Mittwoch, 1. November 2017

Vegan ist mehr als nur Ernährung


 Ich habe mal wieder gestickt. Ganz frisch unter der Maschine hervorgehüpft sind ein paar Aufnäher mit der Veganblume. Gibt es zigfach als gesiebdruckte Patches bei den einschlägig bekannten Handelnden zu kaufen, aber gestickt ist halt irgendwie geiler. Wie das mit dem Sticken mit der Nähmaschine geht, habe ich hier mal erklärt. Mit Kreidekopierpapier geht es vor allem bei so feinen Formen viel einfacher und man kann die Vorlage mehrfach verwenden und verbrät nicht so viel Papier.


 Entstanden sind drei Patches. Abgekettelt mit der Overlock zum besseren Festnähen später. Beim Sticken habe ich ich ein bisschen über Veganismus nachgedacht, inspiriert von meinen Gesprächen mit ein paar Veganneulingen auf dem veganen Straßenfest. Das hier soll kein Vorwurf sein, aber grundsätzlich überkommt mich öfter das Gefühl, dass Menschen meinen, Veganismus würde sich alleine auf die Ernährung beziehen. Aber das ist doch ein bisschen kurz gedacht. Sich vegan zu ernähren ist in den letzten Jahren ja wirklich ein Kinderspiel geworden. So viele, gut gekennzeichnete Produkte findet man mittlerweile im normalen Supermarkt. Dazu haufenweise Ersatzprodukte, die den Übergang wirklich einfach machen. Wer mit mir über den Sinn von veganen Ersatzprodukten diskutieren möchte, lese sich bitte erst das hier durch.


 Was vielen Menschen nicht ganz klar ist, dass über Veganismus eben nicht nur im Lebensmittelbereich entschieden wird. Es geht um einiges mehr. Leder, Seide, Wolle und die entsprechenden Produkte daraus. Kosmetik und Medikamente. Zoos und Zirkuse. Lederschuhe waren für mich schnell passé. Ich mag nichtmal mehr Leder anfassen. Vor meinem inneren Auge taucht dann gleich eine frische, blutige Haut auf, in die ich meine Füße stecke oder die ich als Handtasche nutze. Wäh! Mal abgesehen davon, dass Lederproduktion auch sehr chemisch vonstatten geht und meist in armen Ländern passiert, die keinerlei Umweltstandarts haben, von Menschen über deren Bezahlung, Arbeits- und Lebensumständen ich glaube ich nicht viel sagen muss. Ebenso verhält es sich mit Wolle. So eine Massenschafschur geht auch nicht ganz unblutig zu. Ohne das Töten der Seidenraupen, kommt niemand an den Seidenfaden aus deren Kokons. Kritik an Tierhaltung allgemein, mit all ihren Auswirkungen, ist die Grundlage für alle Argumentation. Und wer jetzt meint, dass alle Tiere aus Tierhaltung in freier Wildbahn keine Überlebenschance hätten und Tierbefreiung keine Lösung sein kann, hat auch das nicht begriffen. Wir brauchen diese Produkte nicht zum Überleben. Warum sollten wir also Tiere züchten, halten, quälen, töten, nur um unsere Füße in ihre Haut oder unsere Haut in ihre zu stecken? Bei all dem muss natürlich auch die Konsumkritik mitschwingen. Denn natürlich verbrauchen auch Baumwolle, Hanf, Bambus und Co. Ressourcen, die nicht zwingend aufgewendet werden müssten, würden wir nicht meinen alle paar Wochen ein neues Outfit zu benötigen.


 Kosmetik bekommt man mittlerweile auch problemlos als vegan deklariert in jedem Drogeriemarkt. Das bezieht sich dann sowohl auf die Inhaltsstoffe, als auch auf Tierversuche. Zwar sind Tierversuche für Kosmetika in der EU mittlerweile verboten, was Herstellende aber nicht davon abhält, einzelne Inhaltsstoffe weiterhin zu testen oder diese Tests ins nichteuropäische Ausland zu verlagern. Wirklich schwierig sind Medikamente. Da diskutiere ich ebenfalls immer noch hart mit mir. Man muss die Grenzen kennen. 100% vegan geht in unserer Welt eben irgendwie nicht. Im Zweifel kommt dann auch gerne: "Und wenn du mal aus Versehen eine Fliege verschluckst?" Narf! Nachdenken hilft. Oft. Meistens. Passend dazu darf mein Veganpatch neben Astrid Lindgren auf meiner Jeansjacke seinen Platz einnehmen. Die hat sich nämlich auch schon früh für die Rechte von Tieren stark gemacht und fühlte sich auch oft von der Politik verraten. Das hat sie auch gerne und deutlich zur Aussprache gebracht. Eine starke Frau. Schmeißt das Hirn an! Macht vegan. Versucht so wenig Arschloch wie möglich zu sein. Das sollte immer oberste Prämisse sein. Dass es etwas bewirkt, konnte ich in den letzten zwölf Jahren beobachten. Früher noch schwierig, wird es einem von Jahr zu Jahr einfacher gemacht. Ich warte noch darauf, dass nach der Nahrungsmittel- und Kosmetikindustrie auch die Bekleidungsindustrie ihre veganen Produkte kennzeichnet, bzw. solche herstellt. Könnte vor allem das dauernde Schuhdilemma mal beseitigen. Das ist nämlich nach wie vor echt ätzend.


 Meine Jeansjacke wird mehr und mehr zur Kutte. Über den Ankern, mit dem ich mein erstes Vliesofixexperiment vollzog muss irgendwann nochmal ein größerer Rückenpatch. Wie sich das eben so gehört. Der Totenkopf ist aus der Millerntorgallery, bzw. das Symbol eben jener. Om darf auch nicht fehlen. Mein liebster Aufnäher ist aber immer noch der Gutmenschenpatch, der auf meiner Schulter prangt. Über den Rock erzähle ich morgen mehr.


 Und in Stockholm habe ich endlich einen Regenbogen für den Oberarm gefunden. Ich mag sie, meine Politjacke. Heute ist übrigens Weltvegantag! In diesem Sinne: Hirn an und guten Appetit.

2 Kommentare:

  1. Ich mag deine Politkutte auch. Hab ich schon mal erzählt, dass ich gerade Gedanken zu einer "Feminismus und Katzen"-Kutte wälze? :D

    Liebe Grüße
    Sabrina

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