Immer (oder meistens) Donnerstags stelle ich ein Album vor, welches in meinem Leben eine prägende Rolle meiner musikalischen Sozialisation gespielt hat. Wer mitmachen mag, ist natürlich herzlich eingeladen und darf einen Kommentar hinerlassen, weil ich so furchtbar neugierig bin, was andere so hören. In den folgenden Wochen soll es um diese Alben gehen:
Meine Top 20 Alben aller Zeiten
The Beatles- A Hard Days Night (1964)
Cat Stevens- Mona Bone Jakon (1970)
Die Ärzte- Die Ärzte Früher! Der
Ausverkauf Geht Weiter (1989)
Red Hot Chili Peppers- Blood Sugar Sex
Magic (1991)
System Of A Down- Toxicity (2001)
Sick Of It All- Scratch The Surface
(1994)
Jimmy Eat World- Clarity (1999)
The Juliana Theory- Emotion Is Dead (2000)
Pale- How To Survive Chance (2002)
Boysetsfire- After The Eulogy (2000)
Kristofer Åström- Northern Blues
(2001)
The Appleseed Cast- Lost Songs (2002)
Kettcar- Du und Wieviel Von Deinen
Freunden (2002)
Tomte- Hinter All Diesen Fenstern
(2003)
Dredg- Catch Without Arms (2005)
Deftones- White Pony (2000)
Thrice- The Artist In The Ambulance
(2003)
Friska Viljor- Bravo (2006)
Captain Planet- Wasser kommt Wasser
Geht (2007)
Casper-
XOXO (2011)
PALE- "How To Survive Chance" (2002)
Zu PALE gäbe es viele Geschichten zu erzählen. Ich möchte heute die veröffentlichen, die ich anlässlich ihrer Goodbye- Tour anno 2009 geschrieben habe. Ich würde sie heute nicht anders schreiben. Wenig konkretes zur Musik, sondern einfach nur etwas, was mir mit dieser Band wirklich wichtig war und ist. Damals konnten die gelungensten Geschichten zum schönsten Erlebnis mit PALE Gästelistenplätze gewinnen. Leider habe ich es dann aufgrund widriger Umstände nicht auf das Konzert nach Köln geschafft, durfte aber ihrer unglaublich wundervollen und tränenreichen letzten Show auf dem folgenden Immergut Festival beiwohnen. Und ja: Auch ich hatte Wasser im Gesicht.
Kennengelernt habe ich diese Musik Jahre zuvor ebenfalls bei Viva 2 und der großartigen Sendung 2Rock. Niels Neumann packte sie irgendwie immer mit rein. Und ich mochte sie. Darum ist die eigentliche unglaublich großartige Geschichte eigentlich loszulösen von diesem Album. Doch dieses Album spielt dabei eine ganz elementare Rolle. Definitiv zählt das Folgende zu den großartigsten Dingen, die mir im Leben passiert sind:
Mein
Erlebnis mit PALE oder: Wie ich Rampensau war
Ich soll nun hier also
mein schönstes/ skurilstes/ nettestes Erlebnis, welches ich rund um
PALE hatte, beschreiben? EINES?!?!? Ich hatte einige mehr, würde ich
glatt behaupten. Aber wo soll ich da anfangen? Zwei Wochen, 24/7:
PALE!
Alles begann in einer
Internetcommunity mit dem schönen Namen emopunk.de. Pale suchten
Bläser für ihre Party Programmtour 2004. Erst dachte ich, das sei
ein Scherz, Pale suchen Deppen wie mich? Kann ja gar nicht wahr sein.
Doch das klärte sich schnell. Öfter schon hatte ich mir eine solche
Chance gewünscht und mich bei unzähligen Bands vorgestellt. Der
wirkliche Funke sprang nie über, auch wenn man Funk spielen wollte
oder man suchte eben Schlagzeuger, Bassisten, Sänger oder
Gitarristen. Ich hatte mir in der Hinsicht eh schon Talentfreiheit
attestiert. Jetzt also doch noch das gute alte goldene Blaßrohr. Ich
schrieb eine Mail, telefonierte das erste Mal mit Holger und stand
wenige Tage später im Proberaum in Köln- Mühlheim. Ich könnte
retrospektiv ein Tourtagebuch schreiben. Soll ich? Ich krame mein
Tagebuch von damals raus. Was steht da so drin:
Montag 29. 4. 2004
„Ich bin eine Frau,
ich kann weder Bass, noch Gitarre, noch Schlagzeug spielen und am
allerwenigsten Songs schreiben und trotzdem darf ich die Rampensau
mit PALE spielen. Zwei Wochen on the Road mit Jungs. Musik machen,
hören, Alkohol trinken, tanzen, lachen. Ich kann auch ohne Talent
Spaß haben. Das soll mir erstmal eine nachmachen.“ Steht da so.
Das ist nun schon fünf Jahre her.
Ich war also dabei.
Keine Ahnung, ob die Jungs das zwischenzeitlich vielleicht bereut
haben, ich jedenfalls nicht. Ich fands geil!
- Holger schneidet mir nachts um 3h in einem Leipziger Hotel die Haare
- Christian verpasst mir den zweifelhaften Titel „Dampfhammer Jule“
- Hilly beißt mir in den dicken Zehen und muss fast brechen, da ich die Socken gestern Abend im Molotow schon an hatte.
- Holger macht das Publikum darauf aufmerksam, dass Jule auf der Tour noch kein einziges Mal geknutscht habe
- „Jule, hast du noch welche von deinen Magentabletten?“
- Stephan und ich philosophieren in Koblenz die halbe Nacht über Goethe und „Go Trabi, go“
- Crowdsurfen im Gleis 22 in Münster zu Hello Lucky Thing (habe ich seit dem auch nicht mehr getan)
Und
was war daran jetzt schön? Eigentlich nichts, dafür war es zu
versaut und tourbusmuffig. Nett? Nett ist der kleine Bruder von
Scheiße. Skuril? Vielleicht am ehesten. Tim von ASH ist doch eine
kleine Wurst, Bramis Locken sehen wirklich so cool aus, meine
Schwärmereien für ihn und Jan Dirk von den DONOTS haben sich
bestätigt und halten bis heute.
Wirklich skuril. Skuril auch manche
menschlichen Verhaltensweisen, die in den paar Quardratmetern, in
denen man sich andauernd gemeinsam aufhält, zu Tage treten. Nach der
Ankunft im Club als erstes beim vollkommen verdutzen Betreiber
Kamillentee ordern. Menschen, die man von der Bühne aus bewegen und
zum Lachen bringen kann. Mal den Rock´n Roll Lifestyle aus einer
anderen Perspektive betrachten zu können. Jeden Tag hunderte
Kilometer weiter über Autobahnen rollen, jeden Abend in einem
anderen Bett schlafen. Aber das hier ist kein Urlaub. Man stinkt, es
stinkt. Da kann man noch so oft Duschen gehen. Abends Clubmuff,
morgens Katermuff, tagsüber Tourbusmuff. Im Zweifel schafft es ein
Furz von Hilly, alles zunichte zu machen. Fiepen in den Ohren, weil
Holger lauter rülpst als Armin von den BEATSTEAKS aus den
Tourbusboxen schreit (vielleicht lag es auch an den Dezibel vom Abend
vorher, das kann man nun nicht mehr so genau sagen). Blaue Flecken an
ungezählten, unbenannten Stellen. „Männern“ zeigen, dass auch
eine Frau eine Bassbox schleifen kann. Zusammen Musik von anderen
abfeiern und die eigene jeden Abend produzieren. Endlich der Frage
auf die Spur kommen, was eigentlich wirklich im Backstageraum
passiert. Was ist ein Soundcheck? Und hält Gaffa die Welt wirklich
zusammen? Besser als die Sendung mit der Maus oder eine andere
Reportage. Denn ich war live dabei. Ich durfte live dabei sein.
Wir
werden alle nicht jünger. Wir haben alle nur eine gewisse Zeit, um
gewisse Erfahrungen machen zu dürfen, bevor der Deckel ein letztes
Mal geschlossen wird. Musik leben, so intensiv, das schafft doch die
größte CD- Sammlung nicht zu ermöglichen. Nicht einmal im Ansatz.
Ich war mal Pseudorockstar. Menschen die das mal nicht sein wollten,
können nicht normal sein.
Es war doch Urlaub.
Alles, aber günstig. Nicht an irgendeinem doofen Strand verschimmeln
und trotzdem das Gehirn frei pusten. Weg sein, unterwegs sein. Musik
machen, Emotionen ergreifen, erzeugen, auffangen, erleben, mitnehmen.
Das zu beschreiben, was auf Tour wirklich ALLES passiert.... schwer.
Es gibt drei gedruckte Tourtagebücher, die ich wärmstens empfehlen
kann. Meine ganze Geschichte bleibt in meinem Kopf.
Mama hat immer gesagt:
„Steige nie zu fremden Männern ins Auto.“ Ich bin zu sieben
fremden Männern ins Auto gestiegen und habe ihnen sogar jeden Abend
einen geblasen. Auch ich habe meine Lehren daraus gezogen: Ich würde
es immer wieder tun!!!
Hilly an einem Dienstag
in Köln- Mühlheim zum Abschied : „Jule, du bist die unweiblichste
Person, die ich je kennen lernen durfte.“ Das blieb kleben und darf
es auch.
Danke, dass ihr mir all
dies ermöglicht habt.
P.S.: Einige Wochen nach
der Tour war ich abends unterwegs zum Tanzen. Auf einmal lief im Club
ein Song von Pale. Ich freute mich und schwang das Tanzbein. Während
ich dies tat, kam ein Kerl auf mich zu tippte mir auf die Schulter
und schrie mir ins Ohr, er habe sich den Song für mich gewünscht,
er hätte mich spielen sehen. Ich tanzte weiter. Erst später machte
mich meine Begleitung darauf aufmerksam, dass das wohl eine Anmache
war. Ich hatte sie verpasst. Was stört man mich auch beim Abfeiern
von guten Zeiten?
Ende
Hier
gibt es noch eine kleine Anekdote zum gleichen Thema aber sehr auf den
Song "Hello Lucky Thing" bezogen. Denn der passte damals einfach.
Vor einigen Jahren zog ich mal in einem Plattenladen in Köln eine echte Rarität aus der Second Hand Kiste:
Ich konnte es erst nicht glauben. Doch auf der Rückseite konnte jede Verwechslung ausgeschlossen werden:
Eine gute Entwicklung. Das Ding ist definitiv eines meiner Goldschätzchen, auch wenn ich im Veröffentlichungsjahr (1994) definitiv noch zu jung oder zu uncool war...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen