Donnerstag, 10. März 2016

Von Frau zu Frau


- "Schmink´ dich doch mal."
- "Mit so viel Schminke siehst du aus wie eine Kunstfigur."
- "Ein bisschen Abspecken könnte dir auch nicht schaden."
- "Du bist ganz schön dürr."
- "Zieh doch mal was körperbetontes an."
- "Das kannst du aber wirklich nicht tragen mit deiner Figur."
- "Du bist zu laut."
- "Da musst du dich schon ein bisschen anpassen."
- "Du verdienst einfach zu viel Geld."
- "Hast du deine Tage?"
- "Du solltest es mal mit High Heels versuchen."
- "Du bist zu groß für eine Frau."
- "Ein frecherer Haarschnitt würde dir gut stehen."
- "Lange Haare standen dir besser."
- "Benimm dich nicht wie ein kleines Mädchen."
- "Du bist nicht sehr damenhaft."
- "So wie du dich benimmst, bekommst du nie einen Freund." 
- "Du musst doch kochen können!"
- "Du warst schon immer sehr eigen."
- "Lange hast du ja nicht mehr, um Mutter zu werden."
- "Haben sie schonmal über einen plastischen Eingriff an ihren Brüsten nachgedacht? Ihre Krankenkasse würde das sicher zahlen."


 Was das soll? Das sind Aussagen, die ich (und vermutlich nicht nur ich) in meinem Leben in der Art des öfteren zu hören bekam. Von Frauen. Die letzte Aussage stammte von einer Gynäkologin, bei der ich landete, als ich frisch in Hamburg war und eine neue brauchte. Da war ich dann verständlicherweise auch das letzte Mal. Die restlichen Sprüche stammen von anderen Frauen in meinem Leben: Familienmitgliederinnen, Lehrerinnen, Mitschülerinnen, Komilitoninnen, Freundinnen. Frauen, die mich eigentlich prägen und bestärken sollten. In den vergangenen Wochen schlug die Sexismusdebatte aufgrund der aktuellen Geschehnisse ja recht hohe Wellen. Immer wieder zu Recht. Am Dienstag war Weltfrauentag. Häufig wir denn Männern die Wurzel allen Übels angehängt. Wenn ich mir aber überlege, was Frauen mir im Laufe meines Lebens für einen Quatsch um die Ohren gehauen haben, dann wird mir immer noch schlecht. Vor allem bin ich in Kreisen groß geworden, die der Volksmund wohl als "kultiviert und gut gebildet" bezeichnen würde. Soviel dazu. Was ich sagen will: Am besten machen Frauen immer noch Frauen fertig. All diese Aussagen, tauchten zeitweise fast täglich in meinem Leben auf und haben mich oft wirklich hart mit mir und meiner Person hadern lassen. Erstaunlich, dass ich in der Rückblende sagen muss, dass diejenigen, die mich in meinem Leben am meisten bestärkt haben, Männer waren. Irgendwie lässt das in mir den Verdacht keimen, dass in bestimmten Zusammenhängen und Kreisen eher die Männer die emanzipierteren, feministischeren Menschen sind, als Frauen. Irgendwie traurig. Natürlich ist das nur meine kleine subjektive Wahrnehmung. Auch mir wurden schon sexistische Sprüche von Männern gedrückt, allerdings bei weitem nicht so harte und weit weniger häufig. Obwohl ich in meiner Freizeit mehr mit Männern zusammen rumhänge als mit Frauen. Mir ist bewusst, dass im Großen immer noch zu viele Männer an den Hebeln der Diskriminierung sitzen und alles daran setzen, Frauen klein zu halten. Doch bei all dem möchte ich heute gerne mal eine Lanze für die Männer in meinem Umfeld brechen: Ich danke euch! Ich danke euch für Bestärken, Trösten, Ermutigen und Bestätigen meiner Entscheidungen. Und so lange Frauen anderen Frauen solche Sprüche von klein auf überziehen, Solange wir uns gegenseitig klein machen und halten, kann das mit der Gleichberechtigung und der Gleichwertigkeit nichts werden.


 Und was das mit dem BH soll? Ich hatte nie ein Problem mit meinen Brüsten, auch nach dieser unqualifizierten Aussage der Gynäkologin, die vermutlich Vermittlungsprämie kassieren wollte. Ich mag meine Brüste. Vermutlich eine meiner wenigen "Nicht-Problemzonen". BHs mag ich übrigens auch. Denn wenn es diese Dinger nicht gäbe, dann würden mir vermutlich meine Brüste ständig um die Ohren fliegen, wenn ich durch mein mittlerweile weitestgehend gutes und zufriedenes Leben renne. Ich bin gerne (Cis-)Frau. Männer beneide ich nur wegen der Fähigkeit des Stehpinkelns und des Gröhlens. Bei meinen Lernenden, versuche ich so genanntes Doing Gender weitestgehend zu vermeiden. Das gelingt mal besser mal schlechter (und wäre nochmal einen eigenen Beitrag wert). Allerdings werden sie von mir niemals einen der oben genannten Sprüche zu hören bekommen. Auch andere Frauen in meinem Umkreis nicht. Fiese Sprüche bringe ich nur bei Arschlöchern. Das ist dann geschlechtsneutral und so kann dann auch der Konter ausfallen. Und ich finde ja, das passt heute auch ganz fantastisch in die Donnerstagssammlung.
 Und bei euch so?

19 Kommentare:

  1. Ach du hast ja so recht! Mindestens die Hälfte der Sprüche kenne ich auch, von meiner Familie! Und dazu wird dann immer noch gesagt: besser wir sagen es dir als andere! -.- Ich bin nur froh dass ich diese ¨ anderen ¨ nie getroffen habe.... zumindest war es mir dann auch einfach egal. Ich selbst interessiere mich doch auch nicht für das Aussehen anderer Menschen, ich frage mich was daran so spannend sein soll?
    Liebe Grüße,
    Alice

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    1. vielleicht ist das einfach einfacher, als sich mit seinen eigenen "mängeln" zu beschäftigen...
      lass dich nicht unterkriegen!
      liebe grüße,
      jule*

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  2. Obwohl ich glaube, dass ich recht wenige dieser Sprüche zu hören bekomme - ob es auch daran liegt, das ich gar nicht so viele Frauen um mich herum habe? ^^ - kenne ich die alle doch zur Genüge.
    Nur "Du verdienst einfach zu viel Geld." hab ich noch nie gehört. Verrückt!

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    1. ja, würde man das mit dem geld einem kerl sagen? ich glaube nicht...
      liebe grüße,
      jule*

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  3. Danke dafür! Sehr viel wahres dran. Wobei ich schon echt überrascht war, was du dir schon alles anhören musstest (vom Spruch der Gynäkologin mal ganz zu schweigen...). Entweder hab ich wirklich Glück mit meinem Umfeld oder eine so selektive Wahrnehmung, dass ich sowas gar nicht mitkrieg. Die meisten Sachen in die Richtung, an die ich mich erinner, betreffen Make-up und High-heels und stammen von "Freundinnen" aus Teenager-Zeiten (was ja eh schon eine schwierige Zeit ist und wahrscheinlich gerade da solche Sprüch besonders häufig sind und besonders heftig einschlagen).Ich werde in den nächsten Wochen mal verstärkt drauf achten, was so zu mir gesagt wird. Und wie immer : "Du warst schon immer sehr eigen" würde ich generell als Kompliment werten ;-)

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    1. oh ja, die teenagerzeiten. da fing das an. allerdings bekam ich diese sprüche auch noch jenseits der 30 zu hören. gruselig.
      liebe grüße,
      jule*

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  4. Recht hast du! Stimmt schon, von Frauen kriegt frau als echt fiesere Sprüche als von Männern, ist mir auch schon aufgefallen. Wobei, die einen doch eher verstehen sollten.
    Guter Beitrag,
    liebe Grüße,
    Petra

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    1. machnmal habe ich das gefühl, dass "meine jungs" meine menstruationsprobleme besser verstehen könnten- haha.
      liebe grüße,
      jule*

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  5. Ziemlich richtig: Frauen können Frauen immernoch am besten fertig machen. Als ich vor einem Jahr meine langen Haare radikal abgeschnitten habe gab es auch sehr nette Komplimente, aber von den Frauen hauptsächlich "Oh Gott! Ach, das wächst ja wieder..." oder "Ich könnte das nie!", kombiniert mit entsetztem Kopfschütteln. Manche mögen vielleicht sagen das wäre nur ehrlich, aber eigentlich hatte ich keine davon nach ihrer Meinung gefragt. Ich mag meine kurzen Haare immernoch ultragerne.

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    1. haha, ja kenne ich. die friseurin, die mir meinen meter abgeschnitten hat, fragte wirklich zig mal sehr verzweifelt nach, ob das wirklich mein ernst sei. die war allerdings auch 50 jahre älter als ich und echt niedlich.
      liebe grüße,
      jule*

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  6. Jesses Maria... ich bin offensichtlich von sehr höflichen und rücksichtvollen Frauen umgeben! Unmögliche Frauenärztinnen musste ich leider auch schon erleben, aber im normalen Alltag kommt es eigentlich nicht vor, dass jemand meint, meine Figur, meine Umgangsformen oder meine Kleidung kritisieren zu dürfen. Das wäre ja noch schöner!

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    1. mir wurde auch schon vorgeworfen, ich sei zu empfindlich was das angeht.... vielleicht hast du auch einfach "glück".
      liebe grüße,
      jule*

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  7. Hallo!
    Passt jetzt vielleicht nicht ganz zum Thema, aber doch ein wenig am Rande. Ich bin Pädagogin in einer staatlichen Kita und habe heute wieder einmal standardisierte Entwicklungsbögen für meine Kinder bearbeitet. Da ist mir unter anderem folgende Frage untergekommen: "Weiß, dass es ein Bub/Mädchen ist und verhält sich danach." - Was soll das? Soll ich da jetzt beurteilen, ob die Mädchen eh brav alle mit Puppen spielen und sich in der Kleiderkiste bedienen und die Buben ja alle ganz ungestört mit den Legos bauen dürfen? Wie kann ich dreijährige danach beurteilen, ob sie die Genderrollen erfüllen und mich dann wundern, wenn sich in der Gesellschaft nix ändert?
    Lg Carmen
    Lg Carmen

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  8. Toller Post, kann nur zustimmen. Bei dem kritisieren sollen erstmal die Frauen sich selbst an die Nase fassen.

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  9. "War doch nicht so (!!!) gemeint! Sei doch nicht gleich eingeschnappt!" kommt dann immer von der einzigen Frau in meinem Umfeld, die mir ungefragt "gute Tipps" gibt. Und trotz aller guten Vorsätze, mich nicht aufzuregen... Klappt nicht.
    Erleichtert mich bisschen, dass es nicht nur mir so geht.
    Liebe Grüße,
    Franzi

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  10. Klar, Frauen können das alles ablassen (wobei ich die Gynäkologin echt nur ohrfeigen könnte), aber noch nie sind Opfer (hier von Sexismus) frei von Mit-Täterschaft gewesen. Wir leben immer noch im Patriarchat. Leider. Ob es das Stockholm-Syndrom ist? LG mila

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  11. Ja, es ist schon schade... Dabei müssten doch gerade Frauen zusammen halten und sich gegenseitig unterstützen! Es geht ja sogar soweit, dass ich, wenn ich einer anderen Frau ein Kompliment mache, oftmals argwöhnisch betrachtet werde, so als ob mein Gegenüber sich fragt, welche böse Absicht da wohl hintersteckt.

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  12. Ich möchte diesen Post mehrfach mit einem grünen Stift umkringeln, einen Pfeil daran malen und in Großbuchstaben "THIS!" daneben schreiben.

    Es ist so verdammt schade - und erinnert mich immer an das Bild des Krebseimers, wo ein einzelner Krebs locker rauskäme, aber von den anderen immer wieder zurückgezerrt wird, bis sie alle zusammen im Topd landen. -.-

    Liebe Grüße,
    Sabrina

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  13. Krass, sehr wahr. Mal wieder sehr gut geschrieben! Kann ich gut mitfühlen. Liebe Grüße, Birte

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