Montag, 25. Mai 2015

Der inklusive Montag: Warum ich gerne inklusiv unterrichte


 Der inklusive Montag findet hier alle zwei Wochen statt. Alle zwei Wochen gebe ich hier einen kleinen Einblick in die vielseitigen Chancen und Möglichkeiten, die die Inklusion mit sich bringt. Wer nochmal nachlesen möchte, was Inklusion überhaupt bedeutet, kann das hier nochmal tun. Grundsätzlich soll es um die guten Seiten gehen, um das was schon funktioniert und um das wo sich noch etwas ändern muss. Hier soll nicht gemeckert, sondern angepackt und sich gefreut werden. Anzumerken ist zum Schluss, dass ich "nur" eine Seite der Inklusion beleuchten kann, da ich "nur" Sonderpädagogin bin. Aber vielleicht finden sich ein paar Menschen, die gastbloggen möchten. In diesem Falle bitte gerne bei mir melden.
 
Thema heute: Warum ich gerne inklusiv unterrichte
 
 Oder auch: Warum ich gerne an einer Schule mit Ansätzen von Inklusivität arbeite. Denn eigentlich mache ich als Sonderpädagogin ja mehr als Unterricht.
 
 
 So ganz ohne ein bisschen Hintergrundwissen möchte ich diesen Beitrag nicht starten. Anmerken möchte ich zunächst, dass ich mein Refrendariat an einer ganz "normalen" Förderschule mit dem Förderbedarf Lernen verbracht habe. Es war eine sehr gute Schule mit sehr engagierten Lehrerinnen (ja, mit Ausnahme der Schulleitung bestand das Kollegium ausschließlich aus Frauen). Dort gab es Lernende mit den Förderbedarfen Lernen und emotional und soziale Entwicklung.
 Beides im Grunde genommen keine Förderbedarfe, die etwas mit körperlicher Funktion zu tun haben. Vielmehr sind diese Förderbedarfe eine Folge sozialer und sozialisatorischer Umstände, in denen die Betroffenen aufwachsen. Das Aufwachsen in sogenannten bildungsferne Familien, "anderen" kulturellen Zusammenhängen, Armut, Drogen und Gewalt, psychischen Problemen von Familienmitgliedern können dazu führen, dass die Betroffenen in klassischen schulischen Sturkturen massive Probleme im Hinblick auf Lernen und Verhalten bekommen. Eigentlich sind diese Formen von sonderpädagogischen Förderbedarf hausgemacht. Ein Mensch mit dem Förderbedarf Lernen bekommt diesen meist erst, wenn er in die Schule kommt. Schräg, oder? Schule behindert, könnte man salopp sagen. In der Schule fallen diese Kinder und Lernende häufig durch massive Probleme beim Lernen und der Arbeitsorganisation auf. Sie zeigen auffällige Verhaltensweisen in Form von extrem stillen oder lautem Auftreten. Das Wort "verhaltensoriginell" kann ich in diesem Zusammenhang übrigens nur noch schwer ertragen, da das gezeigte Verhalten für den betroffenen Menschen in der Situation meist einen fast überlebenswichtigen Sinn und Zweck erfüllt und der Begriff "verhaltensoriginell" die dahinterstehenden Probleme zu sehr verniedlicht.


 An alten klassischen Förderschulen saßen alle diese Lernenden in einem Raum, kochten im eigenen Saft, hatten kaum eine Möglichkeit andere Verhaltensweisen oder Lernstrategien zu erfahren. Kinder lernen durch Nachahmung, das wird nur schwer, wenn es nichts von dem, was man können sollte, nachahmen kann, weil es eben nicht vorhanden ist. In inklusiven Strukturen bekommen Lernende die Möglichkeit voneinander abzuschauen. Eine Sache, die ich mit immer größerer Begeisterung in meinen Lerngruppen beobachte. Die Lernenden erziehen sich gegenseitig. Das ist wundervoll zu sehen. An einer Gesamtschule hilft die potentielle Gymnasiastin der Mitschülerin mit dem Förderbedarf Lernen bei der Organsiation ihrer Schulsachen und vielesvieles mehr. Beim gemeinsamen Fußballspiel wird Regelbewusstsein jenseits der Prügelei geschärft. Man maßregelt sich gegenseitig, stachelt sich im Hinblick auf Neugier und Pflichtbewusstsein an.


 Dabei ist es übrigens nicht so, dass nur die ehemaligen Förderlernenden von den "schlaueren" Lernenden etwas abschauen würden. In vielerlei Hinsicht bringen nämlich auch die Lernenden mit Förderbedarf etwas mit. Wem die Eltern morgens nicht das Pausenbrot schmieren, der weiß sich anders zu helfen. Oftmals konnte ich beobachten, dass die Förderlernenden im Hinblick auf Selbständigkeit in Alltagsdingen ihren Mitlernenden einiges vorraus hatten. Sie konnten besser kochen, gezielter einkaufen, die Waschmaschine bedienen, Kleidung pflegen, sind innerhalb der Stadt selbständiger im ÖPNV unterwegs usw. An einer Schule in der Fächer wie Hauswirtschaft noch auf dem Stundenplan steht, können die, von denen viele meinen sie seien total rückständig, ihr Können zeigen. Auch auf Klassenreisen mit Selbstversorgung wird dies zum nicht unterschätzbarem Vorteil.


 Für mich als Sonderschullehrerin ist eindeutig klar, dass wir mit Inklusion in der Schule nur gewinnen können. Dass die Frage der Ausstattung mit pädagogischen, räumlichen, technischen Ressourcen noch nicht geklärt ist, ist eindeutig, doch das gehört in einen anderen Beitrag. Meinen Unterricht musste ich mit dem Wechsel in den Inklusiven Unterricht nur minimal neu steuern. Ich muss als Sonderschullehrerin in meinem Fachunterricht, den ich alleine bestreite, darauf achten, dass meine schnelleren Lernenden genug Hirnfutter bekommen, die langsameren dabei aber nicht verlieren. Dabei genieße ich aber auch die Gespräche und fachlichen Diskussionen mit den potentiellen Gymnasiasten, die teilweise Fragen aufwerfen, die meinen Unterricht beflügeln und in die sich auch oftmals die Lernenden einschalten können, die sonst an einer dumpfen Förderschule versauern würden. Einige meiner Förderlernenden haben in der Zeit in der ich sie begleite, eine so tolle Entwicklung hingelegt, dass ich sie bald in der Oberstufe auf dem Weg zum (Fach)Abi sehe. Das wäre mit der Beschulung an einer Förderschule so gut wie undenkbar gewesen.
 Ich mag die Mischung einer inklusiven Schulstruktur. Reibung gibt es dort wo unterschiedliche Lebensentwürfe aufeinandertreffen immer, aber das hält einen ja auch lebendig und das Hirn wach. Bevor dieser Beitrag hier aber ausufert, möchte ich mir konkrete Beispiele, Situationen und Erlebnisse für einen weiteren Beitrag aufsparen. Bis dahin gibt es noch viel zu erleben.

3 Kommentare:

  1. Du hast mal vor einer Weile einen Arbeitsalltag als Sonderpädagogin beschrieben. Aber so ganz genau kann ich mir das immer noch nicht vorstellen. Vielleicht könntest du da bei Gelegenheit nochmal einen Beitrag zu verfassen? Also, wie läuft das genau? Unterrichtest du bestimmte Fächer? Unterrichtest du alleine oder nicht-Sonder-Lehrern (wie nennt man die dann?) zusammen? In dem Arbeitsalltag-Beitrag wirkte es so, als würden die den Unterricht planen und du planst dann Ergänzendes dazu, hier klingt es aber jetzt so, als würdest du komplett eigene Fächer haben und alleine planen un unterrichten. Ich hab leider gar keine Ahung, würde die Lücke aber gerne von dir schliessen lassen, wenn du Lust hast!
    LG Jana

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    1. hallo jana,
      du hast vollkommen recht. da lasse ich euch ganz schön im dunkeln stehen. ich schreibe mir das thema für die nächste runde auf. danke für den hinweis.
      liebe grüße,
      jule*

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    2. Juchu! Vielen Dank! Ich bin gespannt.

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