Samstag, 30. April 2016

Aprilliteratur 2016 und der Samstagskaffee


Die Bahn ist morgens mein Lesesessel. So lese ich mich auf den Weg zur Arbeit und auch zurück. Darum am Ende des Monats (wenn ich es schaffe) eine kurze bibliothekarische Rückschau auf die Bücher in meinen Händen, vor meiner Nase, durch meine Augen, in meinen Kopf. 


 Das Hörbuch des letzten Nähwahns. Eine bisweilen recht düstere Jugendgeschichte aus Ostberlin. Teilweise wohl etwas nostalgisch angehaucht, im großen und ganzen aber eher eine typische Jugendfreundschaftsgeschichte zwischen Kindern von unter der Arbeiterklasse und Parteifuntkionären.  Dabei das Suchen nach dem Inhalt eines zufriedenen Lebens, Ausprobieren, Scheitern und weiter machen. Bei Hörbüchern bin ich mittlerweile sehr kritisch, was die Vorlesenden angeht. Sebastian Zimmler konnte ich sehr gut zuhören.


 Gelesen für die Arbeit mit einem meiner Förderlernenden. Uns gefiel die Geschichte recht gut. Es geht um Jamie, der mit seiner Mutter seit kurzem bei seiner kranken Tante in der Wohnwagensiedlung lebt und sich mit dem Leben dort nicht zurechtfindet. Die Freundschaft zu Audrey deckt aber später sein düsterstes Geheimnis auf. Leider ist dieses düstere Geheimnis so um den heißen Brei herum beschrieben, dass Förderlernende es leider schwer fällt, zu verstehen worum es eigentlich geht. Ansonsten wäre das hier ein ganz famoses Buch für Kids zwischen 12 und 15. Ein weiterer Grund, weshalb ich diese "hauptsache ich habe mit tollen Wortspielen und Vergleichen gespielt" Geschichten nicht leiden kann. Sag doch einfach worum es geht. Einen dicken fetten Pluspunkt erhält dieses Buch aus pädagogisch, deutschfördernder Sicht für den Auftritt eines Autors in Jamies Schule. Das Kapitel werde ich demnächst immer Nutzen, wenn es darum geht, mit Lernenden Geschichten zu schreiben.


 Es lief mir so über den Weg, als sich meine Gedanken gerade wieder tief in der Sinnhaftigkeit des Selbermachens vergruben. Ein Buch voller Anregungen rund um die Themen Wiederverwenden, Leihen statt kaufen, Upcycling und nachhaltigen Konsum. Grundsätzlich erstmal super und auch wirklich mal wieder ein feines Anstupsbuch. Für mich gab es leider wenig neues darin. Vermisst habe ich (wie in fast allen Büchern zum Thema) eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema, dass auch nachhaltiger Konsum, Konsum bleibt und oftmals nicht aus Notwendigkeit heraus betrieben wird. Ich könnte schon wieder einen eigenen Artikel daraus stricken. Kapitalismus, Konsum, Wirtschaft, Sklaverei, Freiheit. Ab in den Wortspeicher und dann vielleicht ein ander mal. Wer immer schon nach Möglichkeiten für weniger und nachhaltig gesucht hat, könnte in diesem Buch fündig werden, sollte aber auch nicht zu viel erwarten. Die meisten spannenden Adressen, auf die im Buch verwiesen werden, sind in Berlin (!!!) zu finden. Sagt ja auch schon wieder eine Menge aus.


 Ich hatte da mal eine Bildungslücke zu schließen. Das anarchistischen rothaarige Mädchen meiner Kindheit und Jugend hieß Pippi und Zora war höchstens in den wenigen Fernsehminuten die mir zustanden mal präsent. Aber es ist ja nie zu spät. Jedenfalls habe ich nun die Geschichten der roten Zora und ihrer Bande auch in meinem Herzen und hatte nicht wenig Lust ganz schnell mal nach Kroatien zu reisen. Zudem war ich erstaunt, dass ein solches Buch im deutschsprachigen Raum 1941 erstmals erscheinen konnte. Nach einer minimalen Recherche lüftete sich das Rätsel und es stellte sich heraus, dass Kurt Held es im Exil in der Schweiz veröffentlicht hatte. Es war auf jeden Fall eine sehr wärmende Geschichte zwischen den ganzen Aprilregenhagelschneeschauern. Ich fürchte nur, dass Zora Pippi nicht vom Thron in meinem roten Herzen stoßen kann.


 Ich wollte es dann doch mal wissen. Wie war Superman früher und wie hat er sich entwickelt? In diesem Buch kann man mit Superman durch seine Entwicklung reisen. Vom ersten Auftritt bis (fast) heute. Das fand ich schon recht spannend. Ebenfalls das Vorwort, welches die Idee zum ersten aller Superhelden fein erklärte. Allerdings muss ich dazu sagen, dass einige Geschichten sehr viele Lücken aufreißen und nicht schließen. Das ist ziemlich verwirrend und wirft mehr Fragen auf. 


 Clemens Meyer wollte ich an dieser Stelle schon fast unterschlagen. Ich hatte es schonmal gelesen und fand es beim zweiten Mal nur noch schlechter und großkotziger. Was sind das für Menschen, die einem solche selbstgefälligem Autor zu Ruhm verhelfen? Ein Blick auf den Abschaum der Gesellschaft, der sich betrunken, stinkend, arm und gewalttätig in den schmutzigen Ecken der Städte aufhält. Sozialvoyeurismus, mit diesem hochnäsigen Blick der gebildeten Menschen. Buh, Clemens Meyer hat auch mal von der Sütze gelebt, darum kann er sich diesen Blick leisten oder was? Klassengesellschaft wird leider nicht alleine von Geld erzeugt. Clemens Meyer schreibt für die Menschen, die "oben" sind, über die die "unten" sind. Die die "unten" sind, werden seine Bücher wohl kaum lesen, denn "unten" fehlt es oft am Licht, um Bücher zu lesen. Das Schild des Bildungsbürgertums aus welchem Herr Meyer stammt, hält er auch brav in jedem Satz mindestens einmal lautstark in die Höhe. Das ist irgendwie so wie Bildzeitung fürs Bildungsbürgertum. Mir rollen sich bei so etwas immer nur die Zehennägel hoch. Brrrrr. Und sollte ich ihn einfach nur Missverstehen, dann erkläre ihn mir doch bitte mal jemand. Gewalten ist auch bei weitem nicht das einzige Buch, welches ich von ihm gelesen habe.

Und was habt ihr im vergangenen Monat so verschlungen? Ich schicke meinen Samstagskaffee noch zu Andrea und dann schlage ich das nächste Buch auf. Heute schonmal für Mai anfangen.

9 Kommentare:

  1. Ich lese grad auch Kinderklassiker: Tom Sawyer, Das kleine Gespenst, Die schwarzen Brüder*. Kurt Held war mit *Lisa Tetzner verheiratet, vermutlich hat er deshalb die Rote Zora in der Schweiz veröffnetlicht. Das könnte ich auch mal wieder lesen. Zum 10. Mal ungefähr. lg Regula

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    1. nicht nur vermutlich sondern sicher. ein paar mehr kinderklassiker stehen bei mir auch noch auf der liste.
      liebe grüße,
      jule*

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  2. Die Rote Zora liest meine Große auch gerade. Und sie ist von dem Buch echt begeistert.

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  3. Oh die rote Zora hat mich in meinem 11.Lebensjahr vor 45 Jahren !!zu Weihnachten überrascht, eine Rolle Haselnusskugeln in Vollmilchschokolade dazu und man hat mich die Feiertage über nur seltenst gesehen, höchstens um noch mal Weihnachtsschoki zu organisieren;-)Sie hat mich erstmal von Bullerbü,Dolli und Pippi losgelöst, die kamen später alle nochmal wieder zu mir, aber seit Zora hatte sich mein Lesegeschmack weiterentwickelt. Außerdem war es im Grunde das erste Buch, das ich nicht so gut im Film fand.Toll!

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    1. ja, die zora ist auch ein wenig "anspruchsvoller" geschrieben als die lindgrengeschichten. da kann ich gut verstehen, dass sie deinen lesegeschmack ausgebaut hat.
      liebe grüße,
      jjule*

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  4. Danke für die kurzen Zusammenfassungen. Die rote Zora habe ich nie gelesen. Für mich gab es immer nur Pipi. Das Buch "fair-handeln" kommt auf meine Liste. Da ich ja nun direkt in der Stadt sitze, habe ich vielleicht die Möglichkeit die entsprechenden Ecken abzuklappern.
    Mein Lesestapel ist leider nicht besonders geschrumpft. Einzig der Klang der Zeit ist diesen Monat ausgelesen... Wenn du willst schau im Karminrot-Lesezimmer vorbei.
    Liebe Grüße
    Andrea

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  5. Ohhhh, die rote Zora war eine Heldin meiner Kindheit! Das Buch habe ich so oft gelesen! Mir geht es da anscheinend umgekehrt wie dir: Pippi fand ich immer ganz witzig, aber sie hat es nie richtig in mein Herz geschafft. Vielleicht auch, weil sie nicht ganz mit meinen großen Lindgren-Lieblingen (Ronja, die Brüder Löwenherz) mithalten konnte.
    Deine anderen April-Bücher sagen mir leider nichts.
    Ich hatte im vergangenen Monat viele nette Bücher, aber keine wirklichen Highlights (zum Glück aber auch keine Flops).

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    1. ja, ronja rangiert in meiner herzliste auch ganz weit oben, ist aber schwer vergleichbar mit pippi und zora. finde ich. ronja lebt halt in einer sehr kleinen welt. was sie nicht weniger cool macht. aber die außenwirkung innerhalb der geschichte ist nicht so groß, wie z.b. bei zora, pippi oder den löwenherzen.
      liebe grüße,
      jule*

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