Dienstag, 28. April 2020

Schrille Eltern und kleine Kleidung


 Der Ton in den sozialen Netzwerken wird schriller. Ich berichtete bereits, dass mich vor allem diese # Coronaeltern krass triggerten. Es hat gedauert, bis ich rausfand, warum. Sicherlich sehe ich die Belastung durch die derzeitigen Umstände, geschlossene Kitas, Schulen und Geschäfte. Die Belastungen sind so unterschiedlich. Irgendwie tragen da gerade die meisten ihr Päckchen. Vielleicht war Corona gar nicht das Problem, sondern eher dieser schrille Ton der Elternschaft. Zündet schonmal die Fakeln an und wetzt die Heugabeln. Ich bin gespannt auf eine volle Kommentarspalte.


 Ich las also die Berichte unter diesem Hashtag und dachte so: Und? Bis mir auffiel, dass ich mir Elternschaft IMMER so vorstelle, wie diese Eltern es gerade schildern. Anstrengend, nervig, ständig wollen die Kinder Aufmerksamkeit, Bespaßung, Pflege, Essen. Ich klammere da jetzt mal bewusst die Belange von Eltern mit behinderten Kindern aus. Auch das kann aber vorkommen und legt mit oder ohne Corona nochmal ganz andere Problemlagen aus. Keine Zeit mehr für die eigenen Belange, ständig auf Abruf, den Job nicht mehr so gut erledigen können, Hobbies nicht nachkommen können, durchwachte Nächte. Eltern sein stelle ich mir furchtbar anstrengend vor. Auch ohne Corona. Aber eben genau so, wie Eltern es jetzt beschreiben. Im Grunde wurde mir mit dem # Coronaeltern gerade mein liebstes "Ende- der- Diskussion"- Argument geliefert, wenn mir das nächste mal jemand Mutterschaft aufschwatzen will. Ich habe keine Kinder. Auch aus diesem Grund und aus diesem Grund.

  
 Ich wundere mich dann immer nur, warum Menschen Kinder bekommen. Vor allem, wenn ich in meiner Blase immer nur diese Horrorstories von Elternschaft lese. Dass Eltern sonst auch keine Entlastung bekommen, ist ja so auch nicht richtig. Kinderfreibetrag, Kindergeld, Betreuung in Schule und Kita, Menschen, die während Mutterschutz, Elternzeit, krankem Kind zuhause, die Arbeit übernehmen. Ich kenne die Problematik, mit unbezahlter Carearbeit die von Frauen erledigt wird, gender pay gap, Altersarmut von Frauen. Das ist aber mitnichten ein Problem von Elternsein, als vielmehr eine Aufgabe von Feminismus. Das betrifft nicht (nur) Eltern. Besser verdienende Mütter sind allerdings auch nicht gleich save. Aber was weiß ich schon, ich habe ja kein Kind.


 Und dann stehe ich da. Ich, die keine Kinder haben möchte und die sich dafür so oft verteidigen und rechtfertig muss. Die so oft angegriffen wird, weil sie in ihrer Freizeit gerne mal ihre Ruhe hat. Der im Zweifel angekreidet wird, sie würde die Solidargemeinschaft untergraben, weil sie nicht für Nachschub in der Gesellschaft sorgt. Ich darf mich nicht mal unproblematisch sterilisieren lassen. Der gesagt wird, sie solle mal nicht erwarten, dass die Kinder anderer ihr im Alter den Arsch abwischen.... Als ob ich nur etwas für die Solidargemeinschaft leiste, wenn ich gebähre. Wenn das mal nicht antifeministisch bis hinten gegen ist, dann weiß ich auch nicht. Wenn Männer sich gegen Kinder entscheiden, ist das ja meistens noch ein anderer Schnack. Als ob Kinder gebähren die einzige Möglichkeit sei, etwas zur Solidargemeinschaft beizutragen. Als ob Eltern diese Gesellschaft alleine tragen würden. Aber ich bin ja keine Mutter, was weiß denn ich schon.


 Für meine Entscheidung gegen das Mutter-/Elternsein wird so oft Begründung, Rechtfertigung eingefordert. Das wird so oft mit mir diskutiert, mir werden darum so oft Vorwürfe für diese Entscheidung gemacht, dass es mir schwerfällt, meine Solidarität oder gar Verständnis dafür zu zeigen, wenn es Eltern zu anstrengend wird. Elternsein ist anstrengend. Mit oder ohne Corona. Hat euch das vorher niemand gesagt? Wie habt ihr euch das denn vorgestellt? Und Eltern haben eine fette Lobby. Sie sind überall und so viele von ihnen hängen ihren Lebensentwurf über jeden anderen. Heroisieren ihre Leistung. Zu oft. Da fängt mein Problem an. Seid Eltern, habt Kinder, egal wie, aber lasst mich damit in Ruhe und gönnt mir auch meinen Lebensentwurf, der auch Heldinnentaten beinhaltet. Ohne Neid, Missgunst, Vorwürfen oder Verachtung. Habe ich für Eltern auch nicht übrig. Mit oder ohne Corona. Aber was weiß ich schon, ich habe ja kein Kind.


 Ich bin keine Kinderfeindin. Ich bin auch keine Elternfeindin, aber können wir bitte mal gerade alle unsere Base chillen? Contenance wahren? Es geht gerade darum, einen Virus in Schach zu halten und blanke Existenzen zu sichern. Das geht vorbei. Vermutlich werden einige mit nem psychischen Knacks aus der derzeitigen Lage gehen. Wenn jetzt alle anfangen wegen ihrer persönlichen Belange im Bezug auf Corona rumzuweinen, wird das wirklich schwierig. Wenn euer Leben vor Corona in Ordnung war, dann wird es das auch bald wieder sein. Dann macht ihr halt gerade nicht so einen guten Job vom Homeoffice aus, sondern geht mal mit euren Kids ein Eis essen, seid Eltern. (Achso, ja die Sache mit dem Geldverdienen... Ich kann und will heute nicht alles kaputtargumentieren) Verbratet eure politisch engeagierte Energie nicht jetzt, sondern hebt sie auf, für wenn das Gröbste durch ist. Stellt euch mal vor, was Kinder denken, wenn sie in 10-20 Jahren Posts unter dem Hashtag Coronaeltern lesen.... Werden sie dankbar für diese Aufopferung sein? Werden sie schockiert sein, weil sie denken, sie seien furchtbare Kinder gewesen? Oder werden sie sich vielleicht fragen, weshalb Eltern unter dem ganzen Stress noch Zeit hattet, so was zu posten, statt sich um sie zu kümmern? Aber was weiß ich schon, ich habe ja keine Kinder.


  Wir haben hier gerade eine neue Problemlage, mit der ALLE erstmal umgehen lernen müssen. Eltern, Singles, Kinder, psychisch Kranke, Menschen aus Risikogruppen, alte Menschen, junge Menschen, Studierende, Arbeitnehmende. Das geht nicht nur Eltern so. Die Lage auf dem Mittelmeer und in den Flüchtlingslagern... ufff.... Ich möchte gerne eine Kollegin aus einer Videokonferenz vergangene Woche zitieren: "Es gibt Phasen, da möchte ich die Kinder in den Keller sperren, aber ich bin ganz froh, dass hier noch jemand ist, der mich knuddelt und mit Kindersprüchen die Situation erträglich macht. Dafür nehme ich das in Kauf." So bekommt man meine Solidarität. Aber was weiß denn ich schon, ich habe ja keine Kinder und schaffe es noch, in meiner Freizeit die Kinder der anderen mit neuen Klamotten zu benähen. Letztere rechtfertigen heute noch einen Auftritt in der Dienstagssammlung. Alle anderen können mir jetzt an den Kragen gehen.


16 Kommentare:

  1. Ich gebe dir zu 100 Prozent recht.

    Ich habe/hatte Kinder. Das verdammte Theater, das viele Eltern veranstalten, ist nicht auszuhalten. Stichworte aus deinem Post sind bespassen und Aufmerksamkeit. Es dreht sich alles ums Kind, wenn es mal da ist. Ein Wunschkind, ein Projekt (zur Selbstbestätigung) und wehe, du machst bei diesem Projekt nicht mit.

    Corona zeigt auch, wo überall die Mängel sind (Gesundheitswesen, Sozialwesen, Schulwesen, Familienverständnis). Bezüglich Schule: Die ist zu einem Kinderhort verkommen und soll Erziehungsdefizite ausbügeln, aber bitte so, dass die Eltern nichts zu tun haben.

    Die Eltern sind auch erst mal froh, sind die Kinder aus dem Haus, denn die dauernd Bespassung, dauernde Präsenz und Aufmerksamkeit in der Brutpflege hält ja niemand aus.

    Wenn dann also eine Lehrperson anspricht, dass mit dem Kind und dem Lernen ein Problem besteht, ticken die Eltern aus. Denn als Babysitter (die Lehrerin) hat die Lehrperson ja keine ernst zu nehmende Meinung.

    Ich empfehle Dr. Winterhoff.

    Lass dich nicht unterkriegen.

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    1. haha, danke! vor allem für den teil mit den lehrkräften. zu oft so. bin ich froh, dass ich es mittlerweile mit vielen saucoolen eltern in dem geschäft zu tun habe. aber ach, die kämpfe früher...
      lass du dich auch nicht unterkriegen.
      liebst,
      jule*

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  2. Frau Jule, du hast ja so recht: Energien sammeln, für das was hinterher kommt! Es ist für keinen einfach, weil da der Leitfaden für alle fehlt in einer solch neuen Situation. ( Und doch gelingt so vieles... keine Leichensäcke in Kühlwagen auf der Straße und so.)
    Und ja, Kinder sind anstrengend, Erwachsene aber auch ( alte, pflegebedürftige Ehemänner sowieso ). Im Augenblick scheint jeder zu meinen tönen zu müssen, damit man was vom vermeintlichen Kuchen abbekommt, der da verteilt wird. Wir sollten einfach machen, jeder an seiner Stelle, einander anerkennen und wertschätzen. Punkt. Aber in der Krise merkt man, was für eine Konkurrenzgesellschaft wir sind... übrigens meine ich schon, dass Kinder wieder in die Kitas sollten, nicht wg. Homeoffice und so, sondern weil Kinder es zum Aufwachsen brauchen, miteinander zu sein.
    Wünsche dir, dass du so akzeptiert wirst, wie du bist & lebst. Kindern wohlgesonnen!
    Lg
    Astrid

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    1. ja, kinder in kitas... hm... schwirig... früher waren sie doch auch nicht in kitas... das ist das "problem" der einzelkinder. definitiv. ich bin da zwiegespalten. bei einigen möchte ich auch sagen, dass sie wieder in kita und schule müssen, weil die kinder sicherlich auch genervt von ihren eltern sind (s. anstrengende erwachsene). gehupt wie gesprungen...
      liebst,
      jule*

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    2. Das ist das Problem der Einzelkinder - da muss ich wiedersprechen: Ich kenne viele Eltern durch die Kita meines Sohnes sowie durch meine eigene Kita. Die beiden Kita haben komplett verschiedene Eltern und Familie, verschiedene Lebenswelten der Kindern, andere Kulturen, obwohl sie gar nicht weit auseinander liegen. Das ist definitiv nicht Einzelkindabhängig. Es kommt auf Geschwisterkonstellationen an, auf Persönlichkeiten der Kinder, und auch darauf, welchen Druck die Eltern haben, trotzdem weiter ihrer Lohnarbeit nachgehen zu müssen und wie groß der Existenzdruck ggf. ist. Mein Sohn ist Einzelkind und hat 6 oder 7 Wochen komplett nur mit Papa und mir, sher gut überstanden. Während seine Freundin überhaupt gar nicht ihre Kita vermisst, sondern eher aufblüht zuhause, unfassbar große Sehnsucht nach einfach ihrem Freund hat, mit dem sie in der Kita spielt (und sie ist kein Einzelkind, aber mit dem Bruden spielen klappt dagegen eher nicht). Und es gibt auch in meiner Kita Geschwisterkonstellationen, die sehr eng sind, und welche die das nicht sind...

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  3. Liebe Jule, ich les noch nicht lang mit und zum Kommentar schreiben hab ich bisher auch noch nicht den Mumm gehabt. Aber zum Thema „Kinder kriegen“ und allem was da so mit zusammen hängt, mag ich nun einfach was schreiben. Es gibt 1000 gute Gründe für mich keine Kinder zu wollen, wie es für andre eben 1000 gute Gründe gibt Kinder in die Welt zu setzten. So einfach ist das. Ich wollte keine Kinder. Noch nie. Hab ich bisher nicht bereut. Kenne das entsetzte Gesicht der Gyn, wenn frau im „besten gebärfähigen Alter“ nach einer Sterilisation fragt. Aber das ist ein andres Thema.
    Wegen dem nicht vorhandenen Kinderwunsch wurde mir oft vorgeworfen, dass ich mir zu viele Gedanken zu dem Thema mache. Also erst mal blauäugig ein Kind machen und wenn´s dann da ist, schauen was kommt. Oder wie? Sollte ich jetzt auch mal allen Jammernden, die mir immer mein „Kindergedankenkarussell“ vorgeworfen haben ihre Gedankenlosigkeit vorwerfen...?
    Nun kommen viele Eltern wegen Corona und den Folgen sehr an ihre Grenzen und als kinderlose Person dazu was sagen? Ganz dünnes Eis, ich hab davon ja schließlich keine Ahnung! Auch ohne Corona hab ich mir das Leben mit Kind(ern) „IMMER genau SO“ vorgestellt (und das ist nur die Vorstellung mit gesunden Kindern...). Und ich frag mich dann nur, wie diese Eltern sich das IMMER so vorgestellt haben....

    Bleib tapfer!
    Steffi

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    1. danke! ja, am liebsten, mag man eine lange nase machen und sagen: ich hab es doch immer schon gewusst... aber damit ist ja auch niemandem geholfen. verzwickt.
      hab gerne den mumm, zu kommentieren. ich freue mich über (fast) jeden kommentar. ein paar hater gibt es eben überall.
      liebe grüße,
      jule*

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  4. genauso �� ich oute mich: ich bin eine glückliche #coronamama �� okay, der meine ist schon 15, aber ich bin gerade jetzt froh, mit familie zu leben. und ganz genau: für alle ist es auf eigene art schwer. für die die sich nun überarbeiten müssen, die köpfe hinhalten, für die, die nicht mehr arbeiten dürfen. für die mit family, für die ohne. für die, die noch alte eltern haben, um die sie sich sorgen, für die, die nie gute Eltern hatten. aber was schreib ich, ich hab ja nur EIN kind ��
    in diesem sinne: liebschen, halt die ohren steif! herzliche grüße aus dem rheinland.

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    1. haha, man könnte jetzt auch sagen: das arme einzelkind, hat gerade gar keine "spielkameraden". aber auch das scheint ja zu klappen.
      danke für deinen zuspruch.
      liebst,
      jule*

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  5. Eigentlich habe ich gar keine Zeit hier zu schreiben. Die Lohnarbeit wartet, eins meiner drei Kinder wird sicher gleich um die Ecke kommen und etwas brauchen und meine Bedürfnisse möchten bitte auch gesehen werden. Du hast deinen Text - soweit ich mir das denke - mit Absicht ein wenig kontrovers geschrieben und ich habe gerade nicht die Energie und die Lust mich da angegriffen zu fühlen, keine Zeit, keine Zeit.
    Ich wünsche mir Solidarität für und von allen, aber gleichzeitig möchte ich denen, die nun mit ihrem Weinglas in ihrem Einfamilienhaus mit Garten und allem sitzen, und rumjammern eine reinhauen. Auch denen, die sagen, dass Glück eine Einstellung ist. Und ebenfalls denen, die nun dazu raten, die viele Zeit zur Selbstoptimierung zu nutzen, denen dann aber doppelt. Ob das nun alles einen Sinn macht, was ich da so geschrieben habe, ist auch egal. Besser kriege ich es jetzt nicht hin! Solidarische Grüße!

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    1. es macht voll sinn. ich bin da voll bei dir. halt die ohren steif! und kontrovers ist politisch... so ist das.
      liebe grüße,
      jule*

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  6. Hallo
    Ich bin nicht eine, die unter jedem Beitrag ihre eigene Sichtweise
    darlegen muss. Aber heute mach ich einmal eine Ausnahme.
    Wunderbar, dass du eine Meinung hast zu der du auch stehst. Ich habe 4 Kinder, sind zwar schon erwacsen und haben teilweise auch schon Kinder. Rein statistischhabe ich zwei meiner Kinder für dich groß gezogen, die borge ich dir. So kannst du jedem der dich wieder wegen deiner "fehlenden" Kinder sagen, wir haben eine Übereinkunft und du hast statistisch eben zwei Kinder, auch wenn sie im fernen Österreich wohnen.
    Liebe Grüße, lass dich von anders denkenden nicht nerven

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    1. awwwww, das ist ja lieb! danke! ich musste schmunzeln bei den angebot. und genau: es gleicht sich irgendwo aus. (auch wenn die bevölkerungspyramide etwas anderes sagt) vielleicht ein argument, warum wir doch mehr schutzsuchende aus moria und anderswo aufnehmen müssen. es gleicht sich aus.
      liebe grüße,
      jule*

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  7. Da sprichtst du mir echt aus der Seele! (Ich bin immer noch hinterher mit Blogs lesen, aber den Beitrag musste ich kommentieren.) Es gibt in meiner Blase on- und offline nicht viele Eltern, daher bekomm ich das so nicht mit, aber der Ton auch der Eltern untereinander scheint so mit der Leistungsgesellschaft verknüft.
    Liebe Grüße
    Janina

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  8. (1)
    Liebe Frau Jule,

    ich möchte als Erstes vorweg stellen, dass ich mir auch nicht sicher bin, wie sehr ich getriggert bin, von dem Artikel. Eigentlich habe ich mir jetzt in Ruhe Gedanken gemacht, nachdem ich ihn gestern gelesen habe - weil ich dich oder deine Meinung nicht angreifen will, sondern ein wenig Erklärung beisteuern möchte. Weil ich das Gefühl habe, dass von einigen Leuten und so empfinde ich es auch in diesem Text, Dinge nicht ganz verstanden werden.

    Ich habe selbst unter #coronaeltern Texte gepostet, v.a. wütende Texte und zu dieser Wut stehe ich auch weiterhin. Teilweise empfinde ich sie immer noch, oder anders. Wir haben 6 oder 7 Wochen keinen persönlichen Kontakt zu irgendeiner anderen Familie gehabt, das haben wir gut überstanden, weil ich gut für meine eigene psychische Gesundheit sorgen kann und weil der Sohn unfassbar resilient ist. Und der Mann eher introvertiert. Allerdings hatte der weiterhin seinen Job. Ich habe einen tollen Arbeitgeber, und zwei tolle Chefinnen, die mir den Rücken gestärkt haben.

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  9. (2)
    Es geht zumindest in der Bubble in der ich mich auf Instagram (oder privat) bewege, gar nicht darüber irgendwenn gegeneinander auszuspielen, guckmal uns geht es noch und noch schlechter... Sondern es geht um die teilweise Dreifach- oder Vierfachbelastung, um ggf. Existenznöte, weil kein Geld oder nicht genug Geld da ist, oder der Arbeitgeber Druck macht und Gespräch über eine ggf. auszusprechende Kündigung androht (real von einer Freundin erlebt).

    Als ich mich entschieden habe, Mutter zu werden, habe ich das getan mit dem Wissen um einen riesengroßen Schritt Richtung Armut, darum, dass ich einen größeren Teil der Sorgearbeit übernehme, weil mein wichtiger Job und der meines Mannes (den ich als gesellschaftlich unwichtiger finde) so unterschiedlich bewertet und bezahlt werden. Dass wir mal eine Pandemie erleben, das hat doch vorher niemand gedacht. Ich las von einer Mutter, die sehr verständlich und unaufgeregt schrieb, dass sie, wenn sie gewusst hätte, dass ihr die Betreuung wegbricht, ggf. eben nicht drei Kinder in so einem kurzen Abstand bekommen hätte.

    Und meine Kritik schließt auch andere Themen mit ein: ich finde es genauso ein Unding, dass pflegende Angehörige und deren Nöte vergessen werden. Oder der fehlende Schutz von vielen, die vielleicht auch als Risikogruppe trotzdem als Altenpflegerin arbeiten, weil sie gar nicht auf ihren Job verzichten können.
    Ich finde es einfach wichtig, über Sinnhaftigkeit der verschiedenen Maßnahmen zu reden und zu gucken, was möglich ist, da ich fest damit rechne, dass wir so eine Phase nochmal erleben werden. Einfach, weil die Menschen irgendwann zu wenig auf Infektionsschutz achten.
    Niemand hat sich für die Pandemie entschieden, und wie Leute darauf reagieren, ist glaube ich wirklich sehr unterschiedlich. Ja, ich finde, dass es grundsätzlich unter Müttern (unter Vätern erlebe ich das weniger, und in unserer privaten Bubble teilen sich viele Eltern die Sorgearbeit auf) so einen Sport gibt, sich zu beklagen wie schlecht es einem geht. Aber das trifft auch nicht auf jede Mutter zu.

    Ich selbst wäre als Single übrigens abhängig von meiner Wohnform entweder schlechter oder genauso durch diese Zeit gekommen. Ich brauche andere Menschen, sonst fehlt mir einfach was. Mich hat auch nicht die Betreuung meines Kindes gestresst, sondern die Isolation. Ich arbeite normalerweise 27 Stunden die Woche mit anderen Menschen, und das ist mir manchmal zu viel, aber ich bin gerne unter Menschen. Ich brauche das, ich bin sonst wie eine Pflanze, die nicht gut gedeiht. Hätte ich wie immer mit anderen zusammengewohnt, wäre es okay gewesen. Hätte ich als Single alleine gewohnt, wäre es mir schlechter gegangen als jetzt, v.a. ggf. mit Jobverlust... Und das das anderen auch so geht, dessen bin ich mir bewusst.

    Ich finde es einfach grundsätzlich ein Unding, wenn Lebensentscheidungen von anderen Menschen bewertet, beurteilt oder in Frage gestellt werden. Ich bin der Meinung, dass es nicht mal einen Grund braucht, kein Kind zu wollen! Das ist einfach dein Körper, dein Leben, deine Entscheidung. Punkt. Und es gruselt mich, wie oft ich lese, dass Menschen da einem reinreden.
    Ja, ich bin Mutter. Aber im Normalfall (ich habe keine Ahnung, was ich bei einer ungeplanten Schwangerschaft tun würde), werde ich eine 1-Kind-Mutter bleiben. Gerne. Aus vollem Herzen. Ja, da gibt es Gründe für, aber krass fand ich auch, wie schwer es mir viel diese Entscheidung zu treffen, weil an mich z.B. die Erwartung teilweise auch deutlich kommuniziert wird, wann den das zweite Kind kommt...
    Und: Werden Männer auch gefragt, warum sie keine Kinder haben? Nein, natürlich nicht.

    Ich lese den Blog hier sehr gerne, und ich mag es v.a. total einen Ausschnitt aus einem Leben zu sehen, was anders ist als meins und das empfinde ich sehr bereichernd. Danke an dieser Stelle dafür! Ich komme seit Jahren immer wieder und lese dann auf einem Schwung bis dahin zurück, wo ich beim letzten Mal aufhörte.

    Viele liebe Grüße aus Bremen nach Hamburg
    Nadine

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