Donnerstag, 20. September 2018

An die Depression


 Triggerwarnung: Depression, Tod, Hilflosigkeit, Ohnmacht, Trauer




 Depression, du mieses Stück Scheiße! Ich habe dir was zu sagen und das wird nicht cool. Du bist es auch nicht. Zu lange treibst du dich in meinem Leben herum, ziehst deine Kreise um mich immer enger. Bisher hast du mich noch nicht erwischt, aber du schwebst wie ein Damoklesschwert über meinem Kopf. Wie über den Köpfen vieler anderer. Zu viele meiner Herzmenschen hast du schon erwischt. Du schleichst dich oftmals leise an, wirfst deine bleischwere, graue Decke über sie. Sie kommen nicht mehr aus dem Bett, nicht mehr vom Sofa. Die Herzmenschen kommen nicht mehr hoch, nicht mehr vor die Tür. Ich erkenne dich, Depression. Dreckige Wohnungen, Wäscheberge, überquellende Mülleimer, sich stapelndes, dreckiges Geschirr, ungeöffnete Post. Herzmenschen, die aufhören die Dinge zu tun, die ihnen mal viel bedeutet haben. Ich rieche den kalten Rauch, die schlecht gelüfteten Wohnungen. Irgendwann melden sich die lieben Menschen nicht mehr, brechen Kontakte ab, vergraben sich, kämpfen nicht mehr, engagieren sich nicht mehr. Weder für sich, noch für andere. Depression, du mieses Stück Scheiße, sitzt in der Ecke, unter den Spinnweben bei ihnen und lachst dich schlapp.


 Und dann flüsterst du ihnen etwas ein, Depression. Wenn ich versuche darüber zu reden, was mir auffällt, meine Beobachtungen und Sorgen benenne. Du sagst ihnen, sie sollten dich leugnen. Sich nicht zu dir bekennen, denn du weißt, dass das dein Ende sein wird. Aber irgendwann benenne ich dich. Ich kann meine Klappe selten halten. Vor allem wenn du diese Hilflosigkeit mitbringst, die mich dann umfängt. Hilfe anbieten kann ich meistens auch dann noch. Doch zu oft hast du schon zu viel Macht über meine Herzmenschen gewonnen. Mein übliches Kämpfen hilft da nicht. Das vergesse ich immer wieder. Ich will die Herzmenschen rütteln und schütteln, will sie vor die Türe treten, zu Menschen schleifen, die wirklich helfen könnten. Doch sie wollen nicht. Du flüsterst ihnen ein, dass Hilfe annehmen Schwäche bedeutet. Die Gesellschaft hilft dir dabei. Du bist das Tabu, über das sich niemand zu sprechen getraut. Du lässt die Betroffenen zurückschlagen. Meine Hände wegschubsen, mich beschimpfen, weil ich deinen Namen genannt habe. Nein, ich kann doch meine Menschen nicht einfach so aufgeben, kann doch nicht zusehen, wie sie auf Raten aus dem Leben scheiden. Denn das ist das Tückischste an dir. Depression, du mieses Stück Scheiße! In deinen Taschen lauert der Tod.


 Depression, du mieses Stück Scheiße! Zu oft musste ich mich vor dir in Sicherheit bringen. Zu oft habe ich es versäumt, einen milden Umgang mit mir zu pflegen, wenn du mal wieder aus irgendeinem Loch gekrochen kamst und einen Menschen in meinem Leben besucht hast. Deine kalten Finger haben auch schon auf mich gezeigt. Ich bin erschrocken. Wer würde das nicht? Diese Hilflosigkeit macht mich fertig. Und dass mich das fertig macht, macht mich wiederum fertig, denn mich hast du (noch) nicht erwischt. Manchmal schäme ich mich dafür, dass ich vor dir weggerannt bin, weil es mich sonst wohl erwischt hätte. Dass ich meine Menschen im Stich gelassen habe, weil es mich sonst wohl auch erwischt hötte. Weil diese Hilflosigkeit und Ohnmacht mich lähmt. Dein kleiner Bruder Burn Out hat auch schon zu mir rüber gewunken. Ich bin nicht stolz darauf weggelaufen zu sein, aber irgendwann kann auch ich nicht mehr kämpfen.


 Depression, du mieses Stück Scheiße! Ich wünsche mir, dass mehr Menschen dich erkennen. Erkennen, dass es sich lohnt gegen dich zu kämpfen, dass es Hoffnung gibt, dass es helfende Hände gibt. Menschen, die erkennen, dass sich sorgen, nicht verurteilen heißt. Menschen, die erkennen, dass es nicht Schwäche ist, um Hilfe zu bitten oder diese anzunehmen. Dass Hilfsangebote nicht abgeschlagen werden und Hilflosigkeit dazu führt, in deine Arme getrieben zu werden. Wir können alle nur gewinnen. Depression, du mieses Stück Scheiße! Meine Waffen gegen dich werde ich solange kampfbereit halten, wie ich stehen kann. Und vielleicht kann ich ja doch mal eine Hilfe sein... Da stirbt die Hoffnung zu allerletzt. Depression, du mieses Stück Scheiße: Fick dich ins Knie!

12 Kommentare:

  1. Der Text spricht mir so sehr aus der Seele, das glaubst du gar nicht.

    In meinem Umfeld grinst sich die Depression gerade viel zu sehr eins und es tut so weh, ihr nicht einfach nur in ihren verdammten Arsch treten zu können.

    Danke für diesen Post.

    Alles Liebe
    Sabrina

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    1. ich wünsche dir viel kraft, dass sich die hilflosigkeit nicht zu sehr festsetzt!
      liebst,
      jule*

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  2. Antworten
    1. huch! habe ich was verbrochen?

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    2. Neeiiin!Im Gegenteil! Du beschreibst da was mir nicht Unbekanntes, was für eines der größten Dramen in meinem Leben gesorgt hat. Und seitdem lebe ich in der Angst, es könnte jemanden, den ich mag, genau so treffen... Dich zum Beispiel.
      Samstagsgrüße!

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    3. wir sind alle nicht gefeit davor, oder? aber um mich muss man sich eigentlich keine sorgen machen. ich bin ein resilientes kind. ich habe schon so einiges erlebt und es verkraftet, auch wenn es manchmal grenzwertig war. soll das leben mal machen.
      liebst,
      jule*

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    4. Gut! Soll es mal. Sag ich zu meinem auch.
      Eine gute neue Woche, hoffentlich wieder gesünder...

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  3. da beschreibst du das graue "Monster" sehr genau
    die kleine Schwester.. die depressive Verstimmung kenne ich auch zur Genüge
    gut wenn man Menschen hat die zu einem stehen

    liebe Grüße
    Rosi

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