Dienstag, 14. Oktober 2014

Inklusion für Einsteiger


 Ich hatte ja versprochen, dass ich hier mal ein wenig zum Thema "Inklusion" schreibe. Also nehme ich das mit diesem Eintrag mal in Angriff. Zunächst soll es mal eine kleine Begriffsklärung geben. Ich werde dabei keine fachwissenschaftliche Sprache verwenden, weil ich denke, dass das hier nicht im Sinne der Sache ist. Ich möchte meine Erklärungen so einfach wie möglich halten, womit wir schon einen Punkt zum Thema Inklusion gestriffen hätten: Einfache Sprache.
 Aber mal schön eines nach dem anderen. Stellen wir uns also mal ganz dumm und fragen: Was ist eigentlich Inklusion?


 Gehen wir zu Beginn davon aus, dass in unserer Gesellschaft Menschen mit verschiedenen Spezialisierungen leben. Rollstuhlfahrende zum Beispiel....


 .... oder Blinde...


 ... alte Menschen...


 ... Menschen mit ohne Arme oder Beine...


 ... Menschen mit verschiedenen Hautfarben, dicke, dünne, lange, kurze Menschen, Brille tragende, lesbische, schwule, heterosexuelle...


 ... der ein oder andere Außerirdische und noch vielevieleviele mehr.
 Trotz UN- Behindertenrechtskonvention, die 2006 in Kraft getreten ist, sind all diese Menschen immer noch innerhalb der Gesellschaft von einander getrennt. Gemeinsames Lernen, Arbeiten oder gar die Freizeitgestaltung findet de facto nur in Ausnahmefällen statt. Die Trennung der Gesellschaft nach arm reich, gebildet, weniger gebildet gibt es schon lange und sie erfüllt mit Sicherheit auch die ein oder andere sinnvolle Funktion. Nur dort, wo Menschen gegen ihren Willen ausgeschlossen werden oder angeordnet abgegrenzt werden, hört der Spaß auf.
 Dabei sind es meistens sehr banale Dinge, die ausschließend und damit behindernd wirken: Die drei Stufen in das Büro für den rollstuhlfahrenden Menschen, die mangelnde Wegmarkierung, an der sich ein blinder Mensch im Straßenverkehr sicher orientieren kann, Fachchinesisch, das ein Mensch mit geistig anderer Entwicklung nicht verstehen kann. Die Wissenschaft geht davon aus, dass nicht ein Mensch der Träger der Eigenschaft "behindert" ist, sondern seine Umgebung, die ihn an gleichberechtiger Teilhabe behindert. Und genau da beginnt Inklusion jeden zu betreffen, der sich in dieser Umgebung bewegt.


 Inklusion fängt also da an, wo Hürden abgebaut werden. Die größte Hürde ist dabei wohl in den Köpfen der Menschen zu finden. Die Gedanken die meinen, dass manche Menschen vieles nicht können, darum in speziellen Einrichtungen untergebracht werden müssten. Vor allem der spezielle Förderbedarf wird dann gerne vorgeschoben. 
 Doch Inklusion kann nicht nur von einer Seite betrieben werden. Sowohl Menschen mit, als auch ohne Spezialisierung müssen aufeinander zugehen und alle müssen lernen, wie gemeinsames Leben, Lernen und Arbeiten geht. Das funktioniert nicht, wenn man getrennt ist. Vielleicht müssen einige Dinge dann zurückgesteckt werden, aber dafür können andere Dinge wachsen.
 Meine persönliche "radikale" Meinung dazu ist übrigens: Spezielle Arbeits- und Wohneinrichtungen und Schulen schließen. Braucht niemand. Alle können zusammen arbeiten, wohnen und lernen. Und irgendwann wäre dann auch diese "Sonder"pädagogik überflüssig. Das wäre ein Traum, wenn jeder von jedem Hilfe und Unterstützung erfahren könnte. Begrifflichkeiten wie "behindert" abschaffen. Braucht auch keiner. Unnötige Schublade.

 Zum Schluss noch zwei Fakten, die dem Thema "Inklusion" vom Gesetzgeber hierzulande noch massiv im Wege stehen:
  •  Ein Mensch mit Assistenzbedarf darf max. 2600€ auf dem Konto haben. Alles andere wird vom Staat auf die Unterstützungsleistung angerechnet.
  •  Wer mehr als 1400€ im Monat nach Steuer verdient, muss 40% seines Einkommes für seinen evtl. bestehenden Assistenzbedarf abgeben (Pflege, Hilfsmittel etc.).
 Bei oben genannten Summen werden individuell auch die Einkünfte und Besitztümer von Eltern, Kindern, Ehepartnern mit berechnet. Dabei ist es egal ob es sich bei diesem Menschen um einen mit erworbener oder angeborener "Behinderung" handelt. Das kann man mal so sacken lassen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass im Grunde genommen jeder Mensch ständig von Behinderung bedroht ist. Sei es durch einen unachtsamen Autofahrer, einer fiese Krankheit oderoderoder.
 Meine Namensvetterin Jule befasst sich auf ihrem Stinkesockeblog intensiver mit dem Thema gesetzliche und generelle Hürden. Klickt doch mal vorbei.

 Demnächst gibt es dann noch einige Berichte über Stellen, wo Inklusion schon funktioniert. Ich war da schon auf Tour, aber das muss alles noch geschrieben und die Bilder verarbeitet werden.

 Und wer es bis hierher geschafft hat, kann gerne einen Kommentar hinterlassen und ich hoffe, ich habe hier niemandem an den Karren gepisst. Vor allem nicht mit meiner Begriffswahl. Ich fürchte bei diesem Thema kann man nur ins Fettnäpfchen treten.

7 Kommentare:

  1. Schön, dass Du das Thema hier aufgreifst! Ich hoffe, dass Du damit ein paar Menschen erreichst, die sich bislang noch nicht mit Inklusive auseinander gesetzt haben.
    Mir geht es ja so, dass ich ein Gefühl für Inklusive habe - aber ich habe ein Problem damit, darüber zu sprechen: Welche Begriffe darf ich verwenden? Welche sind "politisch korrekt" und welche nicht? usw.
    Aber so ist das in unserer seltsamen Gesellschaft. Es wird alles so lange tabuisiert und problematisiert, bis niemand mehr genau weiß, worum es eigentlich geht oder was eigentlich richtig wäre. (Mein Lieblingsbegriff ist in diesem Zusammenhang ja übrigens "Verhaltensoriginell".)
    Liebe Grüße
    Antje

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  2. das finde ich nicht, mit dem fettnäppfchen, ich kann dir nur zustimmen! toll wie du damit umgehst und darüber schreibst! liebe grüße, sylvie

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  3. Tolle Bildchen.
    Und eine Sonderpädagogin, die gegen die Sonderpädagogik ist. Ich kenne nicht viele von deiner Sorte :)
    Ach, und Inklusion heißt für mich auch, dass sich jemand dafür entscheiden darf und kann nicht "inkludiert zu werden". Also, nicht auf der anderen Seite des Pferdes herunterzufallen und alle "zwangsinkludieren" zu wollen. Weil manche Menschen mit Behinderung eben auch diese Sondereinrichtungen wollen/ brauchen könnten (Vielleicht weil sie schon älter sind und es nie anders kennengelernt haben und auch nicht mehr kennenlernen wollen....) Ich freu mich auf mehr :)
    Liebe Grüße
    Frau Alberta

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  4. Liebe Jule,
    not pissed but impressed!
    Es kann doch eigentlich ganz einfach sein - einfach sein.
    LG
    Sabrina

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  5. Schöner Artikel und tolle Bilder! Ich kenne das ja von mir selbst, dass ich immer sehr unsicher bin, wenn ich auf Menschen treffe, die "anders" sind. Das liegt einfach am Mangel an Kontakt. Und das ist ziemlich schade.
    Ich musste bei deinen Zeichnungen übrigens an die Homosexuellen-Adoptions-Debatte denken. Von wegen: Bei so "komischen" Eltern werden die Kinder ja gehänselt. Da frage ich mich immer, wie viele Eltern sonst noch "komisch" sind, weil sie alt, krank, dick, arm oder sonstwas sind. Irgendwas stimmt doch eigentlich mit uns allen nicht, wenn man es mal so sieht.

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  6. Ich kann dir nur zustimmen, ich bin so inklusiv aufgewachsen, wie es in Deutschland nur möglich ist, direkt neben einem großen Heim für Menschen die daran gehindert sind sich in der Gesellschaft zu bewegen. Alle meine Erfahrungen in meiner Kinheit waren mit diesen Menschen verbunden. Wir sind mit ihnen zur Kirche gegangen haben dort Fasching gefeiert, Sommerfeste, Sankt Martin, Weihnachten. Es hat mich geprägt und zu einem zufriedenen und sozialen Menschen werden lassen.
    Es tut mir sehr leid, dass ich meinen Kindern das nicht bieten kann, weil hier wo wir jetzt leben kaum Menschen, die wissen, was im Leben wirklich wichtig ist, sichtbar sind. Sie sind da aber sie nehmen nicht am öffentlichen Leben Teil. Nicht im Kindergarten, nicht in der Schule kaum in den Freizeitangeboten.
    Meine Meinung ist, dass nicht die "behinderten" Menschen in erster Linie die Inklusion brauchen, sondern die "Normalen", die Gesellschaft, die aus dem Blick verloren hat, was wichtig ist.

    LG Juchulia

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