Montag, 15. Februar 2016

Der inklusive Montag: Zusammen leben


 Der inklusive Montag findet hier mehr oder weniger regelmäßig statt. Hier gebe ich einen kleinen Einblick in die vielseitigen Chancen und Möglichkeiten, die die Inklusion mit sich bringt. Wer nochmal nachlesen möchte, was Inklusion überhaupt bedeutet, kann das hier nochmal tun. Grundsätzlich soll es um die guten Seiten gehen, um das was schon funktioniert und um das wo sich noch etwas ändern muss. Hier soll nicht gemeckert, sondern angepackt und sich gefreut werden. Anzumerken ist zum Schluss, dass ich "nur" eine Seite der Inklusion beleuchten kann, da ich "nur" Sonderpädagogin bin. Aber vielleicht finden sich ein paar Menschen, die gastbloggen möchten. In diesem Falle bitte gerne bei mir melden.

 Thema heute: Zusammen leben

 


 Bei Frau Gelhaar las ich vergangene Woche den Satz, der mir irgendwie schon so lange im Kopf rumspukte, den ich aber niemals so schön hätte formulieren können, wie es ihr Freund getan hat: “Auch Menschen ohne Behinderung haben ein Recht darauf, mit Menschen mit Behinderung zu leben”. Dazu hatte sie diese wunderbare Doku über "Wirklich beste Freunde" verlinkt, der dies unterstrich. Es ist doch auch totaler Blödsinn, wenn Menschen immer meinen, dass behinderte Menschen, Menschen ohne Behinderung brauchen, um im Leben und im Alltag zurecht zu kommen. Vor allem, wenn die Argumentation in die Richtung geht, dass unbehinderte Menschen behinderte Menschen eigentlich gar nicht brauchen würden. Hört man ja oft von Menschen, die Probleme mit Inklusion haben. 
 Seit meiner ersten Begegnung mit behinderten Menschen, haben sie mich irgendwie gefangen genommen und meinen Kopf angeregt. Als Kind habe ich versucht zu erfassen, warum der eine Nachbarsjunge nicht auf die gleiche Schule gehen konnte, wie alle anderen Kinder aus der Straße. Ich fand das damals schon ungerecht. Unser gemeinsames Spiel hat das nicht beeinflusst. Auch später durfte ich immer wieder feststellen, wie sehr mich behinderte Menschen in meiner Entwicklung und Denkweise beeinflusst haben. Sei es dadurch, dass sie eben ausgegrenzt wurden und ich das nicht verstehen konnte und wollte. Oder sei es, weil sie mir die Augen für die kleinen und anderen Dinge geöffnet haben, die ich sonst nicht sehen wollte. In meinem Job lerne ich meinen Zorn im Zaum zu halten, achtsamer zu sein, wenn die Lernenden mit emotionalem und sozialem Förderbedarf mich wieder versuchen auf die Palme zu bringen. Ich beobachte sie und versuche herauszufinden, was sie bewegt, beschäftigt und was sie begeistert, damit sie mir davon erzählen können und wo wir somit zusammenfinden können. All das bringt mich auch im Zusammensein mit anderen Menschen vorran, lässt mich vermeintliche Probleme aus anderen Blickwinkeln sehen und so auch andere Lösungsmöglichkeiten finden.

 
 Geistig Behinderte spielten in meinem Leben immer eine ganz besondere Rolle. Ich habe vor ein paar Jahren angefangen als "Hilfe für Familie mit behindertem Kind" neben meinem Vollzeitjob zu arbeiten. Vor einem dreiviertel Jahr wurde das von der Arbeit für den Jugendclub für behinderte Jugendliche abgelöst. Nicht weil ich das Geld nötig hatte, sondern diese Menschen. Ich möchte nichts beschönigen: Zeitweise ist es wirklich anstrengend. Aber es ist so eine schöne Art von Anstrengung. Es ist wie beim Sport: Man schwitzt, hat vielleicht Muskelkater, aber danach fühlt man sich wunderbar. Ich nehme aus diesen Stunden so viel mit. Und manchmal sitze ich dann da und denke: "Schade, dass man solche Anstrengung dafür aufbringen muss, um überhaupt mit diesen großartigen Menschen zusammenzukommen. Und schade, dass dieses Zusammenkommen so vielen Menschen verwehrt bleibt."
 Es müssen ja nicht gleich die grooßen pflegerischen Aufgaben sein. Es reicht ein bisschen gemeinsame Zeit. Und wie schön wäre es, wenn Inklusion funktionieren würde und weniger Menschen aus Angst vor ihr auf Abstand gehen oder das vermeintlich unperfekte wegsperren. Dann müsste man sich nicht in getrennten Räumen bewegen, sondern könnte zusammen sein. Voneinander lernen, voneinander profitieren, gemeinsam vorwärts gehen und viele neue, schöne Dinge entdecken. ICH WILL INKLUSION!!! Jetzt sofort. Weil “Auch Menschen ohne Behinderung haben ein Recht darauf, mit Menschen mit Behinderung zu leben”.

 

4 Kommentare:

  1. Hatte ich gar nicht so unrecht mit der Alltagsheldin : )
    Ich finde es sehr interessant, dass du den manchmal sehr anstrengenden Umgang mit Menschen mit geistiger Behinderung als eine Art von Sport beschreibst.
    Ich seh das nämlich auch so.
    Es ist eine Mischung aus Schach ( viel Kopfarbeit) und Marathon laufen (Ausdauer). Zumindest für mich. Speziell wenn der Sohnemann schlechte Tage hat.
    Aber man wird auch mindestens einmal täglich mit einer Goldmedaille belohnt. Das darf man nicht vergessen.
    Zur Zeit werde ich reichlich belohnt.
    Ich muss immer schmunzeln, wenn jemand sagt, er will seine persönlichen Grenzen erfahren und darum zb Fallschirm springen oder Tiefsee tauchen...
    Bei mir erledigt das mein Sohn.
    Und ich erledige das bei ihm.
    Es ist unglaublich, was wir in diesen acht Jahren schon von einander gelernt haben.
    Liebe Grüße, Angela

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    1. danke! und vielleicht wäre es weniger anstrengend, wenn mehr menschen mitmachen/-helfen würden... oder?
      liebe grüße,
      jule*

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  2. Allerdings. Ich denke, das würde sehr helfen.
    Zusammen mit drei anderen Müttern habe ich an der Schule unserer Kinder eine Schülerbücherei aus dem Boden gestampft. An den dienstags Vormittagen wird dann auch immer viel über solche Themen diskutiert.
    Heute meinte meine Bekannte, dass in zwanzig Jahren die Inklusion voll und ganz umgesetzt wäre, alle lebenslagen betreffend.
    Der Meinung bin ich allerdings nicht.
    Laut Grundgesetz sollen alle Menschen absolut gleich sein. So ist das bei uns aber leider nicht. Ich sehe nicht, dass unsere behinderten Mitmenschen gleichgestellt sind, egal ob geistig oder körperlich behindert. Der gesetzlich fest gelegte Mindestlohn gilt für sie nicht genau so wie vieles andere. Davon kannst du ja bestimmt selbst ein Lied singen.
    Solange der Staat nicht den Arsch hoch kriegt und die Gleichstellung wirklich umsetzt, denkt auch die Gesellschaft nicht um und Inklusion findet keine statt.
    Das wird noch ein langer steiniger Weg werden.
    Aber solange es Menschen gibt, die diesen Weg wählen, geht was voran.
    Wie heißt es so schön: der Weg ist das Ziel.
    Liebe Grüße, Angela
    PS. meinem Sohn wird ab nächstem Schuljahr keine fachlich kompetente Schulbegleitung mehr gewährt. Könnt so kotzen. Der Bezirk findet, dafür brauchts keine Kompetenz, es reicht wenn irgendwer anwesend ist.

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    1. da bin ich leider absolut deiner meinung. ich fürchte das dauert länger als 20 jahre. zudem haben leute wie diese rechten knallchargen, die gerade allerorts gegen flüchtlinge wettern, das thema behinderte menschen noch nicht auf dem zettel. zumindest nicht allzu sichtbar. ich fürchte da kommen noch ganz andere hürden....
      verlieren wir nicht den mut!
      liebst,
      jule*

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