Donnerstag, 24. November 2016

Wut an der Nähmaschine und ein neues Stillshirt


 Ich nähe selten Klamotten für andere, die nicht direkt zur Familie oder zum engsten Freundeskreis gehören, doch diese neue Stillshirt war mir ein herzliches Anliegen. Eine Freundin ist vor kurzem Mutter geworden. Im Zuge dessen trieb ihr Körper einige Wachstumseskapaden, was es ihr unmöglich machte, passende Stillshirts zu bekommen. Sie erzählte mir von ihren verzweifelten Versuchen etwas passendes zu bekommen. Das ging gar nicht. So oder so. Eine Bitte schob sie gleich hinterher. Ein passendes Stillshirt sollte also her. Etwas kompliziert, denn sie lebt nicht in Hamburg. Per Chat steckten wir dann die Enddaten fest. Ihr Mann maß sie aus, ich besorgte Material für ein Probestück, bastelte einen Schnitt und legte los. Stillshirts habe ich in diesem Jahr ja wirklich schon eine ganze Stange genäht, weiß also, wie es funktioniert.


 Während ich da so vor mich hin werkelte, dachte ich mal wieder viel über Bekleidungsindustrie nach. Dass ich ihre Machenschaften schon seit längerem verteufele, dürfte hinreichend bekannt sein. Zum einen diese ständigen gruseligen Geschichten von Produktionsbedinungen. Zum anderen habe schon ich Probleme für meine Länge passende Kleidung zu finden. Mehr und mehr wütend wurde ich aber mit diesem "Auftrag". Als ob frischgebackene Mütter nicht drölfzillionen andere Probleme haben, als passende Klamotten zu finden, die sich mit den Bedürfnissen ihres Nachwuchses decken. Als ob die Industrie sich nicht denken könnte, dass sich Körper mit einer Schwangerschaft verändern und wo sie dieses tun. Müssen Frauen, die vermutlich eh wenig Zeit für sich und ihre Bedürfnisse haben sich auch noch mit der Klamottenfrage in der Stillzeit herumschlagen? Muss das sein, dass Frauen, die nach einer Schwangerschaft bitte schnellstmöglich wieder "ansehnlich" zu sein haben das auch noch in Umkleidekabinen um die Ohren hauen lassen, dass sie nicht der Norm entsprechen? Fick dich Bekleidungsindustrie! Einmal mehr!


 Das wird niemals mein Problem sein, aber ich kann es meinen frisch vermütterten Geschlechtsgenossinnen absolut nachfühlen. Und darum habe ich dieses Stillshirt genäht. Natürlich ging das mit der Schnittkonstruktion auf die Entfernung total daneben. Das Shirt wurde zwar abgefeiert, aber die Verbesserungsnotwendigkeiten an meinem Werk wurden mir auf den zugeschickten Anprobefotos schnell klar. Die Trägerin war natürlich perfekt. Genau das ist der Grund, weshalb ich solche Projekte nur ungerne mache. Es könnte noch mehr Krise hervorrufen, wenn es nichtmal die (Hobby-)Schneiderin hinbekommt, etwas passendes zu zaubern... Das unterstrich aber auch nochmals die Idotie der Industrie, die das eigentlich wirklich können sollte. Demnächst werden dann wohl nochmal welche entstehen. Hoffentlich passender. Denn diese Wut kann ich ja nicht auf mir sitzen lassen. Und dann friss das Bekleidungsindustrie. Wenigstens ein Shirt weniger, dass aus deinen blutverschmierten Händen kommt.


 Dafür sind die Teile, die das frische Kind aus den Resten geschneidert bekam, besser geworden. Ein kleiner Trost für die verhunzte Passform des Hauptwerkes. Lernenlernenpopernen....

5 Kommentare:

  1. Schade, dass das Stillshirt nicht gepasst hat!
    Mir ist schon klar, dass es für die Bekleidungsindustrie nicht so einfach ist, auf alle Eventualitäten des menschlichen Körpers Rücksicht zu nehmen, dass es nur unter größtem Aufwand, alle Proportionen und Größenordnungen so anzubieten, dass sie auch noch dem jeweiligen Geschmack so richtig entsprechen.
    Aber dass gerade Neumütter in so starre Normkorsetts gepresst werden, ist echt einfach nur bitter. :(
    Schön, wenn man Hobbyschneiderinnen im Freundeskreis hat, die einem helfen können - auch, wenn es vielleicht mehr als einen Anlauf braucht.
    Liebe Grüße,
    Sabrina

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    1. ja, das mit den insdustrie"normen" ist wirklich eine krux. aber ich kenne mindestens ein versandhaus, die so schöne sachen wie petite- und tall- größen haben. d.h. länger für lange menschen, kürzer für kurze menschen. in den weiten bleiben die standartgrößen. sowas finde ich klasse! rund heißt ja nicht zwangsläufig auch lang oder kurz nicht zwangsläufig dürr. oder umgedreht. gruselig wird es da, wo ab größe 40 aufwärts die bezeichnung "plus size" angesetzt wird... wuha! sowas meinte ich wohl eher.
      liebe grüße,
      jule*

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    2. Okay, dann bin ich sowas von ganz bei dir. :)
      Als Frau mit 1,80 bin ich immer froh über Läden, die Jeans in ein paar Inch mehr führen, so dass ich nicht aussehe wie ein... naja, in die Höhe geschossener Teenager, der Klamotten trägt, die vor einem halben Jahr noch passend gewesen sein mögen...
      Und wenn man mir Kleidung in Größe 36 reicht und mir nicht glauben möchte, dass 40 die richtige Zahl ist, weil "Sie sind doch schlank!", dann möchte ich die Person vorsichtig schütteln. Ein Taillenumfang von 75 cm wirkt einfach unterschiedlich, wenn man 1,50 m oder 1,80 m groß ist...
      Liebe Grüße,
      Sabrina

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  2. Über Stillshirts will ich mir ja noch gar nicht so viele Gedanken machen - mir reichen derzeit schon Umstandsklamotten... Von daher bin ich sehr sehr froh, dass ich mir wenigstens selbst etwas helfen kann.
    Toll, dass du dich für diese Neumutter einsetzt! :)

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    1. ja, man sollte immer froh sein, wenn man sich selbst helfen kann. ich wette du kommst auch noch auf den stillshirttripp. wobei ich mir bei dir auch ein stillkleid vorstellen könnte. ich bin gespannt.
      liebe grüße,
      jule*

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