Donnerstag, 30. Juni 2016

Juniliteratur 2016


 Die Bahn ist morgens mein Lesesessel. So lese ich mich auf den Weg zur Arbeit und auch zurück. Darum am Ende des Monats (wenn ich es schaffe) eine kurze bibliothekarische Rückschau auf die Bücher in meinen Händen, vor meiner Nase, durch meine Augen, in meinen Kopf. 


 Ich habe gerade wieder so einen Kinderbuchsplen. Diese Serie finde ich total super. Sehr simple Bilder und doch viel zu sehen und zu benennen. Und es endet immer damit, dass Anton ein echter Held ist. Besser kann ein Kinderbuch ja gar nicht enden.


 Schullektüre. Eine feine Geschichte, die auch bei harten Lernenden ankam. Ein puertoricanischer Junge, der am liebsten Mitglied einer Gang werden möchte, trifft einen einsamen, verarmten und frustrierten Künstler in New York. Eine spannende und ungleiche Freundschaft entwickelt sich. Leider wird in dieser Geschichte alles, was der Protagonist gut findet und wo er sich wohlfühlt in Frage gestellt. Das Bildungsbürgertum gewinnt den zwar sanften Krieg, doch die Lebensweisen der gesellschaftlich vermeintlich Abgehängten, wird in die fragwürdige Ecke gestellt. Natürlich ist es gut, niemanden zu berauben und umzubringen, aber... Nunja. Den Lernenden hat es gefallen und sogar die harten Jungs haben es durchgelesen.


 Singlefrauendasein in der Großstadt. Allerdings jenseits der üblichen Frauenzeitschriftenklischees. Ein witziges Buch um eine echte Powerfrau. Leben zwischen Schichtdienst, Kartbahn und Wohnungschaos und irgendwie wird doch der richtige Mann gesucht. Das allerdings auf recht erheiternde Weise. Und es geht natürlich darum, wie es ist, wenn man nicht ganz "normal" ist. Passt. Liebevolle Leihgabe von Frau Postrriot.


 Paul steht eines Tages vor der Haustür und bringt das nicht ganz geordnete und normale Leben des Protagonisten durch seine Art komplett durcheinander. Ein wunderbares Buch über Famile, Stadtmaus vs. Landmaus in Bayern und warum Freunde manchmal besser sind als Familie.


 Ein flauschiges Buch. Als ich die Comicstrips von Sarah Andersen im Netz entdeckte, hatte sie mich gefangen genommen. Eines habe ich sogar ausgedruckt an meiner Wand hängen. Ein wenig Sarkasmus, Ironie  und Zynismus. Ich habe mich erschreckend oft selbst in diesen Comicstrips wiedergefunden. Ein bisschen zum Lachen rauskitzeln und Seele streicheln. Mit Sicherheit eines der beiden literarischen Glanzlichter diesen Monats.


 Diese Graphic Novel hingegen sehr erschreckend. Ein bisschen wie Dürrenmatts "Besuch der alten Dame". In Antoinettes Fall handelt es sich allerdings um einne junge Dame, die ihre Rachefantasien mit dem nötigen Kleingeld in die Tat umsetzt. So farbenfroh die Bilder auch sind, so düster ist die Geschichte über das Leben und Leiden als jugendlicher Mensch in einer Kleinstadt.


 Dieses Buch stand schon lange auf meiner Wunschliste. Kürzlich zog ich es dann aus der Wühlkiste eines Buchladens. Herrlich. Anton reist in jedem Kapitel zu einem anderen Buchstaben des Alphabets. Die Illustrationen von Sven Nordquist finde ich ja immer wieder wundervoll. Anton ist in diesem Fall leider etwas schrill. Aber ganz wundervoll ist der Text in diesem Buch. Jeder Buchstabe wird in seinem Kapitel ordentlich abgefeiert und hervorgehoben. Alliteration ist das Zauberwort für Klugscheißende. Am Besten hat mir natürlich der Polizist gefallen, der nach dem pinkeln an den Zaun seinen Piephahn nicht wieder richtig eingepackt bekam. Da bin ich vor Lachen mal fast kurz umgefallen.


 Defintiv das absolute Glanzlich dieses Literaturmonats. Selim Özdogan verehre ich schon seit Jahren. Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir uns ein wenig parallel entwickeln. Irgendwie schafft er es immer, die Bücher zu schreiben, die mir das Gefühl vermitteln, dass sie zu meiner derzeitigen Lebenssituation passen. Dieses hier war mal wieder eines, bei dem ich beim Lesen immer schon laut jubeln musste, weil es so brilliant war, weil er Wort für Dinge findet, bei denen mir die Worte so oft fehlen. Vielleicht auch, weil ich gerade so viele Gedanken rund um das Thema Identität so sehr in meinem Kopf herumschubse. Der Protagonist in diesem Fall trägt schon den klangvollen Namen Krishna Mustafa. Das schreit in einer Welt, in der nationale Zugehörigkeit in vergangener Zeit immer wichtiger zu werden scheint ja schon nach Identitätskrise. Krishna ist Sohn einer deutschstämmigen Mutter und eines türkischstämmigen Vaters. Er reist nach Istanbul um herauszufinden, wer oder was er überhaupt ist und wie er sich da in der Welt verorten kann. Weniger, weil er das selber möchte, sondern vielmehr weil er von außen fast dazu gedrängt wird. Dabei erlebt er so einiges. Es werden Sätze, Weisheiten und Wahrheiten geschrieben, die ich gerne an Wände malen würde. Man taucht ein in die Lebenswelt von jungen Menschen in Istanbul, schrappt dabei auch kurz die politische Situation. Selim macht eine Menge Fässer auf. Keines bleibt dann einfach so offen stehen. Eine sehr runde Geschichte, die denken lässt und fühlen lässt. Und trotz der ganzen traurigen und dramatischen Szenen, die das Leben eben so parat hält, darf man zwischendurch auch mal lachen. Selim Özdogan kennt die beiden Seiten des Lebens und das macht es so wunderbar. Lesen. Unbedingt!

4 Kommentare:

  1. Tolle Mischung. Das ein oder andere muss ich mir unbedingt genauer ansehen.

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  2. Auf Selim Özdogan, hast du mich jetzt neugierig gemacht.
    Kinderbücher sind bei mir gerade so gar nicht drin. Aber es gibt da bestimmt einige schöne auf dem Markt.
    Liebe Grüße
    Andrea

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    1. hammergut. der schreibt auch ganz unterschiedliche stories. ein vielseitigkeitsautor irgendwie. fang mal mit "die tochter des schmied" an und direkt danach "heimstraße 52". ich könnte mir vorstellen, dass das gut was für dich wäre.
      liebe grüße,
      jule*

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