Samstag, 20. Juni 2020

Samstagskaffee und Netzfunde # 14. 2020



 Moinmoin! Eine Woche, keine Posts. War nicht drin. Ist mal so. War beschäftigt. Ich habe mich in den vergangenen zwei Wochen so nen bisschen gefühlt, wie eine unfreiwillige Antidiskriminierungsberatungsstelle, die in der Lage ist, Absolutionen zu erteilen, bzw. der angetragen wurde, dass bestimmte Dinge in bestimmten Zusammenhängen nicht passieren dürfen, obwohl ich mich da auch irgendwo am Rande rumtreibe. Kurz: Es war anstregend. Ich bin da die falsche Anlaufstelle. Ich bin immer noch weiß, cis-weiblich, heteroromantisch,  nicht behindert, Kackademikerin, gut bezahlt, verbeamtet auf Lebenszeit, vollkaskoversichert. Ich fühlte mich auch keineswegs geschmeichelt, weil ich als Kompetenz auf bestimmten Gebieten angesehen wurde, aber ich bin die letzte, die hier große Töne zum Thema Diskriminierung spucken kann. Es war vielmehr anstregend, von anderen mal wieder vor den Karren gespannt zu werden, um eben jenen aus dem Dreck zu ziehen. Dabei weiß ich, dass ich mich damit selber in die Schusslinie aus allen Lagern bringe. Egal was ich mache, irgendwer wird am Ende gekränkt sein und mich scheiße finden. Ich entschied mich für Antifaschismus. Natürlich. Das alles so vollkommen ungeachtet dessen, dass ich mich auch um meinen eigenen Struggle kümmern musste und noch muss. Davon ist immer noch mehr als alles andere vorhanden. Abgrenzung und Grenzen aufzeigen fiel mir schwer und es endete in einem wütenden, lauten Heulanfall. Liest hier jemand mit, der gerade erst aus Happyland rausgeworfen wurde?: Wie war es denn da eigentlich so? Ich habe mich vergangene Woche gefragt, wann ich aus Happyland rausflog. Es war Anfang der ersten Klasse. Ich war gerade so sechs. Es war der erste Schultag als mein damaliger Klassenlehrer meinem damaligen Sandkastenkumpel sagte, dass man seinen französischen Namen ja nicht aussprechen könne und er darum ab sofort deutsch ausgesprochen würde. 1988. Es fühlte sich für mich Sechsjährige so furchtbar grausam und falsch an. Zumal wir mehrere Kinder in einer Klasse waren, die seit sie laufen konnten, zusammen abhingen und diesen Namen immer problemlos aussprechen konnten und uns alles andere auch scheißegal war. An das vorher habe ich nur noch wenige Erinnerungen... Erzählt doch mal, wie es in Happyland so ist... war.



Netzfunde:

 Wer es immer noch nicht gecheckt hat: 11 Tips, wie man PoC supporten kann. So ganz im Elementarbereich... 

 Warum man nicht automatisch antifa ist, weil man ein demokratischer Mensch ist: "Wenn wir also darüber reden, wer Antifa ist und was das bedeutet, dann ist die Erklärung komplizierter als bei Twitter zu schreiben, Antifaschismus sei ein Ding aller Demokrat*innen. Es sind eben auch diese Demokrat*innen, die die Positionen der Nazis in den vergangenen Jahrzehnten legitimiert haben, nicht erst seit Trump Präsident ist oder die AfD im Bundestag sitzt. Es waren Demokrat*innen, die das faktische Grundrecht auf Asyl als Reaktion auf rassistische Pogrome abgeschafft haben. Es sind Demokrat*innen, die Menschen im Mittelmeer ertrinken lassen und in Sammelunterkünften der Covid-19-Pandemie aussetzen. Es sind Demokrat*innen, die Antifa-Strukturen von Behörden beobachten und verfolgen lassen. Und es sind Demokrat*innen, die Rassismus und tödliche Polizeigewalt in den USA kritisieren, aber wenn hier PoC in Zellen verbrennen, Untersuchungsausschüsse wie im Fall Oury Jalloh blockieren. Es sind Demokrat*innen, die es unwidersprochen lassen, wenn eine Staatsanwaltschaft einen Fall von tödlicher Polizeigewalt mit „Notwehr“ abschließt, obwohl Adel B. im Juni 2019 durch eine Haustür hindurch erschossen wurde." (Zitat ebd.) 

 Und dazu noch eine fantastische Doku: Kein Gott, kein Herr! Eine kleine Geschichte der Anarchie Teil 1 und Teil 2. Wie alternative, nicht autoritäre Organisationsstrukturen doch immer schon angefeindet und niedergemacht wurden. Brutal, aber das ist wohl das Leben.



 Ich trinke jetzt den Kaffee aus, hüpfe bei Andrea vorbei, werde ein paar Papierboote einpacken und mal Richtung City schlendern. Es ist Weltflüchtlingstag. Ich muss ja meinem Ruf als inoffizielle Antidiskriminierungsstelle gerecht werden. Aber evtl. gibt es auf dem Rückweg auch ein Eis für mich und für oder gegen meinen Struggle...

9 Kommentare:

  1. Mir ging es anders rum. Ich lernte an meinem siebten Geburtstag, wie Integration funktioniert. Zu meinem Geburtstagsfest mit Kuchen wollte ich meinen Klassenkollegen Mechmet (seine Familie war Ende 60er Jahr wohl die erste türkische Familie in unserer Gemeinde) nicht einladen, nicht weil er Türke war, sondern weil er uns immer geplagt hat auf dem Weg in die Schule. Meine Mutter bestand darauf, dass er auch eingeladen werde und nicht nur seine Schwester. Und ab jenem Tag plagte uns Mechmet nicht mehr auf dem Schulweg. Vielleicht bin ich nie aus dem Happyland rausgeflogen?

    Ich wünsche dir Bestätigung in deinem Tun. Liebe Grüsse von Regula

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    1. da hat deine mutter damals wohl weisheit bewiesen... danke für die wünsche.
      liebe grüße,
      jule*

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  2. Deine Schiffchen finde ich ganz wunderbar, in seebrückeorange :)
    Ich hoffe du konntest sie gut zu wasser lassen, vll finden sie ja einen weg nach happyland.

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    1. danke! und vielleicht bringen diese schiffchen uns ja ALLE ins happyland.
      liebst,
      jule*

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  3. Da wird mal wieder ein Begriff gekapert in der einen wie der anderen Richtung, wie ich es ja zuletzt immer wieder geschieht. Das könnte mich auch zum Heulen bringen. Aber ich muss zur Zeit tapfer sein, um hier einen erneuten Absturz zu verhindern. Guck du mal bitte nach der Selbstfürsorge! ( Ich krieg ja mit, wie das ist, wenn Mann das nie gelernt hat und so ne weibliche Herz-Lungenmaschine braucht. )Kümmre dich auch um deinen eigenen Struggle, solche wie du verbrennen sonst ihre Energie an zwei Enden, und das wäre für die Menschheit und dich als Menschin sehr bedauerlich.
    Den Tag heute habe ich so gar nicht in den Blick genommen, aber es war ein Tochterbesuchstag...
    Alles Liebe!
    Astrid

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    1. ja, alles sehr bedauerlich... selbstfüürsorge ist wirklich ein kraftakt manchmal. heute ging das ganz gut. ich hoffe bei dir ebenso.
      liebst,
      jule*

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  4. Deine Boote fallen so richtig schön auf und gefallen mir deswegen besser als die weißen, die die Redaktionskollegen im Büro falteten und aussetzten.

    Ich komme zurzeit an vielen Fenster-Transparenten vorbei, die auf die Menschen in den Flüchtlingslagern aufmerksam machen und bin froh über jedes einzelne (noch froher wäre ich, wenn sie nicht mehr notwendig wären, klar).

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    1. irgendeinen vorteil muss dieses bastelmaterialanhäufen ja haben: immer buntes papier im haus...
      liebe grüße,
      jule*

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  5. Tolle Aktion! Die Anarchie-Doku hab ich letztens auch gesehen, erschreckend gut. Schwierige Sache mit meinem Happyland, kann mich kaum dran erinnern - Struggels bis heute... aber kümmer ich mich gerade drum.
    Liebe Grüße
    Janina

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