brät gerne, heute sogar schon zum Frühstück.


3. Gezogen: Meine neue (Fan)Mütze für den Weg nach Hause auf. Man muss ja nicht immer Shirts kaufen. Für Unwissende: St. Pauli Roller Derby. Herr Fussel und ich waren nämlich gestern beim Roller Derby und haben die Hamburg Harbor Girls angefeuert. Was Roller Derby ist, habe ich schonmal erklärt. Gestern war es sehr spannend. Erstes Bout an die Gegnerinnen, zweites für die Harbor Girls und als Herr Fussel die Regeln verstanden hatte, hatte er auch richtig Spaß. Ist ja auch nicht so ganz einfach. Ich hatte sowiso die helle Freude: Wettkampf, Bier, Gröhlen, gute Musik und Gewalt, kann man einen Samstagnachmittag besser verbringen? Ich denke nicht.


4. Gekrümelt: Zuhause alte Erde aus den Wurzelballen meines alten Drachenbaums. Der ließ nämlich so sehr die Bläter hängen, dass ich dachte, es sei mal Zeit für ein bisschen frische Erde mit neuen Nährstoffen. Man kann ja nicht immer nur düngen.


5. Genäht: Bzw. in diesem Falle nähen lassen. Ein Knopfloch an das sich ziehende Upcyclingprojekt. Ich habe einfach keine Zeit, um mich mal ein paar Stunden an die Maschine zu setzen und ein Projekt komplett fertigzunähen. Bei mir geschieht das im Moment immer häppchenweise. So habe ich auf der anderen Seite aber auch immer die Möglichkeit mich mal ein paar Minuten dem Alltag zu entziehen. Jeden Tag ein bisschen, kleinschrittig.


6. Geschlürft: Einen zweiten Kaffee in der Sonne auf dem Balkon bei den explodierenden Balkongewächsen. Hier: Goldfelberich. Und jedes Mal frage ich mich, warum ich keine Balkonmöbel habe... Sollte ich evtl. langsam mal organisieren, dann muss man nicht immer auf der Fensterbank sitzen.


7. Gestellt: Abendbrotzutaten parat. Gleich gibt es Salat. Jammi!

 Die 7 Sachen schicke ich einmal hier hinüber. Habt eine gute Woche.

Samstag, 18. April 2015

Schatten, Licht, Kaffee und ein bisschen Farbe


Ouh man, was für eine Woche. Ich bin echt ein bisschen angeknuspert. Nein, eigentlich brodelt in mir der Frust. Eine dunkle Wolke in meiner Brust. Zum Glück ist Wochenende und es sind ein paar schöne Dinge geplant. Leider muss ich vermutlich mein Vorhaben, diesen Blog nur für die schönen Dinge zu nutzen, demnächst mal über den Haufen werfen und zwar genau für den nächsten inklusiven Montag. Da muss was raus, sonst vergiftet es mich. So sieht es nämlich aus. Meine alte Kriegsverletzung meldet sich auch schon wieder. Rücken. Eine Yogalehrerin, die Rücken hat. Klingt total bescheuert, ist aber so.


 Auf dem Wohnzimmertisch liegt noch die Farbe. Das war ein kleiner Lichtblick diese Woche und wid auch demnächst gezeigt. Dazu gestern Nachmittag ein paar wunderbare Stunden mit der Nebentätigkeit verbracht. Irgendwann muss man seine Gedanken einfach mal umlenken und wenigstens für ein paar Stunden verdrängen, was frisst. Aus diesem Grund werde ich mich gleich auch noch auf die Yogamatte schmeißen. Gegen die Kriegsverletzungen, die alten und die drohenden neuen. Und danach geht es zum Roller Derby, falls wir noch Karten bekommen. Genau das, was ich heute noch brauche.
 Den Kaffee schicke ich zu Ninja und die dunkle Wolke in meiner Brust zum Donnerdrummel. Bis Montag.

Donnerstag, 16. April 2015

An den Landungsbrücken raus

 ...ist einer meiner liebsten Songs von KETTCAR und einer meiner liebsten Hamburgausblicke.Es wird öfter gesagt, dass sich die Hamburger Bevölkerung in Alster- oder in ElbliebhaberInnen teilt. Ich bin definitiv eine Elbliebhaberin.


 Man kann sich dem ganzen wundervollen Ausblick auch mal von Hinten nähern.


 Da bekommt man auch nochmal dieses etwas im Abseits stehende Bismarckdenkmal zu sehen.


  Weiter hinten kann man auch noch die tanzenden Türme und das Riesenrad vom Dom erkennen. Alles St. Pauli.


 Ganz vorsichtig kann man sich dem Ziel weiter nähern.


 Nach ein paar Wendungen steht man am Stintfang und kann Deutschlands nördlichsten Weinberg begutachten. Über wilden Tags wird hier wirklich Wein angebaut, der auch später gekeltert und an den hohen Besuch der Stadt verschenkt wird. Hier mal kurz nicht an die Feinstaubbelastung durch den Hafen nachdenken und sich nicht Fragen, ob ein solches Geschenk denn nun Ehre oder Last ist.


 Bei meinem letzten Besuch hat es mir diese Kolibri ein bisschen angetan. Von wem auch immer der ist, ich finde ihn sehr schön. Leuchtet bestimmt toll im Dunkeln.


 Und dann kann man auch ein bisschen die Aussicht genießen. Von Hamburg in die Welt oder so.


 Oder wie KETTCAR so schön singen: An den Landungsbrücke raus, dieses Bild verdient Applaus!

Mittwoch, 15. April 2015

Waldtauglicher Zipfelkapuzenzipper


 Nein, nicht diese Jacke habe ich genäht. Die war lediglich bereits vor 1,5 Jahren die Inspiration zu dem was jetzt gleich kommt. Die gehörte meinem Neffen, kam von irgendeinem Kinderflohmarkt und nicht von mir. Mittlerweile ist er da raus gewachsen. Aber ich fand die Stoffkombination so super, dass ich dachte: Gibts das auch für große Kinder? Diesen Gedanken habe ich bei Kinderkleidung übrigens nur ganz selten *hust*. Aber wie gut, dass ich nähen kann.


 Rausgekommen ist dieses feine Stück. 


Der Schnitt ist ein Kanga, die Kapuze habe ich minimal geändert. Waldwesen.


 Außen blauer Nicki, innen rot weiß gestreift.


 Und zwar komplett gefüttert. So geht sie sogar fast als eigenständige Übergangsjacke durch. Mit Innentasche.


 Kurz mal Buschwindröschen eingeblendet. Die standen da nämlich so im Wald rum als Antje mich ablichtet (Danke dafür) und mussten als kleines Utensil herhalten. Ich muss bei diesem Blumen immer an die Rumpelwichte und Ronja Räubertochter denken. Für einen Frühlingsschrei war es dann an dem Tag leider nicht sonnig genug. So sind wir nur leise durch den Wald geschlichen.


 Den Ärmelabschluss bilden normale Bündchen, die Tasche ist klassisch, aber auch gefüttert.


 Leider hat die Kapuze den Nachteil, dass der Zipfel etwas schwer ist und die Kapuze so vom Kopf zieht, es sei denn man zieht sie wirklich waldschrätinnenmäßg tief ins Gesicht.


 Und nächstes Mal kann ich den ganzen Spaß mal eine Nummer kleiner nähen glaube ich. Ich fürchte ich bin geschrumpft, seit ich den Kangaschnitt das erste Mal genäht habe. Die Stoffe stammen übrigens allesamt vom Stoffmarkt.
 Und damit geht das gute Stück heute einmal mehr zum MeMadeMittwoch.