Mittwoch, 28. Juni 2017

CSD, staatlich gestützte Diskriminierung und ein neuer Rock


  Und über die Welt zieht gerade eine bunte Regenbogenkaravane. Heute ist Christopher-Street-Day, der seit 1969 in vielen Teilen der Welt gefeiert wird. Überall laufen die bunten CSD-Paraden. Ab heute auch durch die Bloggendenwelt. Ich habe mich so sehr gefreut, als Katrin von grüner nähen in meinem Mailfach anklopfte und fragte, ob ich gerne an der CSD-Blog- und Linkparade teilnehmen möchte. Ich saß vorm Rechner und stieß einen kleinen Jubelschrei aus. Irgendwie brodelt der LGBTQ*-Themenkomplex auch in meiner Welt, in meinem Leben. Ich darf am 18.07. einen Beitrag zu Katrins Parade beisteuern. Dass mir zu diesem Thema aber mehr als ein Beitrag im Kopf rumgeistert, dürfte klar sein. Darum geht der hier heute in die Linksammlung, die allen offen steht.


 Glaube ich an Wunder? Nicht wirklich. Aber das was seit vorgestern durch die Medien geistert, VERwundert mich doch sehr. Gerade im Urlaub haben der Fussel und ich uns noch großartig darüber aufgeregt, dass die Klage der Grünen, der Bundestag möge doch bitte endlich die seit 2013 vorliegenden Gesetzesentwürfe zur Ehe für alle behandeln, gescheitert ist. Und dann überschlagen sich in den letzten Tagen die Ereignisse rund um diesen Themenkomplex. Die SPD möchte die Ehe für alle auf einmal doch, die FDP will sie auch. Grüne und Linke fordern sie schon seit langem und nun hat Frau Merkel ebenfalls ein positives Signal hinterhergeschickt. Im Urlaub hatte ich noch einen Text zur staatlich- institutionellen Diskriminierung von LGBTQ*-Menschen verfasst. Ganz fallen lassen möchte ich den jetzt aber nun doch nicht. Darum jetzt hier ein hoffentlich schon bald veralteter Artikel:


 LGBTQ* ist noch lange nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Heterosexuelles Leben als staatlich anerkannte Norm. Alles was ab davon ist, darf nicht sein. LGBTQ*-Menschen dürfen nicht heiraten, keine Kinder adoptieren (Stiefkindadoption geht, aber...). Sie dürfen alle Pflichten der Ehe mitnehmen, aber eben nicht deren Rechte. Lediglich zwei namhafte Parteien haben die Ehe für alle schon seit langem im Wahl- und Parteiprogramm verankert. Es erscheint mehr als unfassbar, dass entsprechende Gesetzesentwürfe seit 2013 im Bundestag einfach nicht behandelt werden. Ein CSU-Mensch, fand die Positionierung der Kanzlerin gestern als unmöglich und bezeichnete das Thema als "sensibel"... Sensibel wegen was? Interpretationsspielräume öffnen sich.


 Warum ich das hier von der politischen Seite anfange? Nun: Liebe, Sex und Zärtlichkeit sind politisch, obwohl sie von den meisten Menschen wohl als etwas höchst Privates gesehen wird. Zwar ist Deutschland kein Land, in dem LGBTQ*-Menschen gesetzlich verfolgt oder als krank gebranntmarkt werden, von Normalität, Akzeptanz oder gar "okay" kann aber oftmals keine Rede sein. Das ist rechtlich und gesetzlich aus den oben genannten Gründen verbürgt. Staatliche Diskriminierung hat dort Vorbildfunktion, wo Menschen sich verstecken, ihre Liebe leugnen und geheim halten, ihr Leben nicht gestalten dürfen, wie sie das möchten, Heteronormativität hingegen geschützt und gefördert wird. Es braucht auch in Deutschland immer noch Schutzräume, ein Outing kann gesellschaftlicher Selbstmord werden. Staatlich subventioniert sozusagen. Vorbildfunktion? Setzen, sechs, Deutschland.


 Homophobie ist in allen Ecken der Gesellschaft spürbar, wenn man die Antennen minimal ausfährt. Diskriminierung von LGBTQ*-Menschen ist kein rein rechtes Thema, es tobt überall. Man findet sie in allen Gegenden der Gesellschaft. Bildungsbürgertum schützt vor Homophobie und -feindlichkeit nicht. Dabei ist Homophobie eigentlich das falsche Wort. Man hat keine Angst vor homosexuellen Menschen, man ist ein Arschloch. Es geht immer noch um Liebe, Sex und Zärtlichkeit. Wie kann man hassen, dass Menschen sich lieben? Füreinander da sein wollen? Warum möchte man sie aus bestimmten Lebensformen ausschließen? Welches Recht hat der Staat, die Lebensplanung von Menschen bestimmen zu wollen? Was soll der Quatsch? Die Förderung und der Schutz der "traditionellen Familie" klingt in meinen Ohren immer sehr nach Ideologien, die es in Deutschland vor 60 Jahren mal in Mode war. Dabei am Rande noch schnell noch eine kleine Sache, bevor hier wieder die ganz kruden Kommentare kommen: In meinem Beruf erlebe ich haufenweise Kinder aus heterosexuellen Partnerschaften, denen es aus mehreren Gründen mies geht. Heterosexuell basierte Familien sind nicht automatisch gute und die einzig wahren Familien, in denen Kinder behütet aufwachsen können. Viele Kinder würden sich sicherlich eher über eine liebevolle als über eine zwangsläufig heterosexuelle basierte Familie freuen. Beispiele aus Ländern, in denen gleichgeschlechtliche Paare, Kinder adoptieren dürfen, bestätigen dies. Dabei steht vermeintliche Heteronormativität auf ebenso wackeligen Beinen. Darüber schreibe ich aber ein anderes Mal. Bis dahin: Ehe für alle! Kinder für alle, die wollen. Für alle die gleichen Rechte! Staatliche Diskriminierung abschaffen!


 Ich mag meine Welt ja lieber bunt als schwarz weiß. Mein neuer Rock unterstreicht das mal wieder. Ein paar Regenbogenklamotten habe ich schon im Schrank, aber keinen Regenbogen für den Sommer. Dieser Rock ist einer meiner neuen Sommerröcke. CSD- Feiern finden im Sommer statt. Den Stoff habe ich irgendwann mal auf dem Trödel gefunden. War wohl eine Tischdecke. Da er recht steif ist, habe ich den Bund mit Beleg gearbeitet, damit er sich ein bisschen geschmeidiger in Falten um Gummi und Kordel am Bauch legt. Der Schnitt ist mein selbstgemachter, erprobter, super simpler Rockschnitt. Tatsächlich habe ich überlegt, mal einen anderen Schnitt zu nähen, aber irgendwie... nä!


 Wenn das Wetter mitspielt und alles so läuft, wie ich mir das denke, darf dieser Rock am 9. Juli mein Transparent und Fähnchenersatz beim CSD in Köln sein. Heute darf er noch in der Mittwochssammlung und natürlich bei Katrins CSD-Linksammlung vorbeiflattern. Außerdem wäre das mein erster Beitrag für die diesmonatliche Politisierungssammlung hier. Da freue ich mich auch noch über Beiträge, damit ich kommenden Monat eine möglichst vielfältige Sammlung online stellen kann, bisher gibt es noch keinen Beitrag, der dort gemeldet wurde. Ich hoffe, das liegt nur am Sommerloch....

11 Kommentare:

  1. Da würde ich gerne nach dir Ausschau halten, aber meine Verfassung hält mich inzwischen vom Feiern und Unterwegssein ab...
    Ich denke, die Bereitschaft, gelebte Liebe aller Arten zu akzeptieren, ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen, nicht nur im lockeren Köln, selbst in einem kleinen Dorf in Badisch - Sibirien. Nur die, die Macht haben, geben ungern auch die letzten Zipfelchen an Autorität ab, um die Menschen mittels schlechtem Gewissen im Griff zu behalten. Sexualität war immer ein Mittel, die Menschen zu beherrschen, weil dahinter eine solche Energie steckt, die man auch gut fehlleiten, manipulieren kann.
    Letztendlich steckt für mich auch dahinter, dass man auch die letzten Positionen im Verhältnis Männer & Frauen zugunsten letzterer preiszugeben meint. Der Artikel in der SZ hat mich noch einmal darauf gebracht.
    Die Vorstellung von "der Mensch und sein Weib", diese Sichtweise und ihre Auswirkungen auf unser reales Leben mögen Männer nicht gerne auf den Müllhaufen werfen, weil sie zu verlieren glauben.
    Ich möchte aber meine Hälfte des Himmels!
    Alles Liebe!
    Astrid

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    1. hm... mit in der mitte angekommen bin ich mir wirklich nicht sicher. es folgt noch ein beitrag, in dem ich näher darauf eingehe, wo ich in meinem leben, in meiner welt überall noch hommophobie erleben durfte... vielleicht bin ich auch zu empfindlich...
      liebe grüße,
      jule*

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  2. Klasse geschrieben!! Danke für dieses starke Statement. Herzlich, Sibylle

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  3. Ich mag deinen Rock und deinen Beitrag sehr! Lg Sarah

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  4. Liebe Jule, danke danke danke für Deine Worte und Deinen großartigen Beitrag! Und Dein Rock ist natürlich auch große Klasse! Ich musste schmunzeln: Mir ging es genauso dass ich einen Blogpost wegen der sich so plötzlich anbahndenen "Ehe für alle" total überarbeiten musste :-) Aber, selbst wenn sie kommt: Wir bleiben wachsam, es gibt noch viel zu tun und nichts ist selbstverständlich! Liebste Grüße! Karin

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  5. Ganz viel HACH!! Für Deine Worte UND Deinen supertollen Rock. <3

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