Dienstag, 9. Mai 2017

Das mache ich Freitags


 Freitagnachmittags schließe ich in einem Hamburger Kulturzentrum eine Tür auf und dann kommen sie vorbei. Jugendliche. Wir gehen einkaufen, kochen, verputzen bergeweise Süßkram, malen, basteln, quatschen über alles mögliche, spielen Tischkicker, -tennis oder Billard. Sie tickern auf ihren Smartphones rum, hören Musik, lachen.


 Es gibt nur einen kleinen Unterschied zu den bekannten Jugendtreffs. Die Jugendlichen, die zu meinem Jugendtreff kommen sind behindert. Sie kommen auf Rädern, mit Betreuungspersonen, mit Taststock, manche selbständig, manche werden gebracht.Und was mache ich dabei? Eigentlich nicht besonders viel. Grundsätzlich nach dem Normalisierungsprinzip arbeiten. Es soll ein stinknormaler Jugendtreff sein. Es gibt Angebote, die die Jugendliche selbst wählen können. Es ist ein Ort, an dem sie sich jenseits von Schule treffen können. Aufgrund mangelnder Mobilität ist das für diese Jugendliche nämlich oft nicht so einfach, sich in der Freizeit mit anderen zu treffen. Zudem gehen die meisten auf Förderschulen mit großem Einzugsgebiet. Gleichaltrige in der Nachbarschaft lernt man so nicht so einfach kennen. Schulbekanntschaften wohnen meist weit auseinander. Ich könnte noch einen eigenen Beitrag dazu schreiben, wie es für behinderte Jugendliche ist, als einzige behinderte Jugendliche in einen Jugendtreff um die Ecke zu gehen, aber das würde den Rahmen sprengen.


 Die Schulen sind meist Ganztagsschulen. Da bleibt wenig Freizeit. Und nach der Schule gibt es viele Termine zu absolvieren. Medizinische und therapeutische Belange müssen erledigt werden. Ein Großteil der Lebenszeit dieser Jugendlichen ist fremdbestimmt. So fällt es vielen schwer zu sagen, worauf sie in den paar Stunden Jugendtreff Lust hätten. Sie wissen nicht, wie Freizeitgestaltung geht. Es wird besser, je länger sie dabei sind. Teilinklusiv wird es da, wo wir die Räumlichkeiten des großen Jugendtreffs mitnutzen. Das ist von allen Seiten vollkommen in Ordnung, wobei auch nach Jahren die Annäherung nur zögerlich passiert. Aber auch das ist in Ordnung.


 Das mache ich Freitagsnachmittags seit zwei Jahren. Einige Menschen finden das wahnsinnig, das noch neben dem Vollzeitjob zu tun. Allerdings muss ich sagen, dass an diesem Ort alle Kaputtheit nach einer vollen Arbeitswoche meistens nach ein paar Minuten verflogen ist. Ich mache das nicht ehrenamtlich. Ich bekomme eine Aufwandsentschädigung dafür.


 Die Schmetterlingsgirlanden sind auch dort entstanden. Die Idee kam von mir. Einige Jugendliche haben sehr fleißig ausgeschnitten, angemalt, beklebt. Zuhause habe ich die Schmetterlinge andeinandergenäht. Wozu das Ganze? Alle paar Wochen findet im Rahmen dieses Jugendtreffs eine Disco statt. Die mache ich nicht alleine. Dann kommen Jugendliche von noch weiter weg in den großen Tanzsaal. Es wird getanzt, gejohlt, geknutscht, gefeiert. Wir haben eine dicke Musik- und Beleuchtungsanlage, Discokugel, eine Bar. Manchmal gibt es auch ein bisschen Drama. Eine ganz normale Jugenddisco eben, für Jugendliche, in deren Leben es trotz inklusiver Zeiten wenig Normalität gibt.


 Doch ein bisschen Aufhübschung muss dann immer sein. Und für die bastelwütigen Jugendlichen ist das im normalen Jugendtreff immer eine fabelhafte Gelegenheit, da zu helfen und ich muss nicht irgendeinen Quatsch besorgen (wobei das von Zeit zu Zeit auch vorkommt). Die Getränkekarte gibt es dann natürlich auch mit Piktogrammen. Irgendwann könnte ich das auch nochmal in schicker machen.


 Die Schmetterlingsgirlanden gab es zur letzten Disco, anlässlich des Frühlings. Freitags finde ich gut. Und weil das heute gut passt, geht das rüber in die Dienstagssammlung.

3 Kommentare:

  1. Toll, deinen Beitrag zu lesen und deine Begeisterung und Engagement richtig aus dem Beitrag rauszuhören. Ich bin sicher, ihr habt eine Menge Spaß und könnt so einiges - nicht nur während der Disco - rocken!
    LG. Susanne

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  2. Eine wunderbare Möglichkeit, den Freitagnachmittag zu verbringen! :)
    Liebe Grüße
    Antje

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