Freitag, 8. Mai 2020

Neulich so


 Hatte ich kürzlich einen sehr großen Backflash? Oh ja. Nach der Lektüre von "Der Abfall der Herzen" wühlte ich mich ein wenig durch meine Schränke und wollte mal wissen, wie das damals bei mir eigentlich alles so war. Huh! Alte Bücher, Musik, Tagebücher. Geschichten.


 Politisch hatte ich vor 15/20 Jahren defintiv eine Krise. Die Antideutschen versauten einem in jeder linken Nische den Spaß. Mackertum, Antiislamismus, Antifeminismus, gefühlt drehte sich alles nur um Israel. Selbst wenn es um die Planung von Protesten gegen Studiengebühren ging. Adorno wurde paraphrasiert und als Frau* hatte man eh nichts zu kamellen, höchstens den Tofu anszubraten für die VoKü. Ich hatte damals keinen Bock darauf. Vielleicht auch keine Kraft. Andere Frauen* mit dem Problemgebiet habe ich damals leider nicht getroffen. In den Politologie- und Soziologieseminaren zu viele der oben genannten Macker, in der Sonderpädagogik zu viele weichgespülte Kuschelpädagogikmenschen, die lieber nicht zu weit über den Tellerrand blicken wollten. Ich erinnere mich, wie ich mit meinen kleinen Geschlechtskonstruktivismusforschungen im Raum Schule und Sexualerziehung für geistig behinderte Menschen aneckte. Irgendwo brauchte ich mal ein bisschen Ruhe. Es war die Zeit des Emo. BUKOWSKI, ÖZDOGAN, JIMMY EAT WORLD, DASHBOARD CONFESSIONAL, Coming of Age, Beziehungsgeschichten und vieles mehr. Männer* haben auch Gefühle. Und zwar mehr als Hunger, Durst und Hass. Vermutlich waren diese ganzen Emokerle damals die ersten, die irgendwie eine leise Ahnung davon hatten, dass sie ein Opfer ihrer männlichen Sozialisation waren. Wie oft kochten da die Anfeindungen hoch. Doch sie trauten sich, zu ihren nicht männlichen* Gefühlen zu stehen. Leider waren damals dann auch oft immer noch Frauen diejenigen, die der Auslöser für diese Gefühle waren (Stichwort "Liebeskummer") oder am Ende doch die emotionalen Aufräumarbeiten vollziehen mussten. Der Begriff der toxischen Männlichkeit war damals noch unpopulär.


 Vielleicht waren diese gefühlvollen Männer*, die ich mir damals reinpfiff, genau die Wegbereitung, die ich brauchte, um die Feministin zu werden, die ich heute bin. Vielleicht brauchte ich auch die Politikpause. Antideutsche habe ich schon lange nicht mehr getroffen. Mackertum in politischen Gruppen zwar schon, aber die kann ich heute besser abbügeln und im Zweifel schon zu Beginn der Diskussion niederwalzen. Da sind die Erfahrungen von damals sicherlich sehr hilfreich. Die Unterlagen aus dem Studium habe ich zum großen Teil beim letzten Umzug entsorgt. Ich würde mal glatt behaupten, dass ich eine spitzenmäßige Sonderpädagogin bin und auch auf politischem Parkett gut aufgestellt bin. Meine Tagebücher von damals habe ich allerdings ziemlich schnell wieder zugeklappt. Da steht so ungefähr immer noch das gleiche drin wie heute, wenn auch mit einer natürlichen Weiterentwicklung der Umstände. Die Emomusik darf noch ein bisschen weiterlaufen, die passt immer noch. Zu welchem Schluss bin ich gekommen? Zu "Alles wird besser, nichts wird gut." Das nur so, weil neulich so.

2 Kommentare:

  1. Huch, wo war ich da in jener Zeit? Lauter böhmische Dörfer...
    Gute Nacht!
    Astrid

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    1. das weißt du wohl am besten. aber vermutlich nicht in meiner generation und in meiner subkulturellen ecke ;)
      liebst,
      jule*

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