Montag, 15. August 2016

Der inklusive Montag: SCHMUTZKI und Sprache


 Der inklusive Montag findet hier mehr oder weniger regelmäßig statt. Hier gebe ich einen kleinen Einblick in die vielseitigen Chancen und Möglichkeiten, die die Inklusion mit sich bringt. Wer nochmal nachlesen möchte, was Inklusion überhaupt bedeutet, kann das hier nochmal tun. Grundsätzlich soll es um die guten Seiten gehen, um das was schon funktioniert und um das wo sich noch etwas ändern muss. Hier soll nicht gemeckert, sondern angepackt und sich gefreut werden. Anzumerken ist zum Schluss, dass ich "nur" eine Seite der Inklusion beleuchten kann, da ich "nur" Sonderpädagogin bin. Aber vielleicht finden sich ein paar Menschen, die gastbloggen möchten. In diesem Falle bitte gerne bei mir melden.

 Thema heute: vs. Musikdonnerstag mit SCHMUTZKI und Sprache


 Heute geht es mal wieder um Musik und zwar um den derbsten Tiefschlag, den mir in den letzten Jahren untergekommen ist. Die Band SCHMUTZKI hat vor kurzem ein neues Album veröffentlicht. Zunächst mal ist das nichts ungewöhnliches. Immerhin ihr zweites Album. Ich habe sie mehrfach live gesehen, erschreckenderweise zwei Platten von ihnen und ein Shirt. Mit der Presseankündigung des aktuellen Albums zog es mir allerdings die Schuhe aus. Es trägt den Namen "Spackos forever".... Ohne Worte. SCHMUTZKI galten als jeher als Spaßpunkband auf Grundschulniveau. Bereits auf ihrem letzten Album hatten sie große Freude an der Verwendung des Begriffes "Spacko". Mir ist durchaus bewusst, das dies in den 80´er und 90´er Jahren ein gerne verwendeter Begriff in der alternativen Szene war, um sich selbst als mehr oder weniger abseits der Norm zu bezeichnen. Ich kannte es noch aus Schultagen. In den letzten Jahren ist dieses Wort in der Verwendung allerdings weitestgehend verschwunden. Zum Glück. Sich selbst als "Spacko" zu bezeichnen war im Jugendjargon nicht mehr en vogue. Gut so. Über andere Schulhofschimpfwörter dieser Kategorie muss ich wohl nichts mehr sagen. Ich verweise an dieser Stelle einnfach nochmal auf Ninia la Grandes großartiges Video zum Thema.


 Dass SCHMUTZKI diesem Begriff, der wirklich von Spastik herrührt, zu neuem Leben verhelfen, finde ich mehr als erschreckend. Keiner der Bandmitglieder hat eine Spastik. Ich konnte mich dessen mehrfach versichern. Stattdessen feiern sie es ab, vermeintlich Spackos zu sein. Ich mag gar nicht daran denken, wie es Menschen geht, die eine Spastik haben und darum vermutlich mehr als einmal Opfer von Diskiminierung, Ausgrenzung und Schlimmerem mehr werden. Erschwerend kommt hinzu, dass dieses Album von SCHMUTZKI bei Four Music/ Sony erschienen ist. Zwei recht große Label und vermutlich haben viele Menschen an der Entstehung ihre Finger im Spiel gehabt. Keinem scheint dieser Titel sauer aufgestoßen zu sein. Hören muss ich dieses Album übrigens nicht, um es scheiße zu finden. Das blieb mir erspart. Ein anderer Kollege von allschools.de nahm sich dieses Jobs an. Die meisten Kritiken, die ich gelesen habe, waren vernichtend und mit Ausnahme meines Kollegens hat sich trotzdem kein Rezensierender an dem Begriff "Spacko" gestoßen. Spaßpunk hin oder her: Hätten sie sich als beliebige andere diskriminierende Minderheit bezeichnet, wäre der Aufschrei vermutlich lauter gewesen. Auch andere Punkbands machen Spaßpunk: DIE TOTEN HOSEN, DIE ÄRZTE seien hier mal als größerer Vertreter diese Genres genannt. Dabei blieben sie aber im Gegensatz zu SCHMUTZKI immer korrekt. Bei SCHMUTZKI irritiert mich zudem, dass sie öfter mit großen Bands der Szene auf Tour sind. Zuletzt hatte ich sie mit den großartigen ZSK in Hamburg gesehen, d.h. sie erreichen mit diesem Jargon ein relativ großes Publikum. Sie spielen schon lange nicht mehr in kleinen, versifften autonomen Zentren, sondern vor hunderten von Leuten. Eine weitere spannende Anekdote zum Thema SCHMUTZKI und unkorrekte Sprachwahl ist übrigens auch der Fakt, dass ich sie bereits vor Monaten im Rahmen dieses Beitrags angeschrieben und um eine Stellungnahme, bzw. ein Interview gebeten hatte. Ich habe bis heute keine Reaktion darauf bekommen. Eine andere namhafte Band dieses Genres hatte ich aus eben diesem Grund auch angeschrieben und sie hatten sich zu einem Interview bereit erklärt. Dieses wollten wir aber aus Respekt vor dem Thema nicht per Mail führen. Beim nächsten Tourstop in meiner Nähe wurde mir aber ein Termin zugesichert. Das fand ich doch schonmal einen feinen Schachzug. Das Interview wird allerdings noch etwas auf sich warten lassen. Im Falle von SCHMUTZKI ist es aber somit Zeit, sie aus der Schublade "Spaßpunk" in die Schublade "Arschlochpunk" zu verschieben. Was ich mit meinem Equipment der Band mache, weiß ich noch nicht. SCHMUTZKI sind somit auch ein weiteres trauriges Beispiel dafür, wie weit es mit der Inklusion hin ist. Nicht besonders weit....

6 Kommentare:

  1. Ciao bella,
    Da hast du allerdings recht. Das ist eine riesige Schweinerei!
    Ich hab dieses Wort seit meiner Schulzeit nicht mehr gehört.
    Allerdings erlebe ich es ab und zu, dass das Wort behindert als Schimpfwort benutzt wird. Da kann ich mich dann absolut nicht mehr zurück halten. Es gibt mittlerweile Leute, die sich zweimal überlegen, was sie in meiner Gegenwart sagen.
    Kann nur hoffen, dass sie soweit denken können und diesen Blödsinn ganz sein lassen.
    Es grüßt dich
    Angela
    PS. Deine Grüße haben mich außerordentlich gefreut.
    Ich genieße weiterhin...

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    1. oh, über schulhofschimpfwörter, meinen umgang damit und andere anekdoten dazu, könnte ich ganze bücher schreiben. ich setze das mal auf die liste ;)
      liebst,
      jule*

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  2. Du hast einen echt tollen Blog !

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  3. Aaaah, du hast wirklich dein Hirn ausgewrungen! Wie schön.
    Als ich stutzte, habe ich gerade mal Wikipedia befragt, wo die Band denn herkommt, da manchmal Wortverwendungen ja auch regional unterschiedlich häufig sind. Wikipedia sagt, das sind Stuttgarter, wie ich auch. Keine Ahnung, ob das tatsächlich korreliert, aber: hier wird "Spacko"/"Spacken" (leider) recht häufig verwendet. Spasti" übrigens auch.
    Aus meiner sprachlichen Umgebung sieht es daher nicht unbedingt so aus, als hätten sie ein quasi untotes Wort wiederbelebt, sondern eher eines weiterbenutzt, das (zumindest hier) eh quicklebendig durch die Gegend läuft.
    Das allerdings nur am Rande, denn es ändert so oder so nichts daran, dass es mies ist. Vor allem, wenn andere Teile des Landes es mittlerweile begraben haben.
    Und dass es mich ganz allgemein ankotzt, wenn Nicht-Normgetreuheit als Schimpfwort genutzt wird. "Behindert" höre ich nämlich wie die Farbenformerin auch viel zu oft. Und "schwul" sowieso...

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    1. hm... das mit den regionalen unterschieden hört sich nach deiner schilderung ja glatt noch schlimmer an, als das was ich erzählt habe.... brrrrrrrr. und mit dem anderen gebe ich dir natürlich auch recht. ist die selbe kiste... traurig.
      liebe grüße,
      jule*

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