Donnerstag, 22. Februar 2018

Perfekt unperfekte Tasche


 Taschen kann man ja nie genug haben. Finde ich. Kürzlich musste ich feststellen, dass ich wirklich keine Tasche hatte, die meinen Ansprüchen an "alles für die Zugfahrt Notwendige muss ins Handgepäck" hatte. Also habe ich vor einer Tour schnell eine gezaubert. Und ich hatte da mal wieder so richtig Lust, mich wild durch meine alten Stoffschätze zu wühlen. Eine alte Gardine außen, eine alte Tischdecke innen. Den Schnitt hatte ich selbst ausgetüftelt. Eben auf meine Bedürfnisse zugeschnitten. 


 Innen eine kleine Reizverschlusstasche, für die Kleinigkeiten. Auf Perfektion habe ich da schon beim Nähen geschissen. Ich hatte einen Riesenspaß daran, sichtbare Nähte einfach mehrfach "nachzuziehen", kreuz und quer. Ganz im Sinne der Eltern des punkigen DIY- or die! Das Unperfekte nicht nur tolerieren, sondern bewusst erzeugen. Und das unverschämterweise auch noch gut zu finden. Ich war mit meinem Endergebnis so schon sehr zufrieden.



 Wie das mit alten Stoffen aber so ist, haben die manchmal so ihre Spezialeffekte. Kleine Risse und Löcher. Eigentlich hatte ich beim Zuschnitt teuflisch darauf geachtet, drumherum zu schneiden. Schließlich sollte die Tasche ja schon stabil werden und einige Zeit halten. Aber so ganz geglückt ist mir das nicht. Das fiel mir auf der Tour auf. Doch Nachbessern ist ja keine Schande. Ich muss dafür auch nicht mein unaufmerksames Auge kritisieren. Kam mir in keiner Sekunde in den Sinn. Unperfektionismus rockt!



 Ich habe das Stopffüßchen auf die Maschine geschraubt und einfach mal drauf los getackert. In rot. Ordentlich sichtbar. Durch Oberstoff und Futter. Um den Patch herum hat mich das am Ende ein bisschen an den antroposophischen Galgen erinnert. Ich musste ein bisschen kichern.


 Es fällt leider fast nicht auf. Aber im Herzen springt es. Ein bisschen habe ich mich geärgert, dass ich die Abstepper beim Nähen vorher nicht auch in kontrastierendem Garn genäht habe. Aber was solls.


 Irgendwann ist auch mal dieses famose Buch aus meinem Studium darin gelandet. Zum Auffrischen von altem Wissen. Darin das Konzept der kontradiktischen Beratung, in der es in groben Umrissen darum geht, aus Scheiße Gold zu machen (der Autor spricht von saurer Milch zu Quark, aber das war mir nicht vegan genug). Eben die Fehler und Makel als Potential für etwas Neues zu nutzen. Hoppla! Sonderpädagogik, Punk, alter Material und Handarbeit. Das Sabotagekaninchen nicht zu vergessen. Eine fabelhafte Kombination.


 In diesem Sinne: Nehmt die Macken/ Makel/ Spezialefekte. Versteckt sie nicht, nutzt sie. Sprecht darüber. Rahmt sie ein. Macht die Welt bunt. Reparieren ist keine Schande, sich dazu Hilfe zu holen ebenso wenig. Irgendwo gibt es immer Verbündete. Und was für ein wirrer Beitrag das aus dem Hause Frau Jule schon wieder geworden ist. Ich geh Kuchen essen. Vielleicht politisch, in einer Welt in der alles auf pure Perfektion fokusiert ist. Gewollte Nichtperfektion als Sand im Getriebe. Die Buntness nicht zu vergessen. Donnerstagssammlung noch. So.

6 Kommentare:

  1. Perfekt wirr und unbedingt nachzuahmen! Ein wunderbares Plädoyer und ein Ergebnis zum Habenwollen! danke für deine Frische!
    dörte

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    1. ich danke dir uns sage: gerne und immer wieder ;)
      liebe grüße,
      jule*

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  2. Das Sabotage-Kaninchen macht sich verdammt gut auf dieser tollen Tasche! (Tatsächlich bin ich gar kein so großer Taschen-Mensch. Ich hab ein paar Jutebeutel und zwei Rucksäcke, die für Wochenendtrips perfekt sind und ehrlich gesagt hört es da auch schon fast auf. :D)

    Liebe Grüße
    Sabrina

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    1. ich bin schockiert! taschen! alle brauchen taschen. bergeweise. zu jedem outfit die passende. das ist bei mir meistens das argument, weshalb ich eine neue brauche *lach*
      liebe grüße,
      jule*

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  3. Perfekte Tasche.
    Ich nähe auch immer mit kontrastierendem Faden. Man darf ruhig sehen, was man genäht hat.
    Auf das alte Stöffchen bin ich ja fast neidisch, Tischdecke halt, perfekt.
    Buntness hast du schön gesagt.
    Bunte Grüße in die Tasche steck,
    Angela

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