Montag, 3. April 2017

Impressionen von der h+h cologne


 Frau Jule ist ein neugieriger Mensch. Weil das gut so ist und so bleiben muss, war ich hoch erfreut, als die Nähszene mich zur h+h cologne einlud. Erst im Nachklang erfuhr ich, dass diese Messe eine Fachbesuchendenmesse ist. Aber auch das sollte meiner Vorfreude keinen Abbruch tun und stellte sich im Gegenzug als extrem entspannend heraus, weil nicht so voll. Material kaufen wollte ich eh nicht. Ich wollte über den Tellerrand schauen, hoffte auf die ein oder andere Inspiration und schritt mit relativ wenigen Vorerwartungen durch den Eingang. Ich hatte eine fabelhafte Begleitung, die mich zwischenzeitlich wegen Geschäftemacherei aber auch alleine über die Messe stromern ließ.


 Aber wie das eben so ist, kann ich ja meine kritischen Augen auch bei so etwas nie ganz verschließen. Es gab da so ein paar Sachen, die mir ins Gesicht sprangen und die mir eher einen kalten Schauer den Rücken hinunter jagten. Damit möchte ich gerne anfangen, bevor ich zu den schönen Dingen komme. Voll pädagogisch wertvoll und so. Nicht nur nähende Mädchen sind liebenswert. Auch alle anderen Menschen und auch jene, die nicht nähen können... Erinnerte schlimm an 50´er Jahre Bräuteschule. Brrrrrrr. Grundsätzlich hatte ich den Eindruck, dass viele der Handelsprofis aus dem männlichen* Sektor kamen. An den Geschäftstischen konnte man viele Herren* in Anzügen beim Geschäfte machen beobachten. Die Handarbeitsbranche ist in den oberen Etagen männlich*. Wie in allen anderen Wirtschaftssektoren eben auch.... Erst am Schluss kommen die weiblichen* Menschen...



 Kreuzstichbilder habe ich jedenfalls unfassbar viele gesehen. Mal sehen, ob das ein Trend wird, der sich hierzulande durchsetzen wird oder ob das eher für das internationale Publikum gedacht war... "Zauberhaft", nicht wahr?


 Bei einigen Dingen die ich so beobachten konnte, fragte ich mich ein wenig, wo denn da noch die Handarbeit bleibt. Es gab eine Menge vollfertiger Sets, die vorgestellt wurden. Mir drängte sich da streckenweise ein bisschen der Verdacht auf, dass es ums Tun und nicht ums Denken geht. Wobei ich sicherlich auch furchtbar gerne mal mit so einer Freihandquiltnähmaschine hantieren würde. Nur so zum Spaß.


 Ein bisschen erfreut war ich über den offensichtlichen Musselintrend. Ich liebe dieses Material ja. Ein paar Beispiele, was man da mehr als Halstuch draus machen kann, gab es auch. Allerdings spärlich. Hier bin ich sehr gespannt, wie sich das entwickelt und was man daraus in den nächsten Monaten so sehen wird. Mich juckt es auch ein bisschen in den Fingern, mehr mit diesem Stoff zu arbeiten.

  
 Ein bisschen Neuigkeiten testen musste auch sein. Ich habe mit den neuen, ergonomischen Nadeln von Prym gestrickt. Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich was für mich wäre. Sie liegen zwar super in der Hand und einige andere Vorzüge haben diese Nadeln auch noch, es ist aber eben auch Plastik. Ich bleibe bei Holz. Allerdings möchte ich hier an dieser Stelle auf eine kleine Charityaktion dieser Firma hinweisen, die ich ganz nett fand: Bei Prym kann man seine Probestrickquadrate einsenden und diese werden dann zu Decken zusammengezaubert und Prym spendet einen Betrag für jedes Quadrat an eine Kinderhilfsstiftung. Mehr Infos gibt es hier. Eine kleine Nettigkeit sozusagen.


 Apropos Wolle: Ich war bei ganz vielen Wollherstellern unterwegs, auf der Suche nach veganem Strick- und Häkelgarn. Es war ziemlich ernüchternd. Hier scheint der Trend noch nicht angekommen zu sein. Ich kann ja auch bei sowas meine Klappe nicht halten, wenn mir jemand sagt: "Aber die Schafe müssen geschoren werden, sonst leiden sie." Dass es beim Veganismus um grundsätzliche Kritik an Tierhaltung geht, scheint bei vielen auf einem zu hohen Niveau angesiedelt zu sein. Da reicht es selten hin. Mal abgesehen von konventionellen, brutalen Schermethoden. Dieses Bild entstand bei einem finnischen Garnhersteller, die Hauptsächlich Baumwoll- und Papier(!!!)garn im Angebot hatten. Hauptsächlich für die Accesoireherstellung. Ich fand die gehäkelten Blaubeeren so zauberhaft. Das skandinavische Design war Balsam für meine geschundenen Augen.
 Bei My Boshi fand ich dann doch noch ein tolles veganes Garn. Vielleicht gibt es dazu hier demnächst mehr zu lesen und zu sehen. Leider haben die da auch einen kleinen Fehlgriff gemacht und eine Farbe ihres Garns "Hautfarbe" benannt. Hauptsächlich für Amigurumi, aber auch da gibt es ja Hautfarben der gesamten Farbpalette. Auch da konnte ich meine Klappe nicht halten, habe das Garn aber ansonsten ziemlich abgefeiert.


 Ironischerweise fand die Hautfarbendiskussion an besagtem Wollstand unweit von diesem fabelhaften Stand statt. De witte Engel ist ein Großhandel aus den Niederlanden mit Material für Waldorfpuppen. Ich war ja hellauf begeistert von den Puppentrikots. In allen Farben. Und das hier ist nur ungefähr die Hälfte der Farbstellungen. Da hätte ich ja am liebsten hochprofessionell Glitzer und Konfetti geworfen. Total super! Leider konnte man mir dort nicht sagen, wo ich Händler für Endverbrauchende finde, aber das finde ich auch noch raus. Eine Puppe muss dieses Jahr nämlich noch dringend gezaubert werden. Und dieser Puppentrikot war qualitativ um einiges besser, als jener den ich für Little John verwendet habe. 


 Was die Puppenmacherei angeht, gab es bei einem anderen Stoffgroßhandel noch fantastisches zu finden. Okay, es ist wieder so ein Fertigprodukt, aber vergleichsweise cool. Nur Mädchen* aber mit Empowermenthintergrund. Man beachte Brille, Skatenboard, Gitarre und Cupcakes in Kombination. Sogar eine Nähmaschine war dabei.


 Die einzelnen Puppen auf diesem Stoffbogen bringen sogar schon Namen und Charakterisierung mit. Und die waren echt stark. Ich habe nicht alle fotografiert, aber diese hier soll mal als kleiner Eindruck stehen. Da passiert offensichtlich doch ein bisschen Umdenken, auch bei den großen Handelnden.


 Ausprobiert habe ich auch ein bisschen was. Die Veganpozilei mag mich dafür verhaften, dass ich hier Schafswolle auf die Spindel gejagt habe, aber ich habe mich sehr gefreut, dass ich das überhaupt mal ausprobieren durfte. Spinnen ist definitiv eine Sache, die ich doch nochmal ein wenig vehementer verfolgen sollte. Das steht ganz oben auf meiner "Will ich noch lernen" Liste. Ich habe zuhause sogar schon einiges an Pflanzenfasern rumliegen. Lediglich ein gebrauchtes, funktionsfähiges Spinnrad zu bekommen, ist echt schwierig. Falls irgendwer eines übrig hat: Gerne melden.


 Diese Overcoverlock hätte ich ja sofort und am am liebsten gleich mitgenommen. Bei Bernette bin ich am Ende am längsten kleben geblieben. Das lag zum einen an dieser Maschine, auf der ich ein paar Nähte ziehen durfte, zum Großteil aber an Sinje, mit der man immer ganz fabelhaft einen Plausch halten kann. Aber auch Frau Scheiner, die ich hier kennenlernen durfte, trug zum allgemeinen Wohlbefinden bei. 
 Grundsätzlich war diese Messe sicherlich eine Erfahrung wert. Ich bin mir nicht sicher, ob es im Handarbeitskreis nur so wenige Motzkartoffeln wie mich gibt, oder ob diese vorgestanzten Nähkits und "hautfarbene" WOLLE auch anderen sauer aufstoßen. Im Nachhaltigkeitsbereich passiert in dieser Branche vergleichsweise viel. Das vermutlich auch aus kapitalistischen Gründen. Vielleicht klappt es aber auch noch auf der politisch korrekten Seite, wenn Verbrauchende das einfordern. In diesem Sinne war die Messe auf jeden Fall extrem inspirierend und hilfreich. Es gab viel Raum, sich mit Verantwortlichen auszutauschen und Kontakte zu knüpfen. Es war nicht besonders voll. Vielleicht gibt es hier demnächst mal die ein oder andere kritisch reflektierte Kooperation. Mal sehen, was die Nachwirkungen sein werden. Für die Erwähnung der Firmennamen habe ich keinen Cent bekommen, das sind meine eigenen freien Gedanken über Dinge, mit denen ich mich beschäftige. Werkelt, aber seid wachsam und kritisch!

10 Kommentare:

  1. Ah, das war also der Besuchsgrund.... Wäre nichts für mich, ich hasse Messen. Schon diese mir artfremden Menschen, diese Klimaanlagenluft, dieser gedämpfte Dauergeräuschpegel ( Habe mich in den Achtzigern genug auf Kindermoden- & Stoffmessen herumgetrieben ).
    Interessant, was du da an Merkwürdigkeiten angetroffen hast.
    Und deine kritischen Einwände sind für mich nachvollziehbar. Bin allerdings etwas zusammengezuckt, als ich an meinen heutigen Post dachte und die darin erwähnte Kaninchenzucht... Voll korrekt kann ich nicht ;-)
    LG
    Astrid

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    1. hihi, ja, messen sind meistens echt anstrengend. vor allem wenn sie voll sind. sonst war ich immer nur auf der didacta. aber wie gesagt: hier war ich ja nur wegen der sozialstudien.
      und wegen der kaninchen konnte ich heute bei dir nicht kommentieren. der erhobene zeigefinger steht mir nicht. alle so, wie sie können.
      liebe grüße,
      jule*

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  2. Musselin find ich auch sehr, sehr toll. Schön, wenn dieses Material langsam mal bekannter wird.
    Leider hab ichs dieses Jahr nicht auf die H&H geschafft, nächstes Jahr aber bestimmt (ich wohne nur ein paar Kilometer entfernt).

    De witte Engel werde ich mir mal genauer ansehen; falls Du noch schöne Anleitungen für Puppen suchst, schau mal hier: https://www.yayapan.net/ - die Puppenmacherin hats echt drauf (für den Link habe ich übrigens auch keinen Cent bekommen :-) ).

    Herzlichst
    Janine

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    1. anleitungen für puppen brauche ich nicht, danke. meine waldorfschulzeit hat dahingehend genug hinterlassen ;)
      liebe grüße,
      jule*

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  3. Oh, Musselin ist wirklich wunderschön. Und sicher auch sehr angenehm zu tragen... Ich bin gespannt, was du so daraus machst und freu mich auf die Inspirationen.

    Die ganzen Nähkits... Nja. Auf der einen Seite denke ich mir "Yay, vielleicht ist das einfach auch ein guter Startpunkt, um sich mal mit dem Handwerk auseinanderzusetzen und darauf aufbauend dann eigene Sachen zu machen." Andererseits habe ich Zweifel, dass das wirklich passiert. (Fertigessen bringt wahrscheinlich auch eher keine Köche an den Start, hm?) Und für mich ist eigentlich der kreative Akt das schöne am Werkeln, das Handwerk ist dann eher Mittel zum Zweck...

    Liebe Grüße,
    Sabrina

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    1. vermutlich hast du mit den kits im vergleich zum fertigessen recht... für mich ist das auch nix.
      liebe grüße,
      jule*

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  4. Ich bin zwar noch nie auf einer reinen Handarbeitsmesse gewesen, aber auf einer allgemeinen Kreativmesse ist mir mal aufgefallen, dass es sehr viele teure Bastelgeräte gibt, die exakt eine ganz bestimmte Sache können. Das kam mir schon ein wenig überflüssig vor. Das einzige was mir an vorgefertigten Packungen ins Haus kommt sind Stickbilder und selbst da lassen sich die Farben ja immer noch ändern wenn einem die 'vorgegebenen' nicht gefallen.

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    1. ja, wirklich, was ein quatsch. allerdings muss ich mich nur mal in meinem kreativzimmer umschauen und da liegen ein ganzer haufen solcher geräte... von der lochzange bis zur ovi... was tut man nicht alles, damit man sich austoben kann....
      liebe grüße,
      jule*

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  5. Hach schade, haben wir uns verpasst. Sinje erzählte mir, du seist zugegen und ab der Info reckte ich meinen Hals - leider ohne Erfolg.
    Ich habe das ähnlich wahrgenommen wie du, was die Männlichkeit an den Verkaufsständen anging. Was mir vor allem sauer aufgestoßen ist, ist das anfängliche Interesse der Verkaufsmenschen, nebst professionellem Verkaufslächeln, welches beides schlagartig verschwand sobald klar wurde, dass ich keinen Laden, sondern nur einen Blog führe. Das fand ich mehr als schade, vor allem, da mein Interesse an den Produkten ja immer noch vorhanden war. Aber ich war ja auch nicht für verkaufende Anzugträger, sondern für Bernette da und das war herzerwärmend nett da.

    Auf Bald!
    Ann-Sophie

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    1. haha, ja, genau. wahlweise wurde ich dann postwendend an menschen weitergereicht, die "für bloggende zuständig" sind. die waren dann meistens weiblich*. irgendwie hat es da in den oberen etagen wohl noch nicht geschnackelt... aber wozu in köln auf einer messe treffen, wenn man doch in der selben stadt lebt?
      liebe grüße,
      jule*

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