Da ich mir nicht sicher bin, ob Gewichtsangaben triggern, schicke ich diese Triggerwarnung vornweg: Gewicht, Körper(wahrnehmung). Ich schwimme heute mal ein bisschen auf der aktuellen Trendwelle der Bodypositivity mit, die gerade so sehr angesagt ist. Es fällt mir nicht leicht, diesen Beitrag so zu schreiben wie er mir passt. Ich habe ihn so oft angefangen, geändert, gelöscht, neu angefangen. Aber es muss raus und das bitte ohne Rechfertigungen oder Beschränkungen auf den Körper alleine.
Das hier ist vermutlich so ein Bild, was viele Menschen als "unvorteilhaft" bezeichnen würden. Sowohl wegen der Pose, als auch wegen der Klamotten, als auch wegen des hier präsentierten Körpers. Mittlerweile kostet es mich allerdings nicht mehr so viel Mut, mich so zu zeigen. Früher war das anders. Zwar denke ich nicht, dass es ein typisch weibliches Problem ist, aber bei vielen Menschen ist dieses Körperdings so sehr im Kopf verankert, dass es weh tut. Ihnen. Und auch mal mir. Du sollst schlank sein. Dick ist von der Gesellschaft unfassbar negativ konotiert. Faul, Schwäche, mangelnde Disziplin. Wahnsinn, was ein weicher Körper so alles über einen Menschen aussagen soll. Über einen Menschen. Es ist meistens erstmal egal, was der Mensch ist, was er tut, was er denkt.
Auch ich kann davon ein Liedchen singen. Es fing vor meiner Einschulung an und zog sich zu viele Jahre durch mein Leben. Ich war das mopsige, verfressene Kind. Man schleifte mich zu Medizinmenschen, trug seufzend mein Gewicht in Kurven ein und seufzte beim Anblick der Tatsache, dass ich nicht im eingefärbten Normfeld lag. Man suchte mir im Klamottengeschäft seufzend die nächste Klamottengröße raus. Es kniffen sogar Menschen in meinen Speck und ließen dazu nicht freundliche Kommentare los. Ich würde so im Leben dieses und jenes niemals erreichen.... Mein Körper war nicht richtig, ich war nicht richtig. Weil mein Körper nicht richtig war, verlor ich gleich den Spaß an Bewegung. Zack! Teufelskreis. Zu breit kommt bei mir noch das angebliche Problem der Länge... Ich schob Dinge, die in meinem Leben nicht funktionierten, auf meinen Körper. Er stand mir im Weg. Wobei es eigentlich gar nicht so viel gab, was nicht funktionierte. Eigentlich funktionierte das Meiste, mit Ausnahme von sportlichen Höchstleistungen. Ich habe ziemlich viel erreicht.
Heute weiß ich: Was für ein Scheiß! Und ein großesgroßes Wunder, dass sich aus all dem keine Essstörung entwickelt hat. Mit meinem pädagogisch- psychologischen Wissen ist das ein Wunder (der Resilienz). Ich sehe auf Bildern von früher kein dickes Kind, keinen übergewichtigen Teenager. Derzeit wiege ich 85kg auf 1,80m. Das nur mal so, um eine Adresse zu haben. Medizinisch liegt das manchmal im normalgewichtigen Bereich, manchmal drüber. Es waren auch schon mal 15kg weniger, als ich wegen Uni- und Lebensstress einfach nicht zum Essen kam. Fitter war ich damals auch nicht. Eigentlich ist das auch scheißegal. Das sagt nämlich alles gar nichts über mich aus. Ich bin kein fauler, undisziplinierter Mensch. War ich nie. Auch heute bin ich keine gute Sprinterin und schnell aus der Puste, wenn es sportlich schnell gehen soll. Ist aber auch egal. Ich bin eine mit Stärke und Durchhaltevermögen. Sowohl in sportlicher Hinsicht, als auch im Hinblick auf viele andere Dinge in meinem Leben. Ich bin kein flotter Sportwagen, ich bin mehr so der Panzer. Standfest, geländegängig und mit defintiv mehr PS, als man meint mir anzusehen. Ich bin ein äußerst zufriedener Mensch. Ich bin ein Mensch, der gerne teilt, hilft, denkt, handelt und kreativ ist. Ich bin ein guter Mensch. Verflucht gute 85kg derzeit. Auch mit mehr oder weniger würde das nichts an mir ändern. Bis zu dieser Erkenntnis hat mich mein Körper viel Lebenszeit gekostet, als ich ihn gehasst und verflucht habe. Weil mir andere Menschen, die Gesellschaft ständig gesagt haben, dass er nicht richtig ist. Lebenszeit, mit der man sicherlich besseres hätte anstellen können. Weltfrieden anrichten zum Beispiel oder so (das ist so halb von Laurie Penny abgeschrieben). Das Tragische daran ist, dass dieser Körperhass in vielen Menschen so sehr verankert ist, dass es schwer ist, ihnen was anderes nahe zu bringen.
Aus diesem Grund tue ich auch den Teufel und stecke Menschen aufgrund ihrer körperlichen Erscheinung in Schubladen. Eine Speckrolle sagt nichts über einen Menschen aus. Ein schlanker Mensch ist nicht automatisch disziplinierter oder aktiver. Übrigens auch äußerst praktisch im Job. Man ahnt ja gar nicht, wie viele Lehrende immer noch krude Körpersozialisation an Lernenden auslassen (und damit meine ich nicht nur das Fach Sport). Ich glaube im Zusammenhang mit den hier gezeigten, selbstgenähten Klamotten auch nicht an die Macht der kaschierenden Kleidung. Niemals würde ich einem Menschen sagen, er solle sich dies oder jenes nicht anziehen. So von wegen Speck gehört versteckt. Wallewallekleidung macht niemanden "schlank". Entweder bist du viel oder wenig. Ich trage ganz gerne enge Kleidung. Sollen die Leute halt wegschauen, denen das nicht gefällt. Ich habe vor einigen Jahren beschlossen, mich in meinem Körper einfach wohlzufühlen. Ich habe nur den einen. Ich fühle mich wohl in meiner Haut. Der Weg zu diesem Gefühl war lang und beschwerlich und er muss jeden Tag aufs neue gegen die ständigen Angriffe aus der Gesellschaft verteidigt werden. Das sollten auch einige andere "einfach" mal tun.
Kleidung hat Funktionen: Warm halten, Privatsphäre, Wohlfühlen. Die letzten beiden gelten für den Menschen der drinsteckt. Nicht für alle anderen. Ich mag Klamotten in denen ich mich bewegen kann, ohne ständig dran rumzuppeln zu müssen. Denn bewegen tue ich mich ganz gerne. Auch mit diesen neuen Klamotten kann ich jederzeit auf die Yogamatte oder auf Bäume klettern oder auf der Demo vor der Pozilei wegrennen (okay, Schuhe wären bei Letzterem vermutlich hilfreich). Ich habe das unfassbare Glück und Privileg, dass ich meine Klamotten so zaubern kann, wie sie mir passen und wie sie mir passen. Ich muss mir nicht in Umkleidekabinen mit mieser Beleuchtung und unqualifiziertem Verkaufspersonal erzählen lassen, dass mein Körper und ich falsch seien, weil ich nicht in gewollte Klamottengrößen passe. Noch nichtmal von Schnitten muss ich mir das sagen lassen, denn auch die kann ich selber bauen, wie bei all den Klamotten die ich hier zeige.
Das feiere ich jeden Tag hart ab, wenn ich mir meine zweite Haut aus
dem Kleiderschrank ziehe. Und das hat es mir vermutlich auch leichter
gemacht, meinen Körper nicht mehr als feindliches Ding zu betrachten. Ich kaufe auch keine Schnitte mehr, weil ich auch hier die Größenkonotation und -politik diskriminierend finde. Klamottengrößen wurden und werden nach wie vor zu sehr von der Gesellschaft mit kruden Bedeutungen belegt. Dabei sollen das doch eigentlich nur Orientierungshilfen sein.
Und jetzt habe ich es hoffentlich geschafft, diesen vermaledeiten Artikel ohne Rechtfertigungen runterzuschreiben. Kleine Anekdote am Schluss: Ich kenne Menschen, die durchaus dem gesellschaftlichen akzeptierten Körperideal entsprechen. Diese Menschen erzählen mir oft von Kommentaren zu ihren Körpern, die dahin gehen, dass es ja nicht sein könne oder ungerecht sei, dass sie essen können, was sie wollen/ sie Kinder geboren haben/ keinen Sport machten. Die ziehen sich dann eher nicht körperbetonende Klamotten an, damit sie diesen Kommentaren entgehen. Komplett irrer Quatsch! Es ist egal wie man es macht und was man is(s)t. Es kann nur falsch sein. Und es ist ein riesiges gesellschaftliches und politisches Problem. Es macht Menschen krank und stumm. Hört endlich auf, von Körperformen auf den Menschen darin zu schließen und lasst den Menschen für sich sprechen, nicht seinen Körper.
Die Outfits sind komplett selbstgenäht vom Top bis zur Leggins. Aus Jerseys aus einem örtlichen Stoffladen. Die Schnitte sind -wie erwähnt- alle selbstgebaut.
Damit wäre das mein diesmonatlicher Beitrag für die Politisierungssammlung im August und in die heutige Donnerstagssammlung darf er auch noch.
Die Outfits sind komplett selbstgenäht vom Top bis zur Leggins. Aus Jerseys aus einem örtlichen Stoffladen. Die Schnitte sind -wie erwähnt- alle selbstgebaut.
Damit wäre das mein diesmonatlicher Beitrag für die Politisierungssammlung im August und in die heutige Donnerstagssammlung darf er auch noch.