Yeah! Ich habe noch einen Gastbeitrag zu meinem Politisierungsaufruf für euch. Caro hat in die Tasten gehauen und einen sehr spannenden Beitrag zum Thema Handarbeit ist politisch geschrieben. Ich freue mich ganz besonders, dass sie hier ein politisches Thema mit Handarbeit verknüpft hat, zu dem ich niemals etwas schreiben kann, weil es Erfahrungen sind, die ich nicht machen werde. Und ein bisschen hat sie bei mir auch das Bild der "Bastelmuddi" erweitert. Zudem auch ein Thema, das vermutlich zur ein oder anderen Kontroverse führen könnte. Ich bin Caro unendlich dankbar, dass sie den Mut hatte, das hier auszubreiten. Text und Bilder stammen von ihr. Ich überlasse ihr heute meine kleine Blogbühne. Danke, liebe Caro für deinen Beitrag!:
Von Bastelmuddis, English Paper Piecing
und der kinderfeindlichen Gesellschaft
Ich bin Caro, treue Leserin von Frau
Jules Blog, selbst bloglos und begeisterte Werklerin in Elternzeit.
Als Frau Jule dazu aufrief sich zum Politischen von Handarbeit zu
äußern fühlte ich mich direkt angesprochen, weil ich glaube, dass
Handarbeit durchaus etwas mit Elternsein in unserer Gesellschaft zu
tun hat.
Als ich darüber nachdachte ein Kind in
die Welt zu setzen, wollte ich alles ganz anders machen als all die
Bastelmuddis, die nur noch zu Hause bei ihren Kindern sitzen und nie
wieder gesehen waren. Dass ich jetzt doch eine bin und es mich
manchmal in den Wahnsinn treibt hat mehrere Gründe:
1. Elternsein ist anders als gedacht:
In meiner Fantasie malte ich mir aus was ich alles in meinen 6
Monaten Elternzeit mit Kind unternehmen könnte: Demos, Konzerte,
Sport, Freunde treffen, Ehrenamt. Ich trage das Kind bei mir und tue
sonst fast alles ist wie immer. Die Realität sieht eher so aus, dass
es besonders im Winter schwierig ist mit Kindern unterwegs zu sein.
Es fehlt an Wickel- und Stillmöglichkeiten, an Rückzugsmöglichkeiten
und Verständnis. Wie ich mit Erschrecken feststellen musste gerade
in „linken“ Strukturen. Man zieht sich nach Hause zurück und
plötzlich ist es noch nicht mal mehr leicht sich mit befreundeten
Menschen zu unterhalten, besonders wenn man nicht über Kinder
sprechen möchte. Denn es gibt nur noch Kinder im Leben. Man bewegt
sich in einem eigenen Kosmos und wird einsam.
2. Mir fehlt offenbar ein Muttergen.
Ich bin unendlich dankbar diesen Menschen ein Stück auf seinem Weg
begleiten zu dürfen, aber ich merke, wie ich die Achtsamkeit für
mich selbst verliere. Mir fehlt es ganz für mich zu sein. Mir fehlt
es länger als drei Minuten zu duschen, zu essen oder aufs Klo gehen
zu können. Auch beim Stillen fehlt es mir manchmal meinen Körper
wieder für mich zu haben.
Ich glaube Kindererziehung ist nicht
für unsere (post-)industrielle Gesellschaft gemacht. Sondern für
Großfamilien und das Leben in Gemeinschaft, in der man sich
gegenseitig stützt und entlastet und nicht Partner, Familie und
befreundete Menschen der Lohnarbeit nachgehen müssen und Lohnarbeit
und Kinder generell schwer vereinbar sind. In keiner Weise macht mich
das Kind unglücklich, das ich in die Welt gesetzt habe, sondern
unglücklich machen mich die Bedingungen unter denen Eltern in diesem
Land Kinder aufziehen müssen.
3. Ich leide unter einer Krankheit
meiner Generation: Akuter Perfektionismus in der
Leistungsgesellschaft. Ich fühle mich nur gut, wenn ich etwas
geschafft habe. Aber die Arbeit die ich zu Hause tue kann man nicht
sehen, ihr Ertrag ist von kurzer Dauer und wird ohnehin nur selten
als richtige Arbeit anerkannt. Ich jedenfalls wusste nicht, dass es
so anstrengend sein kann den ganzen Tag zu Hause zu sitzen und ein
Kind zu stillen, zu wickeln, zu tragen, zu kochen und zu bespaßen.
Nach vierzehn Stunden bleibt neben dem Chaos in der Wohnung nur noch
das Gefühl unter größtmöglicher körperlicher Anstrengung nichts
geschafft zu haben.
Was dann folgte hat auch irgendwie ein
bisschen mit DIY im ursprünglichen Sinne, Selbstermächtigung und
Handlungsfähigkeit zu tun:
Schon lange wollte ich mal English
Paper Piecing ausprobieren (ein riesiges Bodenkissen soll es werden)
und ich fand, dass die Elternzeit genau passend dafür wäre:
- Ich konnte mit dem Kind neben mir oder im Tuch auf dem Sofa sitzen und etwas tun, was es mir ermöglichte gleichzeitig auch dem kleinen Menschen Aufmerksamkeit zu schenken.
- Ich hatte das Gefühl von Produktivität. Jeden Tag konnte ich einen Fortschritt (wenn auch nur einen kleinen) sehen.
- Ich hatte das Gefühl wieder etwas für mich zu tun und mich nicht aufzuopfern. Ich fühlte mich wieder handlungsfähiger und wie ich selbst.
- Im Sinne von Nachhaltigkeit konnte ich meine Stoffreste verwerten, alte Kleidung zerstückeln einfach etwas schaffen aus dem was ich vorfand. Ich musste kein Geld ausgeben, nicht einkaufen.
- Und schließlich konnte ich wieder über etwas anderes sprechen als Kinder. Ich brachte befreundeten Menschen die Technik bei, tauschte Stoffreste, holte mir Rat, befähigte mich im besten Sinne des Wortes. Den ersten Tag ohne das Kind verbrachte ich bei einem Nähkurs. Ich lernte neue Leute kennen, erlernte neue Techniken.
- Jetzt möchte ich auch gemeinsam mit dem Kind wieder nach draußen, vielleicht beginnend bei Näh- und Upcyclingtreffen mir wieder die Stadt zurück holen und dabei selbst kinderfreundlicher machen und aufmerksam machen auf Hürden für Kinder und Eltern.
So habe ich das Gefühl durch etwas
vermeintlich Banales wie eine Handarbeitstechnik mir selbst Stück
für Stück meine Selbstbestimmung in einer kinderfeindlichen
Gesellschaft zurück erobert zu haben. Und am Ende bin das was ich
nie sein wollte: Eine Bastelmuddi
Vielleicht gibt es deshalb so viele von
ihnen, weil Handarbeit hilft (egal ob mit oder ohne Kind)
zusammenzukommen, sich auszutauschen etwas zu erschaffen ohne im
besten Fall etwas leisten zu müssen. Und wenn man es schafft raus zu
gehen, Wissen zu teilen, sich zu ermächtigen dann ist es irgendwie
auch nicht schlimm eine Bastelmuddi zu sein.
genau so ist es - toll geschrieben, caro!
AntwortenLöschenIch gebe zu so wirklich hatte ich über diesen Aspekt noch nie nachgedacht. Aber es stimmt, genau so ist es. Vielen Dank für diesen Beitrag und auch für die Fotos, sieht schick aus.
AntwortenLöschenFrau Caro! Danke für deine Worte. Die sind gerade Schmieröl für mein Getriebe als Mutti, Frau, Mädchen, Arbeiterin...Mensch. Und Dankeschön Frau Jule, der Wunderbaren, die für dich hier Raum gegeben hat.
AntwortenLöschenSonnenscheingrűße schickt Doreen.
Muss jetzt zum Aquajogging! Schreib später dazu! Lese grade noch deinen gerade eintrudelnden Kommentar!
AntwortenLöschenGLG
Astrid
Ja. Auch ohne Kind finde ich mich in diesem Beitrag ziemlich wieder - meine Gründe für's Werkeln sind doch relativ ähnlich, auch wenn es bei mir ein Gegengewicht zum Studium bzw. zum Beruf ist. Sollte ich mal Kinder haben, werden mich Handnähprojekte bestimmt auch dabei begleiten.
AntwortenLöschenLiebe Grüße,
Sabrina