Ich habe diese Woche endlich so eine Garderobe mit Hutablage gefunden. Die Geschichte wie ich dazu kam und ein paar andere Geschehnisse diese Woche, haben mich denken lassen. Die Garderobe habe ich von einer Haushaltsauflösung hier bei mir um die Ecke. Zwei junge Männer waren gerade dabei eine alte Waschmaschine in einen Sprinter mit dem Aufdruck einer Haushaltsauflösungsfirma zu wuchten. Neben dem Auto ein Riesenberg anderes altes Zeug. Darin diese Garderobe. Ich fragte, ob ich die haben könne. Sie meinten, ich müsse den Chef fragen. Der sei oben im ersten Stock in der Wohnung, ich könne einfach hochgehen. Jedoch solle ich mich aber nicht wundern, die Wohnung würde etwas streng riechen, darin hätte jemand sechs Monate lang tot gelegen.... Im Hausflur sah ich noch einen Rollator stehen. Das ist hier direkt bei mir um die Ecke passiert, in einem Eimsbütteler Altbau. Da wo alle wohnen wollen und die Mieten entsprechend hoch sind. In welcher Welt leben wir eigentlich? Die Garderobe habe ich trotzdem mitgenommen. Meine ertrödelten Schätze kommen öfter von Haushaltsauflösungen...
In meinem alten Haus lebte auch ein sehr alter Mann. Mit Hilfe des Rollatros schaffte er es gerade noch so bis zum 300m entfernten Supermarkt. Ich habe regelmäßig mit ihm ein Schwätzchen gehalten. Hilfe hat er immer vehement abgelehnt, auch wenn das für ihn hieß, seine Einkäufe in den dritten Stock tragen zu müssen. An ihn musste ich denken. Ich weiß nicht, wie es ihm geht, ob er noch lebt. Ich bin vor zwei Jahren aus diesem Haus ausgezogen. Er war darüber damals sehr betrübt. Ich habe es verbasselt, ihn zu fragen, ob wir uns trotzdem hin und wieder treffen wollten... Ich habe nicht weiter geholfen.
Seit gestern bin ich jetzt auch alleinige Leiterin eines Jugendtreffs für Jugendliche mit Behinderung. Es wird schwer einen Nachfolger für meinen Kollegen zu finden, der nach seinem langen Studium nun seinen ersten Job antreten wird und den Jugendtreff deshalb aufgeben musste. Ich finde es doof, dass er geht, kann ihn aber verstehen. An die Leitung des Jugendtreffs bin ich gekommen, weil ich dort regelmäßig mit einem Betreuungskind zu Besuch war, das ich neben meiner Arbeit betreut habe. Irgendwann lief diese Betreuung aus und ich habe einfach dort weitergemacht, denn schon vor mir suchte man lange nach einer zweiten Leitung. An allen Enden fehlte es den Menschen lange an Zeit oder was auch immer, um etwas zu tun.
Und nun schwappt an vielen Orten die Hilfsbereitschaft hoch. Ich fragte mich nur kurz warum, aber eigentlich ist es klar und es ist auch gut. In Hamburg ist die Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge mittlerweile so groß, dass man für einige Angebote wochenlang auf Antworten und Termine warten muss. Das ist super und ich möchte hier auf keinem Fall irgendwem an den Karren pissen. Ich wollte auch dort etwas tun, habe aber neben der Arbeit und dem Jugendtreff einfach keine Zeit mehr. Meiner Klasse habe ich dann vorgeschlagen, ein Kinderfest in einer Flüchtlingsunterkunft zu organisieren. Arbeit mit Helfen verbinden, erschien mir die einzige Möglichkeit. Meine Klasse war sofort begeistert von dieser Idee. Bereits in den Ferien hatte ich einige Unterkünfte angeschrieben und warte noch auf Antwort. Auf vielen Homepages ist bereits angekündigt, dass aufgrund der großen Hilfsbereitschaft mit langen Wartezeiten im Hinblick auf Antwort zu rechnen ist. Derweil sitze ich hier und würde mir so sehr wünschen, dass einige Menschen auch vorher mal nach rechts und links geschaut hätten. Dann hätte kein Mensch sechs Monate tot in einer Wohnung liegen müssen, würden Menschen mit Behinderung und/oder Migrationshindergrund vielleicht nicht mehr vor den Hindernissen (in den Köpfen und Gebäuden) stehen, vor denen sie noch stehen und vielleicht wären ein paar mehr Münzen in den Behältnissen der Obdachlosen... Ich fühle mich dabei immer noch hilflos. Achtet auf eure Schritte. Es ist schön dass jetzt geholfen wird, macht bitte weiter. Und falls es mit den Antworten länger dauert: Sicherlich ist auch direkt um die Ecke jemand, der Hilfe braucht. Einfach mal fragen. Irgendwo muss man schließlich anfangen.
Und falls irgendjemand Lust hat, mit mir in Hamburg einen Jugendtreff für Jugendliche mit Behinderung zu leiten: Bitte gerne bei mir melden. Eine heil-, sozial- oder sonderpädagogische Ausbildung braucht es dafür nicht, nur ein bisschen Herz.
Oh, da krieg ich auch immer so nen Kloß im Hals, wenn ich sowas lese. 6 Monate? Und keiner merkt was? Keine Freunde, keine Familie, die Nachbarn wohl erst wenns stinkt? Puh, das wünsche ich keinem...
AntwortenLöschenIch finde es wunderbar, dass ich Hamburg so viele helfen wollen, das habe ich von dieser Stadt nicht anders erwartet. Bei uns im Süden schreitet es mit der Hilfsbereitschaft langsamer voran. Zwar haben wir Gott sei Dank kaum pöbelnde Nazis (aka "besorgte Bürger"), aber man hält sich doch lieber dezent zurück... Schade. Ich habe mich noch nie nützlicher gefühlt als beim Spenend sortieren in einer Lagerhalle.
Du bist sozial schon sehr aktiv. Ich würde dir gerne mit deiner Einrichtung helfen, aber obwohl Berlin gleich um die Ecke liegt...
AntwortenLöschenDie Augen auch mal auf die Nachbarn zu richten, kommt in unseren Großstädten leider immer seltener vor. Ich empfinde es eher so, als würde gerade jeder nur an sich selber denken. Teilen mit Menschen denen es nicht gut geht, das geht mal gar nicht. Aber vielleicht sehe ich es auch nur nicht, bin selber komplett blind...
Du hast mich nachdenklich gemacht,
Andrea
Hallo Jule
AntwortenLöschenauch ich stehe immer wieder vor der Hilflosigkeit wie Du sie beschreibst .Auch mir gehen alte Menschen immer sehr ans Herz und wir haben hier auch so einen alten Herren unter uns .allerdings eher einen von der schwierigen Sorte .Ich gucke jeden Tag ,ob er seine Post rausgenommen hat ,weil manchmal sehe ich ihn tagelang nicht .Und ich rege mich regelmässig über die Obdachlosenpoltik in Hamburg auf .leider rücken die Obdachlosen jeden Tag mehr in den Hintergrund aufgrund der Flüchtlinge
Nicht einfach ,aber von unserer Seite auch kaum zu ändern.
Vielleicht solltest Du einfach mal an Deinem alten Haus vorbei gehen und so Gott oder wer auch immer will ,einfach mal Hallo sagen
Gruss Kerstin
vermutlich hast du recht. ich sollte vorbei gehen... er war übrigens auch nicht gerade "mein typ". aber ich konnte das aufgrund von generationenunterschieden gut wegstecken. manchmal muss man bei so etwas auch über seinen schatten springen.
Löschenliebe grüße,
jule*
Aus Bayern kann ich dir leider nicht helfen, sonst würde ich das SOFORT machen. Find ich eine großartige Sache und als Mama von einem Lausbub mit Behinderung weiß ich, dass es grundsätzlich an lieben Menschen mangelt, die solche Einrichtungen, Vereine oder ähnliches unterstützen und sich einbringen. Hoffe dein Schuljahr hat gut angefangen.
AntwortenLöschenLiebe Grüße, Angela