Dienstag, 14. Januar 2020

Julover gegen Selbstverständnis


 Selbstverständlichkeiten gibt es in meinem Leben sehr viele. Die Dinge die ich kann und tue sind für mich sehr selbstverständlich. Mein Job, den ich gut kann und gerne mache, die kleinen Künstlereien, politische Statements abgeben, bloggen, stricken, nähen, Kuchen backen. Manchmal vergesse ich, dass das ganz schön viel ist, was ich kann und tue. Mir fällt das alles so leicht, es passiert so nebenbei. Bügeln fällt in Anbetracht der folgenden verknitterten Bilder allerdings definitiv NICHT in meinem Kompetenzbereich.


 Menschen in meinem Umfeld wissen, was ich kann. Und dass ich das auch tue. Wie wahnsinnig das aber alles eigentlich ist, wurde mir kürzlich bewusst, als der Schrankkumpel sich einen Julover von mir wünschte. Dem wollte ich gerne nachkommen. Wir fuhren gemeinsam in den großen dänischen Stoffladen vor den Toren der Stadt, damit er sich die Stoffe dafür aussuchen konnte. Im Laden selber rastete er total aus. Wegen der Möglichkeiten. Der wahnsinnig vielen Möglichkeiten. Er flitzte zwischen den Regalen umher, hielt diesen an jenen Stoff und schäumte über vor Begeisterung. Ich konnte nur lachend daneben stehen. 


 Die Entscheidung fiel ihm nicht leicht. So hat er dann Stoffkombinationen für zwei Julover ausgesucht. Ob ich nun einen oder zwei nähe, machte für mich den Braten nicht fett, für ihn aber schon. Außerdem hat es mich so gefreut, dass er sich so gefreut hat und er mich an etwas erinnert hat.


  Was für mich aber schon lange so normal wie nur irgendwas ist, bekam neuen Glanz verpasst. Ich schlappe irgendwie nur noch in die Stoffläden, wenn ich was brauche, werfe jenen mit diesem Stoff zusammen und ziehe wieder von dannen. Wie abgedreht diese ganzen Möglichkeiten aber sind, ist mir irgendwie echt aus dem Fokus gerutscht. Seltsamerweise scheint mir das nur mit dem Handarbeitskrams zu gehen. Ich nähe halt mal eben so was. Für mich ist das mittlerweile so eine Selbstverständlichkeit geworden... Ich freue mich auch an meinen eigenen selbstgemachten Sachen. Ein bisschen vom Zauber war verloren. Auch wenn andere sich darüber freuen, merkte ich gar nicht mehr, wie geil das eigentlich ist, was ich da kann. Wie schade...


 Vielleicht sollte ich demnächst mehr "Auftragsarbeiten" annehmen unter der der Prämisse, dass wir dazu in den Stoffladen fahren und die Menschen mit mir den Stoff kaufen. Für meinen Fokus. Der Stoff vom Schrankkumpel hat sogar noch für Mützen gereicht. Auch darüber hat er sich extrem gefreut.


 Vermutlich wird das in Zukunft noch ein paar mal Thema sein. Denn wenn ich mir in den letzten Jahren meines Lebens irgendwas anhören durfte, dann immer wieder Verwunderung für all das, was ich kann und tue. Und zu oft kann ich das nicht nachvollziehen, weil es eben selbstverständlich ist. Ich suche noch nach der Antwort, ob das für mich wirklich alles so einfach ist oder ob ich mich selber klein halte. Mal sehen. Vermutlich wird es bis dahin noch mehr Sachen als Julover und Mützen geben. Dienstagssammlung.

10 Kommentare:

  1. Das erinnert mich an eine Situation, als ich ungefähr 15 war. Wir probten mit einem Orchester und eine unbeteiligte hörte zu. Irgendwann meinte sie zu mir 'Das Instrument da, das ist ein Kontrabass, oder?' und zeigtebauf das Cello. Ich konnte nicht verstehen, warum sie den Unterschied nicht sehen konnte bis ich realisierte, dass es eben nicht fürjjeden Menschen selbstverständlich ist, ein großes Wissen über Musik und Instrumente zu haben. Die Situation habe ich nie vergessen und sie hat mir seitdem viele Situationen verstehen gelernt <3

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    1. jepp, das mit dem wissen ist so ein privileg, das mensch IMMER im hinterkopf haben muss.
      liebe grüße,
      jule*

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  2. Ich glaube, zur Zeit neigst du ein bisschen dazu, dich kleiner zu machen...hat sicher Gründe, auch vielleicht bei der Weltenlage. Ich finde, du hast viel zu bieten, nicht nur die Aufgezählten Sachen.also Kreuz durchdrücken, Brust raus! Und? Wie ist das Gefühl so?
    😅
    Herzlich
    Astrid

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    1. manchmal denke ich, ich habe schon muskelkater vom ständigen durchdrücken... das passt schon. danke dennoch.
      liebst,
      jule*

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  3. Das kann ich total nachvollziehen und mir wurde beim Lesen erst so richtig bewusst, wie sehr das auch auf mich zutrifft - im Job bei den Hobbies. Danke dafür!
    Tolle Pullis und Mützen, besonders der schwarz/gesprenkelte Stoff gefällt mir!
    Liebe Grüße
    Janina

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    1. oh ja, den schwarzen fand ich auch ganz toll. da hätte ich fast selber noch ein paar meter für mich mitgenommen ;)
      liebst,
      jule*

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  4. Mit den Händen was erschaffen ist das beste, was es gibt. Es macht so zufrieden. So glücklich. :-)

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    1. ja, aber nur solange die selbstverständlichkeit nicht zuschlägt... dann macht man das eben so wie naseputzen...
      liebst,
      jule*

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  5. Liebe Jule, coole Julover sind das geworden! Und ja, und wie war das noch mit dem Eigenlob? Ach ja, das stinkt.... Wie gut, dass diese schönen Pullover und ihre Geschichte mal wieder eine Duftmarke gesetzt haben! :-) LG, Karin

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