Montag, 9. März 2015

Der inklusive Montag: Wie Frau Jule zur Inklusion kam


 Der inklusive Montag findet hier alle zwei Wochen statt. Alle zwei Wochen gebe ich hier einen kleinen Einblick in die vielseitigen Chancen und Möglichkeiten, die die Inklusion mit sich bringt. Wer nochmal nachlesen möchte, was Inklusion überhaupt bedeutet, kann das hier nochmal tun. Grundsätzlich soll es um die guten Seiten gehen, um das was schon funktioniert und um das wo sich noch etwas ändern muss. Hier soll nicht gemeckert, sondern angepackt und sich gefreut werden. Anzumerken ist zum Schluss, dass ich "nur" eine Seite der Inklusion beleuchten kann, da ich "nur" Sonderpädagogin bin. Aber vielleicht finden sich ein paar Menschen, die gastbloggen möchten. In diesem Falle bitte gerne bei mir melden.

Thema heute: Wie Frau Jule zur Inklusion kam


 Ich bin Sonderschullehrerin und mein Herzensjob ist mittlerweile fest mit der Inklusion verbunden. Dass es einmal dahin kommen würde, war vor 15 Jahren, als ich mich für diese Tätigkeit begeisterte, gar nicht abzusehen. Mit 17 machte ich mein Sozialpraktikum an einer Förderschule ohne spezifischem Förderschwerpunkt. Dort tummelten sich Lernende mit geistiger Spezialisierung, Lernbehinderung, körperlichen und motorischen Spezialisierungen und Verhaltensauffälligkeiten. Ich fühlte mich in diesem Haufen sofort pudelwohl, hatte unfassbar viel Spaß und es war um mich geschehen.
 Nach dem Abitur machte ich mein Vorpraktikum für das Studium Lehramt an Sonderschulen ebenfalls an dieser Schule und erhielt einen tieferen Einblick in all die Spezialisierungen, die Menschen so mit auf diese Welt bringen. Eigentlich war das schon relativ inklusiv.


 Als ich mich an der Uni einschrieb, musste ich mich damals noch für zwei Fachrichtungen entscheiden. Da war es erstmal vorbei mit Inklusion. An der Frankfurter Uni studierte ich Sonderschullehramt für Lernhilfe und praktisch Bildbare (das heißt Lernende mit geistiger Spezialisierung). Von Inklusion war während meines Studiums erschreckend wenig die Rede. Allerdings mussten auch SonderschullehramtsanwärterInnen an Regelschulen Praktika absolvieren. Aber auch hier: Keine Spur von Inklusion.


 Zum Refrendariat ging es an eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen. Grundsätzlich finde ich ja nach wie vor, dass in Förderschulen - im Hinblick auf den schulischen Bereich- die beste inklusive Arbeit geleistet wird. Eine Klasse, die zwar klein ist, deren Lerndende aber durchaus auf mehreren Leistungsniveaus agieren. Für die Lernenden und Lehrenden ist das total normal, es wird kein großes Aufsehen daraus gemacht. Meiner Meinung nach wäre es keinen Meter dramatisch, wenn da auch ein paar potentielle AbiturientInnen mitmischen würden.


  Und dann ging es los. 2006 wurde die UN- Behindertenrechtskonvention verabschiedet und auch hierzulande, begannen die Länder sich damit zu beschäftigen und diese umzusetzen. Das passierte während ich im Refrendariat war. Es herrschte viel Verunsicherung. Viele meiner KollegInnen waren sauer und verunsichert. Es war gemütlich an den kleinen Sonderschulen und nun sollten sie eingestampft werden. Ich halte das nach wie vor deshalb für den falschen Weg, da ich erleben durfte, dass Inklusion an Förderschulen schon so lange Thema war, ihnen aber immer den Ruf der Abschiebeeinrichtungen anhaftete. Meiner Meinung nach hätte man es genau andersherum machen müssen: Alle Schulen zu Förderschulen machen. Kleine Klassen, Lehrende, die wissen wie man mit Leistungsheterogenität umgeht. Und das Gegenargument "zu teuer", hätte bei der Diskussion nichts verloren gehabt. Leider passierte es nicht so. Ich musste mich nach dem Refrendariat nach einer neuen Schule umschauen, wollte aber eh nach Hamburg und von daher bewarb ich mich an diversen Stadtteilschulen. Genommen wurde ich von einer der vielen verzweifelten Stadtteilschulen, die noch nie etwas mit Integration oder gar Inklusion zu tun hatten. Ich wurde die erste Sonderschullehrerin an dieser Schule und schmiss mich in die Arbeit.  
 Meiner Empfindung nach hatte ich ziemliches Glück. Die vermeintlich zu fördernden Speziallernenden die als erstes an unsere Schule kamen, waren und sind relativ harmlos. Einige KollegInnen sehen das bis heute nicht so. Ich wurde Klassenlehrerin im Team für die erste Klasse, in der inklusiv beschult wurde. Die Eltern waren dem Ganzen gegenüber wohlwollend eingestellt. Ich hatte einen relativ leichten Start mit der Klasse und ihren Eltern. Schlimmer sind nach wie vor ein Großteil der KollegInnen, die keinen blassen Schimmer haben, die weiterhin fröhlich vor sich hin diskriminieren und regelmäßig dafür sorgen, dass ich auf Konferenzen, Sitzungen und Gesprächen verbal böse werden muss (und das ist noch milde ausgedrückt). Geprägt sind diese Reaktionen natürlich meistens von Angst vor dem Unbekannten oder der stetigen Bedrohung auch mal selbst von Behinderung betroffen zu sein.


 Mittlerweile bin ich in der Inklusion vollkommen angekommen, sehe die vielen Chancen und Möglichkeiten. Nicht nur für meine Arbeit, sondern auch für mein alltägliches Leben. Ich fühle mich in inklusiven Strukturen mittlerweile so pudelwohl wie damals an der ersten Förderschule, an der ich mich rumtrieb. Ich sehe keine Nachteile von Inklusion. Wo bitte sollen die denn sein? In der Schule sehe direkt um mich herum Lernende, die offen mit Unterschieden umgehen, die sich helfen und unterstützen, die von- und miteinander lernen und mir geht jedes Mal das Herz auf, wenn ich nur daran denke. 
 Das ist größtenteils nur der Blick in die Schule. Ich beobachte die Entwicklung außerhalb schulischer Strukturen natürlich auch und natürlich darf, kann und soll Inklusion nicht auf Schule beschränkt werden. Allerdings denke ich, dass Schule als Pflichtkontaktinstitution für so viele Menschen (Lernende und deren Eltern), eben auch viele Menschen erreichen kann und einen wichtigen Grundstein dafür legt, dass Inklusion auch außerhalb von Schule verstanden und gelebt werden kann. Darum bin ich sehr froh, dass mich mein Weg dorthin geführt hat, wo ich jetzt bin. Und manchmal, wenn ich schocken möchte, erwähne ich nebenbei, dass ich als Sonderschullehrerin auch potentielle AbiturientInnen, sogar in der gymnasialen Oberstufe unterrichte. Das hätte ich mir vor 15 Jahren auch nicht vorstellen können. Womit wieder einmal belegt wäre, dass die Strukturen der alten Förderschulen so schlimm nicht gewesen sein können.
 Und nach diesem langen Beitrag schließe ich hier und bin gespannt, was in der Inklusion noch weiter passieren wird. Ich bin auf jeden Fall Fan der ersten Stunde und werde tun was in meiner Macht steht, um das weiter vorranzutreiben.

1 Kommentar:

  1. Yeah, das ist er, der inklusive Montag. :)
    Interessant, dass du Förderschulen schon als inklusiv definierst. Das habe ich so noch nie gedacht. aber es stimmt. Mehr Unterschiedlichkeit, verschiedene Bedürfnisse gibt es wohl auf keinem anderen "Haufen"... Wobei ich glaube, dass es trotzdem ne leichte Möglichkeit zum Abschieben bot und bietet. Schön wie du deinen Weg beschreibst.
    Ich freu mich auf mehr am inklusiven Montag.
    Und ich empfinde es ähnlich, dass nicht die Schüler, Kinder, Eltern besonders auf zukünftige Kinder/ Schüler mit Behinderung vorbereitet werden müssen, sondern erstmal die pädagogischen Kräfte. Wobei es hilfreich wäre, wenn sie erstmal zugeben könnten, dass viele von ihnen einfach unsicher sind und Angst haben anstatt sich hinter ihrer prinzipiellen Abwehrhaltung zu verstecken. So. :)
    Liebe Grüße
    Anika

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