Samstag, 23. September 2017

Samstagskaffee und Netzfunde # 25


 Aufwachen, wachsam sein, aktiv sein. Schon wieder eine Woche rum. Habe nur ich das Gefühl, dass es dieses Jahr mehr Werbung dafür gab, wählen zu gehen, als es Wahlkampf gab? Wichtig ist es wohl. Was soll ich sonst sagen? Die erste Erkältung der Saison machte mir zu schaffen. Aber wie einem Nazi, wollte ich ihr keinen Millimeter überlassen und habe mich tapfer dagegen angestemmt. Heute habe ich ein ganztägiges Date mit meinem Sofa, einem Eimer Suppe und mindestens drei Eimern Tee. Flotter Vierer quasi. Aber morgen müssen alle ihren Arsch vom Sofa hochbekommen bitte. Das Kreuz dann aber bitte an der richtigen Stelle und nicht am rechten Fleck machen. Ist klar, ne?


 Netzfunde? Gab es trotz allem auch. Politische und unpolitische:

 Sprechen wir mal über das Phänomen der "Identitätspolitik". Trifft man ja immer wieder überall an. Vor allem in der linken Szene überfällt mich häufig der Verdacht, dass diese sich damit selbst zerlegt, was als äußerst gefährlich zu bewerten ist. Dieses "Ich find dich Scheiße, weil du hast dieses und jenes gesagt und das diskrimniert dieses und jenes und darum mache ich mit dir jetzt nicht mehr gemeinsame Sache." Das ist mir so zuwider. "Ein pragmatischer Vorschlag gegen die Schnappatmung ließe sich beispielsweise in der von philosophischen Pragmatisten wie Donald Davidson vertretenen Vorstellung eines "Prinzips der wohlwollenden Interpretation" finden. Also die Idee, einem Gegenüber erstens Rationalität, und zweitens nicht zu allererst bösen Willen zu unterstellen." (Zitat ebd.) Ein richtiges und wichtiges Zitat aus einem Artikel, der leider schon wieder so grausam intellent geschrieben ist, dass er vermutlich viele nicht erreichen wird. Aber es ist wichtig das im Hinterkopf zu behalten. Mir fiel dazu ein Zitat von einer der Lila- Podcast- Menschen ein: "Der rechte Weg ist einfach, den sind schon viele gegangen. Links ist schwierig und holperig, denn das hat noch niemand geschafft." (Mal so Gedächtnisprotokoll, weil ich die Stelle und den Podcast so schnell nicht wiederfinde) Natürlich stolpert und fällt man auf dem linken Weg. Aber es hilft dann nicht, die Gefallenen noch zu treten, sondern man muss ihnen aufhelfen, miteinander reden und gemeinsam weitergehen. Macht euch doch einfach mal locker, trinkt nen Tee und esst gemeinsam ein paar Kekse. Und dann geht es gemeinsam weiter. Trotzdem, oder gerade deswegen werde ich sowas von links wählen. So! Puh, ganz schön viel für so einen Netzfund.

 Politik und Modellbau? Im Miniaturwunderland geht das öfter fabelhaft Hand in Hand. Immer wieder zeigen sie Flagge zu Themen, die die Macher berühren. Sie veranstalten Gratisbesuchstage für Menschen mit wenig Geld. In Hamburg geht das dann immer halbgroß durch die Presse. Kurz vor der Wahl haben die betreibenden Brüder ein Video zum Thema "Wählen gehen" produziert. Dafür wurden sie mit viel Hass und Hetze gestraft. Absolut zu unrecht. Schaut das Video, teilt es noch schnell, geht wählen, seid demokratisch, bevor das hier alles in brauner Scheiße versinkt. Beim nächsten Hamburgbesuch geht unbedingt ins Miniaturwunderland. Absolut unterstützenswert dieser Laden. (Und ich habe es immer noch nicht geschafft, da mal hinzugehen....)

 OK KID haben mit "Warten auf den starken Mann" ein gruseliges, passendes Psychogramm in Songform produziert. Könnte auch in einem sozialpädagogischen Lehrbuch zum Thema "Extremismus" stehen. Brrrrrrrr.

 Hochgespannt warten ja auch gefühlt alle auf das neue Album von KETTCAR aus Hamburg. Der Song "Wagenburg" lässt auch mal wieder die ganz große Politmusikvorfreude aufkommen. Vielleicht kommen da noch mehr Songs für die Straße zusammen. Uiuiuiui.

 Und wo wir gerade bei dem Thema zugehöriger Musik sind: SOOKEES "Q1" ist zwar schon älter, aber gut zum dran festklammern, in Zeiten wie diesen.

 Danke an das Kotzende Einhorn für immer wieder Beiträge von Krieg und Freitag. Vor allem die Wochenendtipps. Hoffen wir, dass es nicht ganz so schlimm kommt.

 1915 hätte ich in Zürich niemals Lehrerin sein können. Vermutlich hätte ich 1915 nichtmal Frau sein können.... Wie gut, dass sich die Zeiten ändern. Bitte nicht wieder rückwärts.

  "Das intensive Alleinsein führt oftmals dazu, dass man die vielen Mini-Begegnungen, die unweigerlich im Alltag stattfinden, bewusster wahrnimmt und genießt – etwa den kleinen Plausch beim Bäcker oder das Telefonat mit einem Kunden." (Zitat ebd.) Ein wunderbarer Artikel über das Alleinesein und warum es so verdammt wichtig ist. Ich tue ja gerne mal Dinge alleine und genieße das sehr. Und ich glaube bei mir hat es auch den Genuss von Gesellschaft -jenseits meiner Unmengen von Sozialkontakten auf der Arbeit- erhöht. Morgen gehe ich auch alleine wählen. So.

 Noch ein bisschen was zum Seele streicheln: Ich lese schwedische Blogs. Vor allem aus der Handarbeitssektion, wobei selbst die jungen Bloggerinnen da öfter mal neben all den schönen Dingen Politisches anklingen lassen. Einer meiner liebsten Blogs ist Frederikapåvinden. Da gab es in letzter Zeit fabelhaftes zu sehen. Zum Einen ihre upgecycelte Spulenaufbewahrung. Die baue ich sicherlich nach, wenn meine nicht mehr reicht. Wie das geht, versteht man dank der guten Bebilderung auch ohne Schwedischkenntnisse. Und das Nähetui! Davon habe ich ja auch schon einige gezaubert. Aber dieses dort. Hach!

 Das hier ist einfach nur eine zauberhafte Fotoserie von Hamburger Orten bei Nacht ohne Menschen. Großartig! 


 Bei all dem ist mir ja primär grummelig in der Magengegend im Hinblick darauf, was der Tag morgen bringen wird. Wer auch immer: Lass es nicht Scheiße werden. Geht wählen, macht eure Kreuze an einer vernünftigen, bedachten Stelle. Nicht am rechten Fleck, sondern an der richtigen Stelle eben. Und wenn es ganz schlimm kommt, steckt den Kopf nicht in den Sand, sondern werdet laut. Wenn es nicht schlimm kommt, lehnt euch nicht zurück, sondern werdet laut. Bitte. Es gibt schon Aufrufe zu "Wer schweigt, stimmt zu!" Demos in Köln, Göttingen, Berlin und Hamburg. Laut sein! Hoffentlich auch bei Andrea mehr als nur ich.

10 Kommentare:

  1. Oh Frau Jule, das Grummeln kenne ich... aber ich habe es doch schon öfter erlebt und auch überlebt ( trotzdem kann ich mir Stimmungen wie 1980 immer wieder in Erinnerung rufen ).
    Alter hat den Vorteil, dass man noch Sachen erlebt hat, die keiner heute mehr für möglich gehalten hat. Die Vorschriften für Lehrerinnen verwundern mich nicht. Meine frühere Schulleiterin hat noch erlebt, dass ihr Ehemann ins Schulamt bestellt wurde und aufgefordert wurde, dass sie ihren dicken Lidstrich und ihre lackierten Nägel sein lässt. Und ich selbst habe auch noch Kleidervorschriften verpasst bekommen 1975, im Referendariat.
    Unsere Freiheit ist ein veränderbar Ding.
    Weiterhin gute Besserung!
    GLG
    Astrid

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    1. haha, kleidervorschriften... mittlerweile sind lehrende meiner meinung nach ja die am schlechtesten gekleidete berufsgruppe. da nehme ich mich nicht aus *lach* wir würden alle rüffel bekommen.
      liebe grüße,
      jule*

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  2. Nee, da bist du nicht die einzige.

    Vor einiger Zeit gab es in meinem Umfeld eine Diskussion, ob das denn genug sei, wenn man sich einig sei, gegen die sogenannte Alternative zu sein, statt sich einig FÜR etwas zu sein. Ich fand, das ist schlicht der Minimalkonsens - alles darüber hinaus kann ich (wenn vielleicht auch zähneknirschend und vermutlich nicht ohne Diskussion) hinnehmen. Aber Hauptsache, die Leute gehen wenigstens wählen...

    Liebe Grüße
    Sabrina

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    1. ja, minimalkonsens... manchmal das einzig hilfreiche. ein gemeinsames feindbild kann aber auch eine menge mobilisieren... hoffentlich.
      liebst,
      jule*

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  3. Wir schauen nach Deutschland am Wochenende. LG von Regula

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  4. Danke für diese tolle Sammlung! Ich musste mir gestern nach dem zig Leute versucht hatten mir zu erklären dass nähen nichts mit Politik zu tun hat, auch mal Luft machen...

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    1. ja, ich ernte auch immer erstaunte blicke, wenn ich sagen, worum es auf meinem blog geht... tellerrand. ich sage nur tellerrand....
      liebe grüße,
      jule*

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  5. Auch wenn es gefühlt so weit weg ist, es grummelt bei mir auch.
    Beim Punkt der linken Selbstzerfleischung kann ich dir aus meiner Erfahrung gut zustimmen. Das hat mir schon oft die Lust genommen mich politisch mit eigentlich gleichgesinnten auseinanderzusetzen. Den Artikel hab ich auch nur so halb verstanden, aber ich hoffe, daß sich alle mal etwas entspannen.
    Kein Eis essen und keine gefärbten Haare - da wär ich auch raus ;)
    Liebe Grüße
    Janina

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  6. Es sind ja mehr zur Wahl gegangen als gedacht.
    Das Video der Miniwelt war klasse. Keine Ahnung, warum die so angefeindet wurden.
    Liebe Grüße
    Andrea

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