Montag, 28. November 2016

Der inklusive Montag: Alles auf Anfang


 Der inklusive Montag findet hier seit knapp zwei Jahren in sehr unregelmäßigen Abständen statt. So, wie ich ihn mir am Anfang gewünscht hatte, hat das leider nicht funktioniert. Ich wollte nicht viel meckern, sondern zeigen, wo Inklusion schon funktioniert. Vor über sechs Jahren trat Inklusion aktiv in mein Leben, als ich in Hamburg meinen ersten Job nach dem Referendariat antrat. Seit dem ist ein bisschen was, aber bei weitem nicht besonders viel im Hinblick auf Inklusion passiert. Zumindest finde ich, dass diese Sache viel zu langsam vorranschreitet, viele Menschen immer noch nicht wissen, worum es bei Inklusion überhaupt geht und dass das überhaupt funktionieren kann.

 
 Es gibt einen Haufen Menschen, die sich sehr aktiv für Inklusion einsetzen und nicht müde werden zu kämpfen. Die in der Öffentlichkeit laut sind, die durch das Land reisen und davon berichten. Meistens sind das Eltern behinderter Kinder, behinderte Menschen selbst und dann ist meistens auch schon Feierabend. Ich bin bekanntermaßen Sonderschullehrerin. Irgendwie kommt mir diese Berufsbezeichnung in dem Zusammenhang sehr antiquiert vor. Ist er ja auch. Ich arbeite ja gar nicht an einer Sonderschule. Möchte ich auch gar nicht. Ich liebe es, inklusiv zu unterrichten. Heterogene Lerngruppen finde ich fantastisch. Erschreckenderweise stehe ich damit (gefühlt) relativ alleine im Wald. Ich habe vor kurzem mal spaßeshalber in die Suchmaschine "Lehrer für Inklusion" eingegeben. Dabei habe ich einen Haufen Seiten zu Aufgaben, Herausforderung, Belastung und Co. für Lehrende in der Inklusion gefunden. Aber mal etwas Nettes? Lehrende die freudig über Inklusion berichteten? Fehlanzeige. Auf einigen Lehrendenblogs wird diese Inklusion auch mehr verteufelt. Und dann lese ich auch noch auf Lehrendenblogs diesen Begriff der "Inklusionsschüler". WTF!?! Ich kenne diesen Begriff. Er fällt oft in Lehrendenkreisen. "Inklusionsschüler" bringen zusätzliche Belastung für den Lehrendenberuf. Belastung "Inklusionsschüler"... Der Begriff taucht sogar in Artikeln und offiziellen Behördenschreiben zum Thema Inklusion an Schulen auf. Meinem Verständnis von inklusiven Unterricht nach, gibt es DIE "Inklusionsschüler", die inkludiert werden müssen aber gar nicht. Das mag mit "Integrationslernenden", die "integriert" werden sollen, noch gestimmt haben, aber in der Inklusion soll es ja am Ende keine "die" und "die" und "wir" geben. Demenstprechend wären also ALLE Lerndenen einer inklusiven Schule "Inklusionsschüler". Mittlerweile hat sich in meinem Kopf dazu dieses Bild einer Lehrendenkonferenz manifestiert, in der eine Person verkündet, man müsse demnächst Inklusionsschüler unterrichten. Das gesamte Kollegium greift sich daraufhin theatralisch mit dem Handrücken an die Stirn, ruft aus "Ich bin Lehrer, was soll ich mit Schülern?!?!" und sinkt "Inklusionsschüler" seufzend zusammen. Das hilft manchmal, mir ein bitteres Lachen aus der Kehle zu ziehen.


 Nein, ich bin nicht verbittert. Ich bin immer noch hochmotiviert alles dafür zu tun, dass es kein "die" und kein "wir" mehr gibt. Für Begegnungen, schöne Erlebnisse. Ich werde auch weiter die Hürden benennen. Der inklusive Montag bleibt bestehen, aber er wird persönlicher. Ich werde schreiben, was ich im Zusammenhang mit Inklusion und im Zusammenleben mit behinderten Menschen erlebe. Beruflich und privat. Kleine und große, böse und gute Erlebnisse. Gedanken, Anekdoten. Vielleicht auch noch mal das ein oder andere externe, vielleicht auch der ein oder andere Tipp für Lehrende, wie inklusiver Unterricht bei mir funktioniert hat. Und vor allem würde ich gerne mal diese Lücke schließen, die zwischen Eltern und Betroffenen und den "Fachkräften" der Pädagogik und Behindertenhilfe klafft. Das hier wird kein Inklusionsblog. Das hier bleibt mein kleiner Chaosblog. Und wenn hier jemand herkommt, weil das Thema Selbermachen interessiert und dann bei Inklusion kleben bleibt, finde ich das einen sehr netten Nebeneffekt. So. Und das wars für heute. Nur, damit sich niemand wundert, warum der inklusive Montag damnächst anders ist. Und weil ich mich schon ein bisschen auf die Geschichten und eh immer über gelungene Inklusion freue, geht das heute auch noch rüber in die Montagsfreuden.

6 Kommentare:

  1. Ich bin ja in erster Linie wegen des Selbermachens hergekommen und wegen der kritischen Gedanken darum herum geblieben.
    Kürzlich habe ich mich dabei ertappt, mich in meinem Alltag umzugucken und festzustellen, dass Menschen mit Behinderung hier nahezu nicht stattfinden. Umso spannender finde ich es, durch dich da einen Einblick zu bekommen - und wenn der nun noch persönlicher wird, ist das gerade für Leute wie mich, die eben keine eigenen persönlichen Kontakte haben, sicher ziemlich gut.

    Liebe Grüße,
    Sabrina

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  2. Ich find die Idee grundsätzlich sehr gut - ich arbeite im Kindergarten, bei uns heißt Inklusion leider nur, dass ab dem Moment, wo Inklusion gelebt werden sollte, alle Sonderkonditionen aufgelöst wurden und keine Zusatzkräfte mehr bezahlt wurden. - Weil ja jetzt eh alle Kinder inkludiert sind. Dh wir arbeiten jetzt statt mit 15-20 Kindern und Zusatzpersonal mit 25 Kindern ohne zusätzliches Personal. Da wundert es mich nicht, dass Inklusion bei den Fachkräften nicht gerade positiv ankommt.
    Aber ich bin schon neugierig, was ich bei dir dazu zu sehen bekomme.
    Lg Carmen

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    1. kann ich nachvollziehen. leider habe ich es zu oft erlebt, dass dann nicht die institutionen als sündenbock herhalten müssen, sondern die menschen, die diese "unzumutbare, zusätzliche" arbeit durch ihre anwesenheit verursachen. diskriminierung wird da ganz schnell zum gewählten mittel. geht ja auch schneller als gegen behörtliche windmühlen zu kämpfen...
      liebe grüße,
      jule*

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  3. Bin nach wie vor auf deine inklusiven Montage gespannt, wegen denen ich auch bei dir 'hängen' geblieben bin, aber nicht nur!
    Inklusion ist -wie ich es fühle- hier in meiner Stadt kaum umgesetzt.
    Zwar war unser Sohn in einer inklusiven Kindergartengruppe, aber in eine normale hätte er nicht gedürft. Das besondere an dieser Gruppe war, dass er seine Therapien im kiga bekommen hat, sonst war kein Unterschied zu den anderen Gruppen. Als es zur Schulanmeldung ging hat man uns unverblümt gesagt, dass es in unserem Stadtteil oder auch in der Nähe keinen Lehrer gibt, der das macht. Ich hab schon selbst mit Grundschullehrerinnen gesprochen, die sich komplett gegen Inklusion wehren und sie regelrecht verteufeln. Ein Junge aus der Klasse unseres Sohnes wurde die ersten beiden Schuljahre inklusiert, danach hat sich jeder geweigert ihn weiter zu nehmen. Was bitte ist denn da an Inklusion umgesetzt?
    Erzähl ruhig weiter.
    Fand ja, dass es immer schon persönlich war.
    Das ist gut so.
    Liebe Grüße, Angela

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    1. und ist das nicht schlimm, dass man es "normale" kita nennt, wenn sie nicht inklusiv ist? eingentlich sollte es umgedreht sein: doofe kita, normale (inklusive) kita... es ist zum heulen, toben, schreien...
      ich wünsche dir, dass du einen guten weg für deinen sohn in die gesellschaft hinein findest und er nicht immer "ausgesondert" wird.
      fühl dich umärmelt,
      jule*

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