Dienstag, 18. Juli 2017

CSD-Blogparade: Homo Sweet Homo


 Und über die Welt zieht gerade eine bunte Regenbogenkaravane. Überall laufen die bunten CSD-Paraden. Seit dem 28.06. auch durch die Bloggendenwelt. Ich habe mich so sehr gefreut, als Katrin von grüner nähen in meinem Mailfach anklopfte und fragte, ob ich gerne an der CSD-Blogparade teilnehmen möchte. Ich habe bereits zum Thema staatliche Diskriminierung etwas losgelassen und ein paar Bilder von der CSD-Parade in Köln gezeigt. Heute ist aber mein hochoffizieller Paradenbeitrag dran.


 Zu Beginn war die Idee noch, das Thema mit etwas Selbstgemachtem zu verknüpfen. Die Idee wurde im Laufe der Zeit etwas aufgehoben. Eröffnet ja auch viel mehr Türen und lädt noch viel mehr Menschen ein, über dieses Thema zu schreiben. Ich habe natürlich etwas gehandarbeitet. Erinnert ihr euch noch an das sinnlose Einhorn? Ich habe das einfach mal ein bisschen weitergesponnen.


 Tatsächlich ist dieses Bild schon verschenkt an einen äußerst lieben Menschen. Ich habe einige seiner "Art" in meinem Leben getroffen und immer haben mich ihre Geschichten bewegt. Bei einigen war ich live bei Diskriminierung, Outing und sonstigem Quatsch, der ihnen aufgrund ihrer Liebe passierte dabei. Eigentlich sollten es Geschichten von Liebe, Sex und Zärtlichkeit sein, doch so viele von diesen Geschichten standen unter tiefschwarzen Schatten. Sie sollten Privatsache sein, doch sie sind Politikum. Diskriminierung, Angst eben davor, Verzweiflung und Mutlosigkeit habe ich dabei stapelweise mitbekommen. Ich habe Menschen die Hand gereicht, die unter einem so großen Leidensdruck standen, dass Drogen, Selbstzerstörung und suizidale Tendenzen das Leben bestimmten. Und nein, nicht wegen Liebeskummer, sondern aus Angst vor Reaktionen auf ihre Liebestendenzen. Weil sie von Familienmitgliedern verstoßen wurden, weil sie nicht ernst genommen wurden, weil ihre sexuelle Orientierung nicht ins Konzept passt. Und auch, weil Politik in Deutschland verhindert, dass Menschen, die nicht der Heteronorm entsprechen, von Ehe, Familiengründung und selbstbestimmter Lebensplanung ausgeschlossen wurden (aaahhhh!!! ich darf wUrden schreiben-yay!). Ich habe Menschen begleitet, die wegen ihrer sexuellen Orientierung ernsthaft und lebensbedrohlich psychisch krank wurden, weil ihre sexuelle Orientierung von vielen Menschen unserer Gesellschaft immer noch als krank (und vermutlich ansteckend) wahrgenommen wird. Und spätestens bei Lebensbedrohung wird es hochdramatisch.


 All diese diskriminierenden Tendenzen empfinde ich als überaus kleinbürgerlich, ewiggestrig, konservativ. Ähnlich wie Kreuzstich. Darum war es mir eine große Freude diesen spießigen Kreuzstich und das spießige "home sweet home" einfach mal umzudrehen und als kleine Persiflage umzusetzen. Beim Sticken dachte ich an all die Menschen, die sich nicht wohl in ihrer Haut fühlen, weil sie die oben genannten Ängste und Befürchtungen haben, weil sie für ihre Liebe durch die Hölle gehen müssen, weil sie immer noch Ausgrenzung und Beschneidung ihrer Rechte und Träume ertragen müssen. Und ich dachte daran, dass ich gar nicht genug Hände habe, die ich reichen möchte. Mit diesem Bild möchte ich sagen: Ihr seid in Ordnung, egal wen ihr liebt, mit wem ihr Sex habt, wie ihr euch kleidet, zu welchem Geschlecht ihr euch zugehörig fühlt. Seid Menschen und liebt wen ihr wollt!


 "We are not all the same but we are all of equal worth" (Wir sind nicht alle gleich, aber wir haben alle den selben Wert) steht auf dem fabelhaften Shirt, das die Menschen von inkluWAS vergangenes Jahr zum Hamburger CSD gestaltet haben. Und genau so ist es. Inklusion geht eben nicht nur behinderte Menschen an, sondern betrifft so viele mehr. Da schließt sich der Kreis zu meinem Aktionsraum. Auch an noch so vielen anderen Ecken und Enden mehr, aber dazu ein anderes Mal. Das sinnlose Einhorn hat somit eine Existenzberechtigung bekommen. Der Rahmen stammt vom Trödel. Heute geht all das noch in die CSD- und der Dienstagssammlung.

6 Kommentare:

  1. Wenn ich deine Beschreibung deiner Erlebnisse mit Menschen anderer sexueller Orientierungen lese, dann merke ich, in welch privilegierter Situation ich engen Kontakt bekommen habe. Da waren sogar ein paar überraschende Entwicklungen dabei, die ich so nie erwartet hätte. Undin einem Fall haben wir dann den Familienersatz übernommen, weil die Ursprungsfamilie "ausgestiegen" ist.
    Wir haben in der Nachbarschaft ein sehr altes Männerpaar, das in den 40 Jahren geliebt, geschätzt und unterstützt wurde - aber vielleicht bist das eben auch typisch für Köln.
    Die spießige Kreuzstichelei in diesem Zusammenhang ist herzerfrischend!
    Liebe Grüße von
    Astrid,
    Die jetzt hier liegt und auf ihre OP wartet...

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  2. Ach, schön geschrieben! Und das Stickbild gefällt mir natürlich auch richtig gut :D
    Hier in England hab ich das Gefühl, daß die Allgemeinheit bei dem Thema schon ein bißchen weiter ist (zumindest ein paar Jahre - beim Gesetz ja auch). Persöhnliche Geschichten kenne ich nicht, aber es gibt Regenbogen-Veranstaltungen an der Uni und sogar in Banken hab ich Fahnen hängen sehen.
    Liebe Grüße
    Janina

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  3. Liebe Jule, ich danke Dir sehr für Deine Zeilen, den Einblick in Deine klugen Gedanken und natürlich: Das wunderbare Stickbild! Ich finde auch: Es gibt kaum einen Handarbeitsrichtung, die so sehr vorurteilsbehaftet ist. Und gerade deshalb eignet sie sich so sehr dafür, Konservatives aufzudecken und aufzubrechen. Das hast Du (mal wieder!) total wunderbar gemacht. Ganz herzliche Grüße und nochmal Danke! Karin

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  4. Zunächst möchte ich all das unterschreiben, was du da geschrieben hast. <3 Liebe (und jetzt auch die Ehe!) ist für alle da!
    Ich bin gespannt, wo jetzt der Rest der rechtlichen Geschichte so hingeht. Und hoffe, dass sich tatsächlich was verbessert!

    So. Und dann liebe ich dein Stickbild. Das ist einfach so so großartig. <3

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  5. Großartig, deine gestickte Persiflage auf biederes Bürgertum! Und das T-Shirt einfach klasse (habenwill). Deine Gedanken zum Thema sowieso. lg, Gabi

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  6. Ehe ist für mich der Ausdruck von bedingungsloser Liebe, Zusammenhalt und in gewisser Weise auch Einheit. Menschen diese Möglichkeit, ihre Liebe auszudrücken nur weil sie eben nicht der Norm entspricht, abzusprechen, finde ich ganz und gar nicht gut. Alleine schon, dass man immer noch nicht richtig "verheiratet" ist, sondern in eingetragener Partnerschaft lebt... diese Trennung sollte aufgehoben werden.
    Dein Stickbild find ich, aus den gleichen Gründen wie alle andere, phantastisch!!

    LG, Daniela

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