Donnerstag, 13. Oktober 2016

Musikdonnerstag: MODDI macht die Platte UND das Konzert des Jahres


 Ich habe es ja schon angekündigt: Ich habe das Konzert des Jahres gesehen!!! Vergangenen Freitag im Häkken. Bevor ich weiter darauf eingehen, will ich direkt zu Beginn auch mal schnell noch hinausposaunen, dass eben dieser Künstler auch das Album des Jahres dazu abgeliefert hat. Aber sowas von bis zum Anschlag hinten gegen. Ich kriege mich immer noch nicht ein.


 Und wer wars? MODDI!!! Himmel! Dieser junge Mann kommt aus Norwegen. Aus einer Gegend in der es vermutlich eher kühl und frisch ist. Aber dieser Herr schafft es Emotionen auf die Bühne zu bekommen, dass man nicht weiß, ob man lachen, weinen, kreischen oder was auch immer noch möchte. Im Falle des letzten Konzertes ist mir irgendwie das Herz auch ein bisschen explodiert. Das letzte Mal hatte ich MODDI 2014 beim Immergut Festival im großen Haus gesehen. Damals hat er Lieder über Liebe und das Leben am Meer gemacht. Ganz zauberhaft. Singer-/ Songwriter der Oberklasse. Musikalisch ist er ein wahrer Tausendsassa. Das stellte er damals auch noch unter Beweis als er später am Abend mit EINAR STRAY unterstützte. Vermutlich wird das der nächste ERLEND ØYE. Diese norwegischen Menschen....


  Musikalisch ist der Herr also seit jeher topoberspitzenklasse. Und jetzt hat er etwas total Abgefahrenes gemacht, wofür man nur vor ihm auf die Knie gehen kann. Er hat Songs aus aller Welt ausgegraben, die aus unterschiedlichen Gründen verboten wurden. Deren Interpret*innen verfolgt, eingesperrt oder gar getötet wurden. Für ihre Musik, ihre Texte. Es sind zwölf politische Songs. MODDI hat sie aus allen Teilen der Welt zusammengesammelt, teilweise übersetzt und musikalisch neu interpretiert. Er singt Songs, die nicht mehr gesungen dürfen, durften oder konnten. Gibt denen seine Stimme wieder, denen sie geraubt wurde. Auf dem Konzert vergangenen Freitag gab er sie zum besten. Am Cello begleitete ihn Katrine. Dazu erzählte er die Geschichten zu den Songs. So grausam, dass es einem die Nackenhaare aufstellten und sich eine laute Wut im Bauch zusammenbraute. Teilweise waren die Gründe für die Verbote der Songs so lachhaft, doch das Lachen blieb im Halse stecken.


 Wer nun glaubt, das wären nur Songs aus Ländern in denen Repression, Diktatur und ein fehlendes Rechtssystem regiert, irrt. Es stehen auch Songs aus vermeintlich demokratisch orientierten Staaten auf der Tracklist. BILLY HOLIDAY aus den USA, KATE BUSH aus Großbritannien und RICHARD BURGESS mit BRIGITTE GRIMSTAD aus Norwegen wurden ebenso verbannt wie PUSSY RIOT aus Russland. Das sind als Beispiel mal diejenigen, die in meiner kleinen musikalischen Welt als bekannter gelten. Dazu kommen noch Songs aus Chile, Mexiko, Vietnam, Israel und Palästina. Selbst ein samisches Traditional ist dabei. Harter Tobak und es sei nur die Spitze des Eisbergs, erzählte er auf dem Konzert.


 Mit all diesen Songs auf seinem aktuellen Album "Unsongs" wagt dieser junge Mann sich auf ziemlich dünnes Eis. Das ist ihm auch bewusst. Aber er meinte, er hätte das tun müssen, nachdem ein Konzert von ihm Tel Aviv so zum Politikum wurde, dass er es abgesagt hat. Wie er erzählte, hatte er danach seinen Glauben in die Musik verloren. Er wollte doch nur über Liebe und das Leben am Meer singen. Die Wende gab eine Begegnung mit BRIGITTE GRIMSTAD, die sich Jahrzente zuvor in einer ähnlichen Situation befand. Ich finde diese Aktion unfassbar großartig, mutig und bewundernswert. Und Songs wie "Punk Prayer", die ursprünglich ziemlich aggressiv klangen, wurden von MODDI musikalisch total umgekrempelt. Es ist spannend, wo die Inhalte landen, wenn man den Songs das Geschrei entzieht. "Punk Prayer" ging mir in der Version von MODDI so scharf und direkt, tief in die Haut, viel intensiver, als in der ursprünglichen Version. Alle anderen Songs natürlich auch. MODDI hat den verbotenen Stimmen wieder Klang gegeben. Dabei hat er nicht einfach nur ihre Songs neu interpretiert, sondern ist tief in diese Songs eingetaucht, hat Musikschaffende besucht, interviewt, ist mit denen, mit denen es möglich war, in Kontakt getreten. Mehr zu erleben gibt es hier. Superspannend und noch berührender!


  Dieser Mann hat damit definitiv das Großartigste geschafft, was mir in diesem Jahr musikalisch über den Weg gerollt ist. Dafür verdient er alle Sternchen, die ich bei einer Bewertung vergeben kann. Ich ziehe meinen Hut vor ihm. Und ich bin dankbar für dieses musikalische, gesellschaftliche und politische Erlebnis, das er hoffentlich nicht nur mir beschert hat. So wird Singer-/ Songwriter zum Punk. Ganz nach meinem Geschmack.


 Klingt voll professionell von mir bewertet? Pah! Wer Pseudoprofession lesen will, kann das bei allschools.de tun. Ich will ihm heute hier einfach mal ein bisschen huldigen und ihn abfeiern. Die Konzertbilder, die ich mich getraut habe zu machen, sind totaler Mist. Das Häkken war bestuhlt. Ich saß zwar in der ersten Reihe, die Perspektive war aber kacke. Außerdem muss ich ganz ehrlich sagen, dass meine Kamera im Gegensatz zu seiner Musik eher wie Trommelfeuer klang. Spiegelreflex ist halt nicht immer Trumpf. Ich habe es dann auch schnell verschämt sein gelassen und ein wundervolles, berührendes, anrührendes, bewegendes Konzert genossen. Ich war so froh, dass ich das erleben durfte. Und ich wünsche mir, dass er damit noch viel mehr Menschen berührt und bewegt.

4 Kommentare:

  1. Wow. Danke für den Tipp, habe die CD gleich mal auf den Wunschzettel geschrieben.

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    1. viel spaß damit. und auch die "alten" sachen von ihm sind toll!
      liebe grüße,
      jule*

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  2. Das klingt wirklich grandios. Sehr, sehr besonders und bedeutsam.

    Liebe Grüße,
    Sabrina

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