Freitag, 21. April 2017

Politisiert euch! Gastbeitrag von Frau Postriot

 Hui! heute gibt es einen Gastbeitrag zu meinem Politisierungsaufruf. Keine Geringere als Frau Postriot (!!!) hat in die Tasten gehauen. Die Bilder stammen heute auch von ihr. Ich freue mich so sehr darüber und dankedankedanke ihr. Vor allem, weil sie nochmal ein bisschen mehr Subkultur in die Sammlung mitbringt und eben nicht aus Bloggendensicht schreibt. Und weil sie selber eine so schöne Einleitung geschrieben hat, bleibt mir nicht viel mehr übrig, als ihr heute die Bühne zu überlassen. Vorhang auf:

Politisiert euch – oder warum DIY und Selbermachen auf jeden Fall politisch ist!

 Ich- Frau Postriot- habe keinen Blog- also kann Frau Jule mich auch nicht verlinken. Ich hab keinen Blog, weil ich das komisch finde, ständig zu überlegen, was ich von mir preisgeben will oder auch nicht, ich schreibe hin und wieder in analogen Magazinen und das reicht mir eigentlich. Aber bei dem Aufruf- liebe Frau Jule- konnte ich nicht anders… ran an die Tasten.


 Frau Postriot- damit fängts ja schon mal an... warum eigentlich „Nach den Aufständen“? Vielleicht ein bisschen Vorgeschichte. Ich hab das Glück von „Joy of Aging“ (danke liebe Frau Rösinger!), bin in einer Zeit aufgewachsen, als Subkultur noch Subkultur war und kein Modetrend bei Hannes und Mäuschen, das Problemchen war nur, Subkultur war irgendwie für Jungs. Klamottentechnisch ging es, wenn man Gruftie war, okay Punk ging über bunte Haare, aber viele Klamotten gab es irgendwie nur in XXL- vor allem Shirts. Wollte man also irgendein Erkennungszeichen mitmachen, z.B. cooles Shirt von cooler Band, musste frau sackartig rumlaufen oder es halt passender machen. Keine Kritik an allen Menschen, die gerne sackartiges tragen, ich mag es halt gerne anders und da ich keine „DIN-Normgröße“ habe, wie wahrscheinlich 95% aller Anderen auch nicht, saß ich früh mit Nadel und Faden da und machte es halt selbst für mich passend. Außerdem wollten wir uns ja auch abgrenzen und dass Beste war halt, man griff selber zur Handarbeitskiste von Oma, da fand sich alles um kreativ zu werden.

 Ich bin auch der festen Überzeugung, dass diese Kreativität sich nicht nur auf die Hände auswirkt, sondern ein bisschen Kreativität auch immer nach oben ins Hirn sickert. Apropos abgrenzen: ein echtes Highlight meiner Schulzeit war, dass ich auf dem Flohmarkt eine damals bei Poppern (das waren die, die wahnsinnig viel Geld für Klamotten ausgaben, um damit wahnsinnig zu protzen, für wie viel Kohle sie Klamotten tragen – ein Phänomen was bis heute bei mir nur zum Schmunzeln reicht) unglaublich angesagte Jeans für „ne kleine Mark“ ergattert hab, die Hose saß prima, ich sie also mitgenommen, das extragroße Schild von der Tasche abgemacht (es war noch eins an der Vorderseite – tsts) und einen wundervollen Aufnäher draufgepackt ;) Ergebnis: eine meiner Mitschülerin (Popperin) fragte mich ob ich den Verstand nun endgültig verloren hätte, ich kann doch dieses großartige Zeichen nicht von der Hose entfernen und mit so einem hässlichen Sticker versehen, das ist doch alles Politpropaganda! Ganz genau- das ist es, jeder konnte auf meinem Arsch erkennen, was ich von diesem Markenwahn hielt- nämlich nix!


 Und nun nochmal zurück zur Postriot- nach meiner Schulzeit beschäftigte ich mich außer mit dem Erlernen eines Handwerkes (was mir bis heute hilft, zu begreifen, was der Wert von Dingen ist- und wie lange man für die Herstellung von Schönem (und auch Nichtsoschönem) braucht) viel mit Musik. Ich organisierte Konzerte und versuchte auch Räume zu schaffen, wo alle einen schönen Abend haben konnten, ohne Rassimus und ohne Sexismus, aber halt auch für die, die nicht so viel Kohle hatten, weil das Einkommen sollte doch keine Eintrittskarte darstellen zu kulturellen Dingen.
 Zu der Zeit hab ich auch angefangen, selber Shirts zu bedrucken, solche die es auch in allen möglichen Größen gab, nicht nur in schwarz und XL, sondern eben auch in Bunt. Ich freue mich bis heute, wenn ich ein hübsches Shirt tragen kann, auf dem „Refugees welcome“ draufsteht.
 Zu der Zeit habe ich begonnen, Buttons selber zu machen. Kennt ihr noch, oder- die kleinen runden Anstecknadeln ;). Es gab zu der Zeit nicht so viele Möglichkeiten welche zu bekommen und so haben wir die selber gemacht. Was soll ich sagen, es war der Renner. Immer mehr befreundete Bands fragten, ob wir welche für sie machen und auch entwerfen, weil hübsche Buttons eben auch toll sind. Ich hatte also irgendwann mal ein kleines „Button-Imperium“. Das brauchte einen Namen- und daher Postriot. Zu dem Zeitpunkt hab ich auch viele Buttons mit konkreten Forderungen gemacht- Stopp Seximus zum Beispiel. Und ich hatte und hab bis heute die Idee, wenn wir diese Zeiten überwunden haben, wir uns also Postriot befinden, dann können wir uns nur noch mit den schönen Dingen beschäftigten und Buttons tragen, die nur noch hübsch sind. Gut, das mit dem Überwinden wird dauern und zur Zeit ist ja mehr Rückschritt als Fortschritt, aber trotzdem bleibt die Vision in meinem Augen die Richtige.

 Es gab und gibt noch einen weiteren Grund für diese selbsthergestellten Buttons- Stichwort Sichtbarmachen! Bis heute ist gerade in der Musik und Subkultur doch die männliche Dominanz mehr als sichtbar, gerade aber in den 90er Jahren gab es mit der RiotGrrrl Bewegung (und ich meine nicht das, was die Werbung daraus gemacht hat) eine ziemlich starke und tolle Frauenbewegung in Punk und Hardcore. Wir haben uns Buttons gemacht mit Bratmobile, LeTigre, Sleater Kinney und all den ganzen großartigen Bands, auch um diese Sichtbar zu machen. Man konnte mit Menschen an Plattenständen darüber ins Gespräch kommen und fragen, ob sie auch RiotGrrrl Platten haben und wenn nein, warum denn nicht, es wäre toll, wenn sie mal schauen ob sie das bekommen. So geht sichtbar machen und Aneignung ;)


  Bis heute mach ich viele meiner Buttons selbst und freu mich, dass ich Statements zeigen kann und auf Glitzer nicht verzichten muss, wenn ich gerade Lust drauf habe. Geblieben ist die Liebe zu der Musik allemal, ebenso die Leidenschaft sich für das „böse F-Wort“-Feminismus- einzusetzen und im Gespräch zu bleiben. Und so ist auch Nähen und Stricken für mich bis heute eine Möglichkeit ins Gespräch zu kommen, denn wenn Menschen fragen, was ich da Crazyes oder Schönes anhabe und ich sage, hab ich selbst gemacht, kann ich auch gleich immer entscheiden ob ich nicht noch einen Schritt weitergehen möchte und einen Schnack halten will über bescheuerte Körpervorstellungsgrößen in Modeketten, ausbeuterische Bedingungen bei der Herstellung von Kleidung, merkwürdigen „Geiz ist Geil“ Attitüden bei den ganzen selbstgemachten Dingen (kenn ich- kannste mal eben was tollen für mich nähen ….. ist ja dein Hobby- kost ja nix- Bullsit BINGO !!!!!!- Danke Frau Ringelmiez!) … Frau Jule- das wird hier viel zu lang … ich sag doch Bloggen und kurzhalten das ist nix für mich- aber vielleicht konnte ich dich ein bisschen supporten in der Frage, warum DIY und Selbermachen eben auch immer politisch ist und warum das auch richtig und gut so ist !!!


Frau Postriot

7 Kommentare:

  1. Danke für den Beitrag! Da habe ich endlich etwas mehr erfahren über eine Bewegung, die nach "meiner Zeit" kam ( und nur, wenn überhaupt, durch Schüler in Berührung kam ). Buttons spielten selten eine Rolle ( und im Schuldienst dürfte man sie ohnehin nicht tragen, gab ja noch ein Berufsverbot in jenen Tagen ). Und Bandshirts habe ich nie getragen, denn das war nicht mein Ding.
    Aber die Themen sind sich irgendwie ähnlich gewesen...
    Bon week-end!
    Astrid

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    1. ohweh, das berufsverbot. ich schlage drei kreuze, dass das überwunden ist. ich wäre heute nicht im schuldienst, wenn es das noch geben würde. heute halte ich mich stur an den beutelsbacher konsens, trage aber trotzdem meinen "refugees welcome" pulli auf der arbeit.
      liebe grüße,
      jule*

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  2. Ja! Aber...

    ...was ist mit dem Häkel-Bastelset zu 22,95, dass alles enthält, inklusive kleinstmenge Faden zum annähen der Augen. Oder die Wimpelkette, schon zugeschnitten und versäubert, bitte nur noch ans mitgelieferte, gebügelte Schrägband nähen. Gilt dafür auch: Kreativität sickert in den Kopf und es ist politisch? Sind nähmuttis politisch (begriff von Frau Jule aber auch von mir gern verwendet)? Und wie politisch sind wir, wenn wir das despektierlich nutzen bzw. was drückt das aus?

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    1. richtig richtig richtig. ich hatte was zur despektierlichen verwendung des begriffs "nähmuddis" geschrieben und dazu, dass es in der eigenen verantwortung liegt, wie dieses wort konotiert ist. daraus ist der ganze krams hier ja entstanden. durchaus ist es politisch, wenn ich meine, mit einem bastelset kreativ zu sein. man setzt ja auch ein politisches statement, wenn man beispielsweise beim klamottenschweden einkauft o.ä. die frage ist eben, in welche richtung. toleriere oder supporte ich gar ausbeutung, umweltverschmutzung, undundund oder setze ich ein zeichen dagegen? beide seiten sind politisch, mit unserem handeln können wir aber die richtung bestimmen. an jedem tag. und vom begriff "dumm" kann ich mich nur immer wieder distanzieren.
      vielleicht hilft das ja ein bisschen.
      liebe grüße,
      jule*

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  3. Es freut mich, dass Du das Thema hier weiterhin aufgreifst. Ich bin durch den Beitrag "Politisiert Euch!" richtig ermutigt gewesen, auch mehr politische Themen in meinem Blog anzusprechen. Was mir übrigens auffält, ist eine (vielleicht subjektiv wahrgenommene) größere Toleranz unter Künstlern. Diejenigen, die ich kenne kommen aus unterschiedlichen Ländern, haben unterschiedliche Religionen, aber das alles ist nebensächlich, weil die Kunst und Kreativität der gemeinsame Nenner ist.
    Inspiriert und ermutigt durch Deinen Blog, werde ich diese Themen - auch Gesellschaftliche immer wieder bloggen.
    Viele Grüße, Julia

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    1. ja, das mit den künstlernden ist vermutlich übertragbar auf viele dinge die man in den fokus stellen kann. ich könnte mir vorstellen, dass das auch mit wissenschaft und so funktioniert. vielleicht liegt das dann aber auch daran, dass man sich nicht so viel mit privat-politisch-kontroversen themen beschäftigen muss, weil etwas anderes wichtiger ist.
      schön, das ich inspirieren konnte. der beitrag oben ist ja allerdings nicht von mir.
      liebe grüße,
      jule*

      p.s.: die verlinkung über deinen hier angezeigten namen funktioniert schon wieder nicht. sollte dir das wichtig sein, solltest du evtl. mal deine einstellungen bei blogger überprüfen.

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  4. O yeah, die Markenaffen. Ich hab auch mal ein Schild abgetrennt und ein anderes übernäht, weil mir eine gut sitzende Markenhose in den Kleiderschrank schneite, ich hatte mir aber meine Markenlosigkeit zu hart erarbeitet, um das so zu lassen. Mein Kerl hingegen hat einfach getragen, was er hatte, mal so, mal so, dem war das und ist das wirklich rotzegal. Was ich dann in der Ausprägung auch schon wieder richtig gut finde.

    Liebe Grüße
    Maike

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