Donnerstag, 2. August 2018

Literatur # 4. 18


 Lesen ist schwierig, wenn der Kopf mit anderen Sachen belegt ist. Aber lesen kann auch helfen. Geschichten, die der eigenen ähnlich sind, Geschichten, die Vorbildfunktion haben können, Wissenswertes, das den Gedankenknoten auseinander bekommt und auf neue Ideen bringt. Ein "bisschen" Literatur der letzten Monate also jetzt. Das ist keine Werbung. Ich habe alle Bücher käuflich erworben.


 Yori, ach Yori. Irgendwie sprach mir dieses Buch ein wenig aus der Seele. Irgendwie hatte ich zwischenzeitlich auch den Sinn dieses Blogs so sehr in Frage gestellt, dass ich kurz davor war, es ganz sein zu lassen. Yori setzt sich in diesem Buch sehr viel mit den unschönen Umständen auseinander, die man als künstlerisch und politisch aktiver Mensch eben so begegnet. Ausbeutung, mangelnde Wertschätzung, emotionaler Missbrauch, Diebstahl, Rückschläge, das Gefühl, dass das eigene Tun nichts ändern wird. Bitter, frustrierend, traurig. Ich hatte vollstes Verständnis. Ich kann es so gut nachvollziehen, warum man diese Dinge hinwirft und keinen Bock mehr hat. Habe ich auch schon getan. Und ich kenne genügend Menschen, denen es ebenfalls so geht. Dieses Buch könnte die Gefahr bergen, dass andere Menschen gar nicht erst anfangen, sich zu engagieren und zu kämpfen. Allerdings bin z.B. ich nicht Yori. Das ist auch okay. Mir hat dieses Buch eher einen Arschtritt verpasst. Danke dafür. Yori schreibt aus Gründen übrigens ursprünglich auf Englisch. Eine deutsche Übersetzung des Textes findet sich aber auch in diesem Buch.


 Henna kam aus Finnland nach Berlin. In diesem Buch geht es um das Leben als queerer Punkmensch in eben Berlin und um und über die Querelen, die mensch damit eben so hat. Ein sehr empowerndes Buch. Teilweise tragisch, teilweise lustig. Ich liebe die wilden Illustrationen. Eine klare Geschichte mit rotem Faden gibt es nicht. Es sind eher so Schnipsel des Alltags. Ein bisschen zinemäßig aufgemacht. Hat mir sehr gut gefallen. Teile dieser Illustrationen finden sich übrigens auch in "Our Piece Of Punk", das ich ja auch schon sehr mochte.


 Wow, was hatte ich mir von diesem Buch erhofft. Aber ich wurde herbe enttäuscht. Von wegen Anarchie. Die Illustrationen sind super, die Botschaft wird allerdings sehr fragwürdig vermittelt. Vielleicht habe ich auch einfach ein anderes Verständnis von Anarchie. Dieses Buch vermittelt Anarachie so, dass man Dinge tun muss(!), um ein guter, anarchistischer Mensch zu werden und zu sein. Achso, muss man vielleicht, aber irgendwie wirkt dieses Buch eben wie ein Regelwerk und vermittelt das auch sprachlich so. Als erfahrene Petergogin kann ich dieses Buch nicht empfehlen, um Kindern Anarchie näherzubringen. Lasst sie lieber Kinder sein. Kinder sind die besten anarchistischen Menschen. Bringt ihnen lieber kritisches Denken bei und bestärkt sie in ihren eh schon vorhandenen wilden, anarchistischen Eigenschaften.


 Warum spielen die Mumins in meinem Kopf eigentlich immer in einer skandinavischen Landschaft? Weil das vermutlich anders gar nicht geht. Ich habe vor langer Zeit mal die Comics gelesen, musste mir aber eingestehen, dass ich die eigentlichen Geschichten von Tove Jansson gar nicht kenne. Kannte. Habe ich hiermit nämlich nachgeholt. Ich musste oft schmunzeln und irgendwie ist das hier ja auch voll die Punkkommunenstory. Alle sind willkommen, egal wer oder was sie sind. Es könnte so einfach sein, das Leben. Zumindest, wenn man eine Muminmutter im Haus hat. Ich glaube ich bin (wie) die Muminmutter...


 Abfeierung, Abfeierung, ABFEIERUNG!!! Schon "Ursprung der Welt" habe ich sehr gemocht. Das hier ist eigentlich schon vorher erschienen, aber eben jetzt erst auf Deutsch. Liv Strömquist geht in diesem Buch der Liebe in soziopsychologischer Hinsicht auf den Grund. Das nicht einfach so aus dem Bauch heraus, sondern immer mit wissenschaftlichen und historischen Belegen. Dabei ist es kein Textbuch, sondern eben ein Comic. Liv Strömquist distanziert sich selbst von dem Begriff "Graphic Novel", darum werde ich dieses Buch so auch nicht nennen. Ich mag ihren einfachen, klaren Zeichenstil. Ich wollte beim Lesen sowas von oft "Hurra!" und "Genau so!" schreien. Diverse Probleme von heteronormativen Paarbeziehungen werden aufgezeigt und warum diese eigentlich nicht funktionieren können. Liv Strömquist zeigt auch Möglichkeiten alternativer Beziehungsmodelle auf. Leider muss man dabei ja sagen, dass unsere Gesellschaft so sehr von vermeintlich klaren Vorstellungen, Normen und Werten durchdrungen ist, dass modernere Beziehungsmodelle es in ihrer Erzeugnung und Ausgestaltung immer noch schwer haben. Wie schade...


 Wo ich thematisch gerade an den polyamoren Beziehungen langgeschrappt bin, schiebe ich gleich dieses Buch hinterher. Ronja von Rönne schreibt die tragische Geschichte eines polyamoren Netzwerkes zwischen vier Menschen und was da eben so alles schiefgehen kann. Da spielen die einzelnen traurigen Persönlichkeiten verzweifelte Spiele miteinander, weil sie es nicht besser zu wissen scheinen. Dabei bewegt man sich in alternativen Kreisen der Berliner Kreativszene, die es besser machen möchte und dennoch scheitert. Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich dieses Buch tröstlich oder erschütternd und hoffnungslos finden soll. Muss ich aber vielleicht auch nicht. Kurzweilig ist es auf jeden Fall.


 Noch mehr Beziehungsdramen gefällig? Bittesehr. Ich kaufte es, weil ich die Zeichnungen noch mochte. Was eben so auf dem Weg in eine heteronormative Paarbeziehung so schiefgehen kann, welche Menschen man da so trifft, welche eigenen Prioritäten man für einen anderen Menschen so über den Haufen wirft. Ebenfalls bitter, aber vielleicht auch tröstlich und empowernd. Du bist eben doch nicht allein.


 Nein, ich habe diese ganzen Liebesthemenbücher nicht in einer Reihe gelesen. Hier ist jedenfalls das nächste. Dieses Mal aber eher Teenagerliebe in der Modszene in Potsdam der 80er. Wilder Osten, wilde Mode, wilde Musik, wildes Leben. Sommerferien, sturmfrei, ein Haufen Geld, Freundschaft und das Leben ist frei. Ein tolles Sommerbuch!


 Falls es diesen Sommer ein bisschen Abkühlung im Kopf braucht, empfehle ich dieses Buch. Ich hatte es tatsächlich für meinen Lesekreis schon im Frühjahr gelesen. Die wahre Geschichte von Christiane Ritter, die 1934 mit ihrem Mann den Winter auf Spitzbergen verbringt. Als Frau! Alleine mit zwei Männern! In einer kleinen Hütte! Für die damalige Zeit vermutlich ebenso ungewöhnlich wie heute. Ich fand es großartig. Ihre Beschreibung des Nordlichts hat mich natürlich absolut gepackt. Die Widrigkeiten der Natur, die Dunkelheit, das rauhe Leben. Ich möchte bitte auch mal einen Winter hoch im Norden leben. Etwas luxuriöser darf es aber gerne sein.


 Das hier habe ich kurz vorm Start der WM in die Finger bekommen. Sehr spannend. Wie ist es als Frau, wenn man Bock auf UND Ahnung von Fußball hat und das auch auslebt? Ich erkannte mich an der ein oder anderen Stelle doch wieder. Ich habe viel gelacht, fühlte mich verstanden und wollte Dagrun Hinze gerne mal ein High Five geben. Vielleicht trifft man sich ja mal am Millerntor.


  Sieben fiktive Geschichten von sieben fiktiven Frauen. Unterschiedlichster Art. Die wilde Rebellin, die Dessousverkäuferin undundund. Sie alle erzählen von Frauen, die selbständig und stark sind. Die ihren Weg gehen und sich von allem von den Männern nicht unterkriegen lassen. Die wissen, was hilft und was stark macht, wenn frau beginnt zu zweifeln. Sie leben ihre Träume, auch wenn es anstrengend ist. Aber sie halten eben auch zusammen, was zusammengehört. Das ist sicherlich für einige etwas.


 Ein neuer Band von "Unerschrocken". Wieder werden fantastische Frauen vorgestellt, von denen ich sonst sicherlich nichts erfahren hätte. Als Graphic Novel. Teilweise hatte ich den Eindruck, dass hier noch brutalere Lebensgeschichten zusammengetragen wurden. Und mit brutal meine ich wirklich brutal. Doch sicherlich auch ebenfalls sehr empowernd, auch wenn ich weiß und mir wünsche, dass ich vieles, was diese Frauen durchmachen mussten, nicht durchmachen musste und muss. Uff!


 Und ich hoffe, das der Haufen bis zum nächsten Mal nicht erst wieder so groß werden muss. Ein paar Zines habe ich auch noch. Dazu ein ander Mal.

4 Kommentare:

  1. Ich würde vor allem jetzt mal wieder unbedingt Winter auf Soitzbergen haben oder so, egal ob mit oder ohne und überhaupt.
    Gute Nacht!
    Astrid

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    1. du sagst es. damit wir alle endlich mal wieder eine gute nacht MIT schlaf haben...
      liebe grüße,
      jule*

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  2. Liebe Jule,
    vielen Dank mal wieder für deine Literaturtipps! Ich les deine Meinung dazu ja immer wieder gerne, auch wenn ich in letzter Zeit so gar keinen Kopf zum lesen habe und meine Bücherstapel hier immer größer werden.
    Liebe Grüße,
    Ronja

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    1. die zeit für deinen bücherstapel wird kommen. bei mir sind das auch immer so phasen. hab es fein.
      liebst,
      jule*

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