Dienstag, 26. November 2019

Kurze Hose, richtig und falsch


 Ich bin immer noch auf der Suche nach der Hose... Meistens wühle ich mich dabei immer noch durch die Tauschhäuser meiner näheren Umgebung. Vor einiger Zeit fiel mir in einem solchen, dieses Stück in die Hände. Ziemlich kurz. Viel zu kurz. Die Taschenbeutel schauten schon unter der Schnittkante hervor. Aber passte oben rum wie angegossen. Also mitgenommen und weiter verarbeitet.


 Hosen verlängern. Das war eine der ersten Sachen, die ich schon zu Schulzeiten an der Nähmaschine praktizierte. Als langer Mensch ist es nämlich gar nicht so einfach, Klamotten in passender Länge zu finden. Warum also nicht einfach mal eine kurze Hose verlängern? Und zwar genau so. Dabei kann mensch sich gleich fabelhaft über die Körpernormenkonstruktion der Bekleidungsindustrie auslassen. Was ist denn das für ein Quatsch, dass man sich mit zu kurzen Klamotten rumschlagen muss? Mich hat es vor über 20 Jahren an die Nähmaschine getrieben. Hochwasserhosen waren damals noch nicht so in Mode, wie heutzutage.


 Und auch heute noch ist es ein Problem für mich, passende Klamotten zu finden. Neu kaufen tue ich je eher selten bis gar nicht, weil das für mich viel zu frustrierend ist. Zu oft hatte ich in Anprobekabinen das Gefühl, dass ich eigentlich mindestens 10cm zu lang bin. Wahlweise 20kg zu wenig. Sobald es von der Länge her passte, wurde es immer sackig. Mensch darf also entweder kurz und weniggewichtig, oder lang und vielgewichtig sein. Vermutlich geht es kurzen, vielgewichtigen Menschen da ähnlich wie mir... Und dann kommt immer dieser Gedanke um die Ecke, nicht richtig und damit falsch zu sein. Und das ist nach wie vor brandgefährlich. Da ist es nämlich ziemlich schnell egal, ob das nun für den Körper gilt, der nicht in irgendwelche Klamotten passt oder den Charakter, der nicht in irgendwelche gesellschaftlichen Schubladen passt. Der Sprung dazwischen ist kleiner als mensch so zu denken wagt. "Ich bin nicht richtig, ich passe da nicht rein, möchte aber so gerne und brauche das auch, also bin ich falsch oder etwas an mir ist falsch."


 Gefährlich wird es vor allem dann, wenn man daran gehindert wird, Dinge zu erreichen, die man gerne erreichen möchte. Schöne passende Kleidung, in der man sich wohlfühlen kann und darf sind da nur ein vorsichtiges Beispiel. Lebenszufriedenheit, Glück und Zuversicht dann aber schon ganz andere Kaliber. Wer kennt das nicht. Da fängt man dann an, an sich rumzuschrauben, zu optimieren, sich anzustrengen. Die richtige Ausbildung, Ernährung, Sport, Bücher, Therapie, Übung, Klamotten "einfach mal" selber nähen. Vielleicht fällt manches leicht und glückt und hilft und alles wird gut. Aber was ist mit Dingen, die nicht gut werden? Hosen selber nähen finde ich schon ziemlich anstrengend, zeit- und kraftraubend. Und das ist immer noch ein schwaches Beispiel. Irgendwann ist Selbstoptimierung nämlich am Ende. Dann fühlt sich immer noch alles falsch an. Dann hat die Anstrengung nichts gebracht. Und dann? Dann wird es gefährlich. Zumal dieser Hang und Drang zur Optimierung grundsätzlich ja schon schwierig ist. Es wäre einfach zu sagen "Lass dir von der Gesellschaft doch nichts einreden, was du alles erreichen sollst." oder "Hauptsache ist doch, du bist mit dir zufrieden." Das ist es nämlich auch nicht. Das sind so Kalenderweisheiten, die niemandem helfen. Wenn die Gesellschaft einem tagtäglich um die Ohren wirft, dass man nicht richtig ist, nicht passt, falsch ist, ist dieser Schutzschild nämlich auch sehr schnell abgeschliffen. Und ab da wird es schlimm. Wenn die persönlichen Bedürfnisse nicht gestillt werden. Dann dreht man sich im Kreis zwischen Anstrengung, Selbstoptimierung, kritische Hinterfragung gesellschaftlicher Zustände und Normen, (verzweifelter) Erhalt des Selbstschutzes, Hinfallen, Aufstehen, Weitermachen, Kleidung an persönliche Bedürfnisse anpassen. Und wenn dann wieder jemand kommt und sagt, die grundlegenden persönlichen Bedürfnisse wären einfach falsch und man müsse daran etwas ändern, dann geht es doch wieder von vorne los. Ein Teufelskreis von diskriminierenden Mechanismen. Diskriminierung ist IMMER eine Einteilung in richtig und falsch. Gemeint von der äußerden Person. Oft genug mit einem Ende in massiven psychischen Problemen und Schlimmerem. Privates wird zum Politikum wird zum Privaten. Es gibt immer noch genügend Dinge, die man eben nicht ändern kann. Geschlecht, Körperformen, Hautfarbe, Sprache, Behinderung.... Just saying. Und ja: Unpassende Kleidung ist ein Teil davon.


  Es wäre doch manchmal wirklich ganz zauberhaft, wenn alles so einfach wäre, wie eine Hose zu verlängern. Mit dem Endergebnis hier bin ich höchstzufrieden. Ich mag diese Hose wirklich sehr und habe sie in den vergangenen Wochen sehr oft getragen. Festellung dabei, dass ich vermutlich einfach die Beinfreiheit benötige, die mir eine Leggins gibt. Damit kann ich mich irgendwie besser bewegen. Da ist es auch egal, ob oben rum ein kurzer Rock oder eine kurze Hose meinen Hintern warm hält. Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass so die Aufstehbewegung nach dem Hinfallen leichter von statten geht. Dienstagssammlung.

1 Kommentar:

  1. Mit zunehmendem Alter fällt es immer leichter, sich zu kleiden. Kleider sind eh nicht so wichtig. Blöd ist allerdings, wenn man nichts Passendes finden kann. Die Shorts sind super. Liebe Grüsse von Regula

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