Donnerstag, 2. Januar 2020

Enjoy your psychotherapy


 In der Schule bin ich öfter mal damit konfrontiert, dass Kinder nicht möchten, dass die anderen wissen, dass sie eine Therapie machen. Vor allem Psychotherapien gelten da immer noch als eher schambehaftet. Das machen ja angeblich nur Leute, die echt gestört sind. Also so ernsthaft gestört und so. Diese Denke ist ja nicht so viel anders bei zu vielen anderen Menschen. Ich finde das sehr schade. Es gibt so viele Menschen, denen eine Therapie mal ernsthaft helfen könnte, die diesen Schritt aus Scham aber nicht gehen. Meinen Kindern sage ich dann immer: "Ich gehe in den Frisiersalon, um mir die Haare hübsch machen zu lassen und zu einer Kosmetikerin, um mein Gesicht und meine Füße hübsch machen zu lassen. Dann kann ich auch zu meiner Therapeutin gehen und mir die Seele hübsch machen lassen. Für mich."  Das mit dem Genuss ist da hin und wieder natürlich mal fragwürdig, aber grundsätzlich ist sowas ja doch eher hilfreich, wenn mensch sich drauf einlassen kann.
 Ich könnte mich jetzt noch seitenweise über die kapitalistische Verwertungslogik im Zusammenhang von Psychotherapie auslassen. So von wegen "Aufrechterhaltung der Verwertbarkeit des Individuums für das kapitalistische System". Aber ich lasse es. Manchmal muss es auch ohne die gesamtpolitische Dimension gehen. Spätestens da, wo ich mit meinem unaufgeräumten Seelenleben anderen Menschen Schade, wird es höchste Zeit für einen Kosmetiktermin bei den Seelenpflegenden.


 Dieser ultrahässliche Distelrosenteller schrie ja gerade förmlich nach einer solchen Bemalung. Und jetzt alle mal ab auf die Couch (bzw. eine andere bequeme Sitzmöglichkeit), die sich das bisher nicht getraut haben. Denkend reden, reflektieren, Perspektiven finden.

4 Kommentare:

  1. Ja, meine Liebe, das sehe ich auch so. Leider ist die ganze Seelenarztgechichte so negtiv behaftet, weil es früher eben keine Seelenärzte, sondern auch gerne ma Normierungsanstalten gewesen sind.
    Da ändert sich die öffentliche Bewertung erst langsam. Mir jedenfalls fallen auf den ersten Blick mindestens 10 Menschen im Bekanntenkreis ein, die schon einmal psychologische Hilfen in Anspruch genommen haben. Und mit mir sind es schon 11 Leute. Hat was gebracht und würd ich wieder machen. LG und ein gutes, produktives und liebevolles Jahr wünsche ich Dir. die Gitta

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    1. ja, diese umerziehungsgeschichten sind eben wirklich gruselig und die finsteren zeiten der psychiatrie sicherlich noch lange nicht aufgearbeitet.
      herzlichsten dank für deine wünsche!
      liebst,
      jule*

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  2. Mal wieder Zeit für ein großes Danke! für deinen Blog – du sprichst mir oft aus meiner (wohltherapierten) Seele und ich liebe einfach deine Fotos.
    Wünsche dir alles Gute für 2020
    Andrea aus F.

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