Donnerstag, 30. Januar 2014

Musikdonnerstag: JIMMY EAT WORLD- "Clarity"


 Immer (oder meistens) Donnerstags stelle ich ein Album vor, welches in meinem Leben eine prägende Rolle meiner musikalischen Sozialisation gespielt hat. Wer mitmachen mag, ist natürlich herzlich eingeladen und darf einen Kommentar hinerlassen, weil ich so furchtbar neugierig bin, was andere so hören. In den folgenden Wochen soll es um diese Alben gehen:

Meine Top 20 Alben aller Zeiten
The Beatles- A Hard Days Night (1964)
Cat Stevens- Mona Bone Jakon (1970)
Die Ärzte- Die Ärzte Früher! Der Ausverkauf Geht Weiter (1989)
Red Hot Chili Peppers- Blood Sugar Sex Magic (1991)
System Of A Down- Toxicity (2001)
Sick Of It All- Scratch The Surface (1994)
Jimmy Eat World- Clarity (1999)
Juliana Theory- Emotion Is Dead (2000)
Pale- How To Survive Chance (2002)
Boysetsfire- After The Eulogy (2000)
Kristofer Åström- Northern Blues (2001)
The Appleseed Cast- Lost Songs (2002)
Kettcar- Du und Wieviel Von Deinen Freunden (2002)
Tomte- Hinter All Diesen Fenstern (2003)
Dredg- Catch Without Arms (2005)
Deftones- White Pony (2000)
Thrice- The Artist In The Ambulance (2003)
Friska Viljor- Bravo (2006)
Captain Planet- Wasser kommt Wasser Geht (2007)
Casper- XOXO (2011)

JIMMY EAT WORLD- Clarity (1999)


 Okay, jetzt kommen wir auf meiner Liste langsam zu der Musik, mit der ich anfing, Musik wirklich bewusst wahrzunehmen, bewusst auszuwählen, auf die Jagd nach ihr zu gehen, abzufeiern, in sie einzutauchen und sie weniger als Hintergrundbetüdelung in meinem Leben zu betrachten. Und irgendwie entdeckte ich das, was mich bis heute musikalisch wirklich berührt. Nein, ich mag alle Sachen, die bisher beschrieben wurden wirklich gerne, finde sie großartig und sie spielen eine wichtige Rolle in meinem Leben. Allerdings habe ich sie nicht für mich entdeckt. Alles was bisher war, wurde mir quasi vor die Füße geworfen und ihren wahren Wert eigentlich erst in der Rückschau schätzen gelernt.
  Wer meinen Musikgeschmack nachhaltiger geprägt hat, war ein (heute immer noch großes) deutschsprachiges Musikmagazin. Eben jenes präsentierte auch die -meiner Meinung nach- großartigste Musiksendung auf dem damals noch existierenden Musiksender Viva 2: 2Rock. Niels Neumann und Tanja Mairhofer sollten mit ihrer abendlichen Sendung meinen Musikgeschmack massiv prägen. Den Beginn machen an dieser Stelle aus Gründen der Chronologie JIMMY EAT WORLD mit "Clarity". Eigentlich ist auch dies ein Album das ich gar nicht so genau mit Worten fassen kann. Sollte ich über dieses Album alle zwei Jahre einen Text verfassen, so würde in diesem Text wohl jedes Mal etwas anderes drin stehen. (Okay, auf diesen Versuch möchte ich es ehrlich gesagt nicht ankommen lassen.) Was möchte ich also heute dazu sagen? Definitiv mag ich an JIMMY EAT WORLD die poppigen Züge, ohne dass sie anbiedernd wirken und einem mit zu einfachem zuckersüßem Zeugs die Ohren zukleistern. Eingängige Melodien und Texte, gut zum Tanzen und Mitsingen. Klassiker hierzu: "Lucky Denver Mint". Aber es gibt dann auch wieder diese andere Seite, dieses etwas Ungehobelte wie zum Beispiel "Your New Aesthetic". Klingt schon fast böse. Und dann so Dinger wie "Believe In What You Want". Was wären FRANZ FERDINAND ohne diesen Rhythmus? Also später dann und so.
  Und die Klarheit der Gitarre hier und dort und zum Beispiel in "12.23.95". Fantastisch ist auch die Auswahl der Songabfolge. Es geht flott los, wird dann verträumter, ruhiger und klarer um einen dann kurz vor Schluss mit "Blister" noch mal richtig aus dem Koma zu reißen. So richtig ruhig endet es ja auch nicht. Allerdings muss ich sagen, dass ich das 13- minütige (!!!) Outro von "Goodbye Sky Harbor" meistens etwas nervenzehrend finde. Zumindest immer dann, wenn ich nicht gerade im Zug aus dem Fenster starrend meinen Gedanken hinterherhänge und JIMMY EAT WORLD zur Hintergrundbemalung verkommen sind.
  Den Textinhalten stehe ich seit einigen Jahren etwas kritisch gegenüber. Grundsätzlich sind sie zunächst ja auch nur einfach großartig, emotional und ebenso klar, wie die Gitarren. Das passt sehr gut zusammen. Allerdings beschäftige ich mich seit einigen Jahren in meinem Kopf immer wieder mit der Rolle der Frau in der Pop- und Rockmusik und in diesem Zusammenhang kann man die meisten Bands eigentlich getrost in die Tonne treten. Erträglich wird es erst, wenn der Kopf es schafft, die Protagonisten vom Geschlecht getrennt zu betrachten. Ansonsten sind dass alles meistens eher "Böse- Fingerzeig- Songs" auf das weibliche Geschlecht, weil das immer (!!!) das männliche verlässt und leiden lässt. Ebenso sind die Mutmachsongs dann ja auch eher dem männlichen Geschlecht zugewandt. Irgendwie bin ich mit dem Geschlechterkram da noch nicht so ganz zufrieden. Im Zusammenhang mit Texten fällt mir das immer am ehesten in der Welt des Emo (zu der ich JIMMY EAT WORLD zählen will) auf. Mal ganz abgesehen davon, dass es in der "coolen" Musikwelt seltsamer Weise eh kaum musikmachende Frauen gibt.... Okay, zurück zum Album.
  JIMMY EAT WORLD begleiten mich schon recht lange durch mein Leben und sind wohl die Band, die ich zwar vom TV vor die Füße geworfen bekam, die ich dann aber weiter selbst verfolgen musste, um sie genießen zu können. Keiner konnte sie mir auf Tape aufnehmen oder die CD brennen, mit niemandem konnte ich über sie reden. Am Anfang dieser Liebe standen also JIMMY EAT WORLD und ich recht alleine. Vielleicht hat und das so sehr zusammengeschweißt. Erst einige Jahre später lernte ich Menschen kennen, die meinen Musikgeschmack teilten. Daraus entwickelten sich noch weitere großartige Geschichten. Herrn Holzwurm und um eine Ecke auch Herrn Fussel lernte ich so kennen und viele andere Menschen, die mich wahrhaft beeinflusst haben. Geschichten, die es nicht zu vergessen und immer wieder erzählen gilt zog die Liebe zu dieser Band nach sich. Eigentlich eine seltsame Entwicklung, denn normalerweise läuft das ja andersrum. Peergroup prägt Musikgeschmack. Glaube ich zumindest. JIMMY EAT WORLD begleiteten mich in meine erste WG, nach Frankfurt zum Studium, in alle möglichen Städte in Europa, durchs Studium, auf diversen Zug- und Autofahrten, untermalten nächtliche tiefgründige WG- Küchengespräche, zogen mit nach Krefeld und dann nach Hamburg. Ein paar Mal habe ich sie live gesehen. Bis sie mich auf einem Konzert in Köln mit einer unglaublich schlechten Show wirklich enttäuscht haben und auch die neueren Alben lösten bei mir nicht mehr diese Euphorie aus wie alle bis inklusive "Bleed American". Irgendwas war passiert. Meine JIMMY EAT WORLD sind das heute nicht mehr. Evtl. sind sie schneller gealtert als ich oder wir haben uns einfach auseinander gelebt. Heute betrachte ich sie oftmals wie in einem alten Fotoalbum. "Static Prevails", "Clarity" und "Bleed American" sind Alben, die immer einen festen Platz in meinem Musikherz haben werden, die mich trösten und aufbauen, mich erinnern wer ich einmal war und wer ich nie sein will. Und wenn ich dann zu "Blister" mehr mitgröhle als -singe, dann sind sie die Freiheit und die ist immer das Wichtigste.

Und welches war die erste Band, die euch in die musikalische Selbständigkeit trieb?

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